Basketball: Alba Berlin und seine Vorliebe für Litauer
Rokas Giedraitis ist der konstanteste Spieler bei Alba. Wie sein Vorgänger Grigonis kommt er aus Litauen. Gegen Krasnodar soll er wieder "brennen".
Es ist nicht überliefert, ob Rokas Giedraitis von allen seinen Teamkollegen beim Basketball-Bundesligisten Alba Berlin so genannt wird, aber Kapitän Niels Giffey sagt schon mal „Stoneface“ zu ihm. Eine versteinerte Miene zu haben, ist in den seltensten Fällen ein Kompliment. Bei Alba Berlin aber haben sie ihr „Stoneface“ nach wenigen Monaten schätzen und lieben gelernt. Zum einen, weil über Giedraitis’ Gesicht doch recht häufig ein verschmitztes Lächeln huscht. Zum anderen, weil der 26-Jährige Albas Erwartungen an ihn bisher sogar übererfüllt hat. Der Neuzugang ist der konstanteste Spieler der Berliner in der noch jungen Saison. „Ein Volltreffer“, sagt Albas Manager Marco Baldi. Deswegen ruhen auch am Mittwoch viele Hoffnungen auf Giedraitis. Die Berliner treffen in ihrem letzten Eurocup-Vorrundenspiel auf den Gruppenersten Krasnodar aus Russland (20.15 Uhr in der Arena am Ostbahnhof und live bei „Telekomsport“). Das Hinspiel hatten die Berliner gewonnen, mit einem weiteren Erfolg würde Alba die Gruppe als Erster abschließen.
Giedraitis ist mit 15,3 Punkte pro Spiel der neuntbeste Scorer in der Basketball-Bundesliga. Jeder zweite seiner Drei-Punkte-Würfe landet im Korb. Das sind großartige Zahlen, und doch verraten sie nicht das Wesentliche über den Spieler. „Er hat eine unglaubliche Energie“, sagt Giffey. Und auch Baldi gefällt an Giedraitis vor allem, „wie der Junge brennt“.
Tatsächlich stehen Giedraitis’ meist unbewegliche Gesichtszüge in strengem Kontrast zur Explosivität seiner Beine und Arme auf dem Feld. Der Flügelspieler besticht durch sein Tempo und seine Gier, immer den Ball haben zu wollen. Giedraitis erarbeitet sich so immer wieder gute Möglichkeiten, um seine Würfe aus der Distanz abzufeuern. Die Alba-Fans schauen Giedraitis aber auch gerne zu, weil er eine Vorliebe für den sogenannten Alley-oop-Dunking hat, also das Zuspiel am liebsten hoch in der Luft aufnimmt und von dort den Ball direkt in den Korb stopft. Ganz nebenbei ist er sich nicht zu schade, im Abwehrverhalten dem Gegner auf den Füßen zu stehen.
Giedraitis hat eine klassische litauische Sportlerbiografie
Die Energie unterscheidet ihn von seinem Vorgänger auf der Position bei Alba, Landsmann Marius Grigonis. Der war ansonsten ähnlich unbewegt in der Mimik und wichtig für das Spiel der Berliner wie Giedraitis. Nach nur einer Spielzeit aber zog es Grigonis zurück in seine Heimat nach Kaunas. Dabei hätte ihn Manager Baldi gerne behalten. So musste er sich zusammen mit seinem Sportdirektor Himar Ojeda nach einem Ersatz für einen seiner wichtigsten Spieler umschauen. Es dürfte dies für die beiden die Königsdisziplin im Hinblick auf diese Spielzeit gewesen sein. Da es mit dem in sich ruhenden Litauer Grigonis so gut geklappt hatte, holten sie einfach mal den nächsten von dem Schlag – und landeten den besagten Volltreffer. „Wir sind in dieser Saison etwas kreativer aufgestellt als in der vergangenen. Da passt Rokas mit seinem energetischen Spiel wunderbar rein“, sagt Baldi.
Interviews mit Giedraitis können eine kleine Herausforderung sein. Er ist ein Mann weniger Worte. Fragen beantwortet er schon einmal in drei Sätzen. Und der dritte Satz ist dann häufig ein „that’s it“ – „so ist das“. Jedenfalls, so erzählte Giedraitis es mal, habe er sich vor seinem Engagement in Berlin schon genauer mit seinem Vorgänger Grigonis über Alba unterhalten. Das Ergebnis der Unterhaltung mündete schließlich in ein Vertragsverhältnis.
Es ist dabei kein Zufall, dass die beiden aus Litauen stammen. Nun hat das Land weniger Einwohner als Berlin, aber ein sehr großer Teil hat vor allem Basketball im Kopf. Die Sportart hat eine bedeutende Geschichte in Litauen. Noch zu Zeiten der Sowjetunion waren die Duelle zwischen Zalgiris Kaunas und dem Militärsportklub ZSKA Moskau sportliche Großereignisse. Das Land hat viele Stars hervorgerbacht, NBA-Spieler wie Arvydas Sabonis oder Zydrunas Ilgaukas. Überall im Land hängen Basketballkörbe, es gibt mehr als 60 Basketballschulen. So hat auch Giedraitis eine klassische litauische Sportlerbiografie. Sein Vater war ein sehr guter und leidenschaftlicher Basketballer, der heute in Litauen als Trainer tätig ist. „Basketball war allgegenwärtig, als ich klein war“, sagt Giedraitis. „That’s it.“