Nach dem Pokalsieg gegen Oldenburg: Alba Berlin hat Durst – auf mehr
Der Pokalsieg gegen Oldenburg ist für das Team von Alba Berlin eine große Erleichterung. Doch nun will der Basketball-Bundesligist mehr.
Vor der Alba-Kabine war eine kleine Zapfanlage aufgebaut. Ein schmuckloser, silbern glänzender Biertank samt Hahn, dessen Inhalt sich auf handliche 0,2-Liter-Plastikbecher verteilte. In schöner Regelmäßigkeit schauten dort matte, aber umso glücklichere Gesichter vorbei und bedienten sich – Jonas Mattisseck und Landry Nnoko etwa, Johannes Thiemann griff gleich doppelt zu. Geht ja auch so einiges rein in den Körper eines Basketballprofis.
Irgendwann tauchte Albas Kapitän auf. Niels Giffey hatte ein etwas anderes Trinkgefäß mit dabei, in das er einige Zentiliter Gerstensaft zapfte. Eines, das noch ein Stück schmuckvoller glänzte als die Anlage selbst; eines, nach dem die Berliner nicht nur im wörtlichen Sinne gedürstet hatten in den vergangenen Jahren; und eines, das er nun endlich in den Händen hielt: den silbernen Pokal, den er am Sonntagabend mit seinen Teamkollegen durch einen 89:67-Erfolg im Heimfinale gegen Oldenburg erobert hatte.
Alba Berlins Weg zum Pokaltitel
- Achtelfinale: Alba Berlin – Würzburg 92:81
- Viertelfinale: Alba Berlin – Mitteldeutscher BC 82:77
- Halbfinale: Bamberg – Alba Berlin 66:82
- Finale: Alba Berlin – Oldenburg 89:67
„Wenn ich gewusst hätte, dass sich das so süß anfühlt, hätte ich das letztes Jahr schon gemacht“, scherzte Aufbauspieler Martin Hermannsson, der Alba mit 20 Punkten als Topscorer zum Sieg geführt hatte. „Gerade für diese Spieler, die einfach noch keinen Titel gewonnen haben, bedeutet das wahnsinnig viel“, strahlte auch Albas Manager Marco Baldi.
Fünf Finalniederlagen in Folge hatten die Berliner in den vergangenen beiden Spielzeiten hinnehmen müssen, jetzt hatten sie endlich „etwas zum Anfassen, etwas Greifbares“, wie es Baldi nannte – und etwas Befüllbares. Das musste Baldi auch gleich feststellen, als ihn seine Spieler in der Ecke der Kabine vom Telefonieren abhielten, um ihn zu einem tiefen Schluck aus der Trophäe zu animieren. „Casanova, Casanova“, schmetterten die Spieler dabei zu einem standesgemäßen Hip-Hop-Track.
Ein paar Minuten zuvor war es noch die Uffta gewesen, mit der die Berliner den Pokalsieg inmitten ihrer Fans vor der großen Stehtribüne feierten, dem Überbleibsel des großen Umbaus der Arena am Ostbahnhof am Nachmittag von einer Eishockey- in eine Basketballstätte. Und noch ein wenig früher hatte es statt dem eigentlich unvermeidbaren „We Are the Champions“ sogar „All I Do Is Win“ durch die Halle geschallt, als die Alba-Profis in ihren blauen Siegershirts unter der Regie von Kapitän Giffey den Pokal in die Luft stemmten und dabei von blau-weißem Konfetti berieselt wurden.
Bis zu diesem Punkt der maximalen Ekstase war es jedoch ein schwieriger Weg gewesen. Besonders in der ersten Halbzeit hatten sich die Berliner gegen die hellwache wie rigorose Verteidigung der Oldenburger schwergetan. „Sie waren taktisch super, haben sich im Scouting sehr gut vorbereitet und einen guten Job gemacht, uns bestimmte Plays wegzunehmen“, sagte Sportdirektor Himar Ojeda.
