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Angelique Kerber ist in der Weltrangliste wieder auf Rang vier geklettert.
© John Walton/PA Wire/dpa

Nach dem Sieg in Wimbledon: Ab jetzt ist alles Bonus für Angelique Kerber

Weitere Titel, Nummer eins oder gar Rücktritt? Was kommt für Angelique Kerber nach dem dritten Grand-Slam-Titel?

Da stand sie nun auf dem Balkon der Royal Box. Unter ihr hatten sich ein paar tausend Tennisfans zusammengedrängt, die kein Ticket für den Centre Court bekommen hatten, aber die neue Wimbledonsiegerin unbedingt sehen wollten. Gerade noch hatte Angelique Kerber die Hände des berühmten britischen Hochadels geschüttelt, besser bekannt als Kate und Meghan, nun reckte sie die Siegerschale in die Höhe und das Tennisvolk jubelte der Queen von Wimbledon zu. Kerber strahlte und wirkte so gelöst, als wollte sie gar nicht mehr weg von ihrem Jubelbalkon. Es war ihr Moment, ihr großer Tag: Wimbledonsiegerin. „Was will ich denn mehr?“, sagte Kerber.

Eine nicht ganz unberechtigte Frage. Mit 30 Jahren hat die Kielerin ihren dritten Grand-Slam-Titel gewonnen, der Triumph im All England Club war nun „das i-Tüpfelchen“. Viel mehr geht kaum. Bliebe vielleicht noch die Trophäe bei den French Open in Paris, dann wäre auch ihr Karriere-Slam komplett. Doch Kerber winkte lachend ab. Sie und der rote Sand? Das wird wohl keine echte Liebesbeziehung mehr werden. Das glaubt auch die Tennischefin des Deutschen Tennisbundes, Barbara Rittner, die Kerber vom Teenageralter an begleitete: „Ich glaube nicht, dass sich Angie jetzt zum Ziel setzt, Paris zu gewinnen. Dafür ist sie zu realistisch. Das Viertelfinale in diesem Jahr war für ihre Verhältnisse wirklich hervorragend.“

Nach der Krise 2017 ist Kerber wieder die Nummer vier der Welt

Doch was bleibt als nächste große Motivation? Als Anreiz, die täglichen Trainingsqualen weiter auf sich zu nehmen? „Ich kann mir vorstellen, dass Angie sagt: ,Dieses Jahr greife ich die Nummer eins an.’ Sie ist mit Abstand die Konstanteste.“ Die Nummer vier der Welt ist Kerber durch ihren Sieg bereits wieder. Und als einzige Spielerin der WTA-Tour hatte sie es in dieser Saison bei allen drei Grand Slams mindestens ins Viertelfinale geschafft. Kerber spielt inzwischen mit Ruhe, sehr viel Erfahrung und vor allem einer positiveren Einstellung als noch in der vergangenen Saison. Dass sie nach der Krise 2017 den Neuanfang mit Trainer Wim Fissette wagte, stellt sich jetzt als Schlüssel des Erfolgs heraus. Kerber hatte es allen noch mal gezeigt, die ihr dieses Comeback nicht mehr zugetraut hatten.

Dennoch schwang in Kerbers Wimbledonsieg ein bisschen der Anfang vom Abschied mit. Rittner nannte ihn „die absolute Krönung“, denn nun hat Kerber alles erreicht, was sie sich je erträumte. Ähnliches hatte auch der Wimbledon-Sieger der Männer, Novak Djokovic, 2016 nach seinem Triumph in Paris erlebt. Damit war seine Karriere perfekt – was sollte da noch kommen? Der inzwischen 31 Jahre alte Serbe rutschte damals in eine tiefe Sinnkrise. Er fühlte sich ausgebrannt, hatte keine Ziele mehr.

Bei Kerber muss es gar nicht so weit kommen und auch der Rücktritt trotz der Lebenstraumerfüllung nicht unmittelbar bevorstehen. Denn vielleicht kann es Kerber jetzt erstmals in ihrer Karriere einfach nur genießen, Tennis zu spielen. Sie muss niemandem mehr etwas beweisen, schon gar nicht sich selbst. Sie kann befreit aufspielen und sich endlich entspannen. Denn bisher war Kerbers großes Problem oft, dass sie schnell sehr negativ zu sich und ihrer Umwelt wurde, wenn es mal nicht so lief, wie sie es sich vorstellte. Diese Zeiten könnten nun endgültig vorbei sein. So kann sie die Jagd auf die Nummer eins ganz ohne Druck angehen, denn Kerber war ja schon einmal ganz oben. Wenn es ihr nochmals gelingt, ist das ein Bonus. Wie alles, was in ihrer Karriere jetzt noch kommt.

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