Zwölf Jahre Wartezeit sind vorbei: Alba Berlin wird ungeschlagen Deutscher Meister
Die Berliner gewinnen auch das zehnte Spiel beim Finalturnier der Basketball-Bundesliga. Ein 75:74-Sieg gegen Ludwigsburg bringt Alba den neunten Meistertitel.
Der Zeremonienmeister hatte sich ein dunkelblaues Siegershirt über sein weißes Hemd und seine Krawatte gezwungen. Seinen gewohnten Platz am Seitenrand des Spielfeldes hatte er diesmal verlassen und stand nun auf einmal selbst mitten auf dem Parkett der Münchner Rudi-Sedlmayer-Halle. Ein bisschen schüchtern, aber auch sehr stolz verteilte er dort Medaille um Medaille. Ein groß gewachsener junger Kerl nach dem anderen trabte zu ihm, senkte sein Haupt herab und bekam dann auch noch eine Umarmung spendiert.
Am Sonntagnachmittag nach dem entscheidenden Rückspiel um die deutsche Meisterschaft nahm Aito Garcia Reneses die Siegerehrung selbst in die Hand. Ausgesucht hatte er sich das nicht, und das merkte man dem 73-jährigen Trainer von Alba Berlin in seiner Zurückhaltung auch ein wenig an. Aber im Juni 2020, inmitten einer Pandemie, die die ganze Welt in Atem hält, braucht es eben besondere Maßnahmen.
Und so wurde auch das strenge Hygienekonzept des Finalturniers der Basketball-Bundesliga bis zum allerletzten Ende strikt durchgezogen – ohne Offizielle auf dem Spielfeld, ohne äußere Eindringlinge in die Quarantäne-Blase. Da interessierte es auch nicht, dass sich die Berliner durch einen 75:74 (21:11, 21:24, 25:19, 8:20)-Erfolg gegen Ludwigsburg zum ersten Mal seit zwölf Jahren wieder zum Deutschen Meister krönten, dass sie zuvor drei lange Wochen über in der strengen Isolation eines Münchner Hotels einige Entbehrungen auf sich nehmen mussten und es nach den Finalniederlagen der vergangenen Jahre vermutlich besonders gerne hätten richtig krachen lassen.
So wurde es am Sonntag dann also eine ganz hygienekonforme Corona-Party in der Münchner Arena, mit der das Team von Alba Berlin nach langer Wartezeit nicht nur die insgesamt neunte Meisterschaft der Klubhistorie, sondern mit dem Pokalsieg aus dem Februar im Gepäck auch das erste Double seit 17 Jahren feierte. „Es ist eine verdammt komische Situation, aber wir sind so froh, dass wir es geschafft haben“, sagte Center Johannes Thiemann in die Kamera von Magentasport, ehe sein Trainer den offiziellen Teil der Feierlichkeiten eröffnen konnte.
Dass es dazu kommen würde, hatte schon zuvor niemand mehr ernsthaft bezweifelt. Zu überlegen waren die Berliner schon das gesamte Turnier über aufgetreten, bereits in der Gruppenphase hatten sie ihre Spiele trotz einiger Startschwierigkeiten letztlich souverän gewonnen, und in der K.-o.-Runde waren sie dann mit einem deutlichen Sieg nach dem anderen über ihre Gegner hinweggerollt.
So nahmen die Berliner auch im Finale einen 23-Punkte-Vorsprung mit in das entscheidende Rückspiel und verabschiedeten sich dort nach einem letzten Sieg nicht nur als völlig verdienter Meister, sondern auch als ungeschlagener Champion.
Bevor die vorschriftsmäßige Feierei losgehen konnte, brauchte es aber natürlich schon noch einmal 40 Minuten seriösen Berliner Basketball. Sind ja schon die wildesten Dinge im Sport passiert, und einfach nur auf 0:0 zu spielen ist im Basketball eher schwierig. Tatsächlich sah es jedoch zu Beginn der Partie ein bisschen danach aus, als hätten sich die Berliner genau das vorgenommen.
