Verpasster Coup in der Euroleague: Alba Berlin unterliegt Barcelona knapp mit 80:84
Lange riecht es nach einer Überraschung. Doch auch eine Elf-Punkte-Führung reicht für Alba gegen das Starensemble des FC Barcelona am Ende nicht zum Sieg.
Natürlich hat das gefürchtete Coronavirus längst auch den europäischen Basketball erreicht. Gleich eine ganze Reihe von internationalen Spielen musste in den vergangenen Tagen hinter verschlossenen Türen ausgetragen werden, um aus der jeweiligen Groß- eine Exklusivveranstaltung zu machen und damit die Ansteckungsgefahr zu mindern.
So war es dieser Tage in der Euroleague etwa in Mailand (gegen Madrid) oder in Valencia (gegen Mailand). Und in Berlin hätte es dadurch fast ein Spiel mehr gegeben, weil für das Eurocup-Spiel am Freitag zwischen Darüssafaka Istanbul und Virtus Bologna noch nach einem neutralen Austragungsort gefahndet wurde. Berlin war angeblich im Gespräch, letztendlich wurde es jedoch Belgrad.
Alba Berlin muss sich nicht verstecken
So blieb es bei nur einem kontinentalen Kräftemessen in der Arena am Ostbahnhof. Doch das hatte es in sich. Denn mit dem Starensemble des FC Barcelona empfing Alba Berlin am Donnerstagabend eines der dicksten Kaliber der Euroleague. Und wieder einmal zeigten die Berliner, dass sie sich nicht verstecken brauchen: Am Ende eines feinen Spiels unterlagen sie vor 8797 Fans nur hauchdünn mit 80:84 (18:27, 28:11, 16:28, 18:18).
Basketballfieber statt Husten und Gliederschmerzen war also angesagt – auch wenn sich Power Forward Luke Sikma und Teamarzt Martin Morawski beim Aufwärmen noch scherzhaft nur mit dem Ellenbogen begrüßten. Albas Trainer Aito Garcia Reneses und sein Gegenüber Svetislav Pesic, der die Berliner in den 90er Jahren zu großen Erfolgen führte, schüttelten sich dagegen ganz traditionell die Hand.
Dann sahen sie ein erstes Viertel, in dem die Gäste Alba zu vielen Dingen zwangen, die das Team nicht gerne tut. Center Landry Nnoko musste es etwa mit einem tiefen Dribbling samt Zug zum Korb versuchen – er verlegte. Barcelona hatte hingegen flinke Hände und einen noch flinkeren Kopf. Brandon Davies bediente Malcolm Delaney mit einem Pass hinter dem Rücken, und zur ersten Viertelsirene stand es 18:27.
Doch dann drehten die Berliner auf. Vor allem Nnoko gab nun die Richtung vor. Nach zuletzt eher wechselhaften Leistungen hatte er nicht in der Startformation gestanden, Johannes Thiemann hatte bei der Rückkehr beider Center ins Team den Vorzug erhalten. Doch Nnoko zeigte mit seiner Athletik und seiner Wühlermentalität all das, was sein Team brauchte, um zurück ins Spiel zu kommen.
Vorne brachte er Alba energisch auf 25:27 heran, hinten räumte er seinen Gegenspieler Davies ab, wieder vorne fingerte er nach Offensivrebounds. Den Gästen begann das Händchen zu zittern, und Marcus Eriksson brachte die Berliner mit einem Dreier aus acht Metern beim 34:33 erstmals seit der Anfangsphase nach vorne. Svetislav Pesic schritt missmutig, die Hände in den Tiefen seiner Hosentasche, ein Kaugummi in den Tiefen seines Mundes, die Coaching-Zone auf und ab.
Alba Berlin dreht im zweiten Viertel auf
Denn wie schon vor ein paar Wochen gegen Barcelonas Erzrivalen Real Madrid legte Alba nun ein furioses zweites Viertel hin. Die Berliner ließen den Ball laufen, und Tyler Cavanaugh erhöhte vor der Halbzeit sogar per Dreier auf 46:38. Mit 28:11 gewannen die Gastgeber den Durchgang – zweite Viertel gegen spanische Topteams scheinen Alba ganz offensichtlich zu liegen.
Es schien dann auch im dritten Viertel munter weiterzugehen für die Berliner. Als Marcus Eriksson auf 53:42 erhöhte und Sikma unter dem Korb für Barcelonas Superstar Nikola Mirotic die Luke dichtmachte, roch es nach einem Sieg. Aber nicht mit den ausgefuchsten Gästen.
Pesic hatte fleißig in seinen Formationen rotiert, und langsam kristallisierte sich heraus, wer Barcelonas Show übernehmen sollte: Die beiden Aufbauspieler Malcolm Delaney und Cory Higgins blieben cool und brachten ihr Team zurück. Mit dem letzten Angriff des Viertels verdaddelten die Berliner dann auch noch den Ball – Delaney schnappte sich die Kugel und ließ sie mit der Sirene zur 66:62-Führung in den Korb rauschen.
Das tat weh. Doch die Berliner waren noch nicht fertig. Martin Hermannsson brachte sein Team mit zwei Freiwürfen zum 70:68 wieder nach vorne. Bei Barcelona fand nun hingegen Alex Abrines sein Händchen von außen. Es bliebt somit bis zum Ende eng.
Sekunden vor Schluss verzichteten die Berliner dann beim Stand von 80:82 auf ein Foul und versuchten stattdessen ganz nach der Philosophie ihres Trainers Reneses durch aggressive Verteidigung noch einmal an den Ball zu kommen. Doch das ging schief, Kyle Kuric legte zum entscheidenden 80:84 ab. Dem Publikum stockte der Atem – und das ganz ohne Virusinfektion.
Leonard Brandbeck