Ein taktischer Kniff macht Alba Berlin stark
40:43 lag Alba zur Halbzeit zurück, doch nach einem taktischen Kniff zu Beginn der zweiten Hälfte packten die Berliner dann selbst härter zu, als Trainer Aito Garcia Reneses auf eine Zonenverteidigung inklusive Manndeckung für Oldenburgs Ligalegende Rickey Paulding umstellte. Das brachte die Gäste aus dem Konzept, und in der zweiten Halbzeit erzielten sie nur noch 24 Punkte.
Den so lange herbeigesehnten Triumph empfand Ojeda deshalb auch als „eine Erleichterung, weil wir mit dieser Finalsituation viel Druck hatten, wie man in der ersten Halbzeit gesehen hat“. Aber im sechsten Anlauf klappte es dann doch noch. „Das ist vor allem eine Belohnung für die Jungs“, sagte Ojeda. „Ich finde, sie haben es sich verdient.“ All die Zweifel an Albas Titelreife, an den Erfolgsaussichten der Berliner Basketball-Philosophie, an der mentalen Härte des jungen Teams, sie dürften sich nun erst einmal erledigt haben.
Alba Berlin hat noch einiges vor
„Wir haben schon einige Finals verloren“, sagte Center Johannes Thiemann und seufzte dann einmal tief: „Von daher war das sehr wichtig, dass wir das heute geschafft haben.“ Geschäftsführer Baldi sah es ähnlich: „Ich glaube schon, dass das den jungen Spielern viel, viel Druck nimmt“, sagte er. „Und ich glaube, das wird auf jeden Fall helfen, auch für den Rest der Saison.“
Denn in der haben die Berliner noch einiges vor. Titel machen schließlich nicht nur durstig, sondern auch hungrig. Daran ließ auch Trainer Reneses keine Zweifel, nachdem er aus Albas angesäuselter Kabinenparty noch einmal zur Pressekonferenz beordert wurde.
„Eine Sache will ich noch erklären“, sagte der 73-Jährige, nachdem er ruhig und gelassen wie immer über das Spiel und seine Gefühlslage gesprochen hatte: „Das ist der zweitwichtigste Titel in Deutschland. Wir wissen, es ist sehr schwierig, aber der wichtigste Titel ist der in der Liga. Darum müssen wir spielen.“
Alba Berlins Spielplan im Februar
- 2.2. – BBL: Oldenburg – Alba Berlin 93:88
- 4.2. – Euroleague: Olimpia Mailand – Alba Berlin 96:102
- 6.2. – Euroleague: Alba Berlin – Real Madrid 97:103
- 9.2. – BBL: Alba Berlin – Göttingen 96:71
- 11.2. – BBL: Ulm – Alba Berlin 106:112 n. V.
- 16.2. – Pokalfinale: Alba Berlin – Oldenburg 89:67
- 20.2. – Euroleague: Zenit St. Petersburg – Alba Berlin (18 Uhr)
- 27.2. – Euroleague: Alba Berlin – Anadolu Istanbul (20 Uhr)
Die Party bremsen wollte Reneses damit jedoch auf keinen Fall. Seine Spieler sahen es ohnehin genauso wie er. „Wir müssen das wirklich genießen“, sagte etwa – zurück an der Zapfanlage – Martin Hermannsson. „Aber dann müssen wir zurück an die Arbeit. Jetzt will ich das größere Ding hier in Deutschland gewinnen!“ Dann verschwand er in die Kabine, jedoch nicht ohne noch einmal laut „This feels fucking awesome!“ zu brüllen.
„Man hat den Druck, der da drauf war, gespürt“, fasste Baldi das Geschehen des Abends zusammen. Aber: „Wir haben dann irgendwann mal den Korken aus der Flasche gezogen, und dann ist der Geist entwichen.“ Es war nicht der letzte Korken, der an diesem Abend aus einer Flasche gezogen werden sollte.
Leonard Brandbeck