Es dauerte ein wenig, bis das Team von Trainer Aito Garcia Reneses zu seinem offensiven Rhythmus fand. Dann ließ jedoch Albas Edelschütze Marcus Eriksson binnen 30 Sekunden zwei Dreier einfliegen, die einen 16:2-Lauf einläuteten und in einer 21:11-Führung nach dem ersten Viertel mündeten.
Alba Berlins K.o.-Spiele beim BBL-Finalturnier
- Viertelfinale, Hinspiel: Göttingen – Alba Berlin 68:93
- Viertelfinale, Rückspiel: Alba Berlin – Göttingen 88:85
- Halbfinale, Hinspiel: Oldenburg – Alba Berlin 63:92
- Halbfinale, Rückspiel: Alba Berlin – Oldenburg 81:59
- Finale, Hinspiel: Alba Berlin – Ludwigsburg 88:65
- Finale, Rückspiel: Ludwigsburg – Alba Berlin 74:75
Natürlich hatten die Ludwigsburger vor dem Spiel noch einmal mit gequältem Gesicht Binsenweisheiten wie „Alles ist möglich“ in die Mikrofone gesprochen, während auf Berliner Seite mit Hinweisen wie „Wir haben noch nichts gewonnen“ noch einmal verbal der Zeigefinger erhoben wurde.
Aber allerspätestens nach diesem ersten Viertel war klar, dass an diesem Nachmittag eines der größten Comebacks der Ligageschichte ausbleiben würde. Dazu fehlte es den Ludwigsburgern ohne ihren Topscorer Marcos Knight, der nach der Partie zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, aber wegen einer Fußverletzung erneut passen musste, schlicht an Punch und Frische. Albas Physis konnten sie nichts entgegensetzen.
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Um das Spiel zu beherrschen, mussten die Berliner nicht einmal All In gehen. Vor den leeren Rängen entwickelte sich stattdessen bald das wohl laxeste Entscheidungsspiel um einen deutschen Meistertitel, das die Liga bislang gesehen hat. „Ich glaube, dass wir nicht mit der Intensität spielen, mit der wir spielen können“, sagte Albas Flügelspieler Kenneth Ogbe vor der Kamera von Magentasport, nachdem kurz zuvor sein junger Kollege Malte Delow per Dreier den 42:35-Halbzeitstand erzielt hatte.
Zwei weitere Dreier später, Martin Hermannsson und Eriksson machten direkt nach der Halbzeitpause noch einmal ernst, war die Partie durch – auch wenn sich die Ludwigsburger zumindest am Ende der Begegnung noch einmal wehrten, als sie die Chance witterten, den Berlinern in ihrer Meisterlaune doch noch einen Sieg abzuluchsen.
Die handverlesenen Edelfans der Berliner – darunter Manager Marco Baldi, Sportdirektor Himar Ojeda, Präsident Axel Schweitzer und der verletzte Flügelspieler Tim Schneider – klatschten dennoch entspannt Beifall, denn sie wussten, dass sie an diesem Nachmittag trotz aller wenig feierlichen äußeren Umstände Zeugen eines großen Momentes wurden: des so lange ersehnten Titelgewinns.
Als sich Kapitän Niels Giffey dann später – ohne Übergabe versteht sich – den Pokal krallte, mussten sie natürlich auch auf ihren Plätzen bleiben. Dafür schafften sie es von der Tribüne aus in sicherer Entfernung mit aufs Siegerfoto. Dann musste das Team auch schon wieder los. Der Zug Richtung Berlin wartete. „Wir müssen gucken, was das Bordbistro hergibt“, sagte Giffey vorher noch. Die Hoffnung auf eine würdige Meistersause hatten er und seine Kollegen zurück in der Freiheit längst noch nicht aufgegeben. (Tsp)