Potsdamer Rudersport: Zurück in die Zukunft
Nach der verpassten Olympia-Qualifikation 2016 grübelte Daniela Schultze: Wie weiter in der Karriere? Sie entschied sich zu einem Disziplinwechsel. Nun rudert die Potsdamerin im neuen, alten Metier bei der Europameisterschaft in Racice.
Rudern ist ein bemerkenswerter Sport. Die Athleten kommen dabei schließlich rückwärts vorwärts. Sinnbildhaft steht dies auch für die derzeitige Karrierephase von Daniela Schultze, denn sie rudert quasi zurück in die Zukunft.
Die Frontfrau des RC Potsdam hat zur aktuellen Saison einen Disziplinwechsel vorgenommen. Vom Riemen zum Skull – statt nur mit einem Ruderblatt sorgt sie nun also mit zweien für das Bootstempo. So wie die 26-Jährige es schon einst erfolgreich tat. 2011 gewann Daniela Schultze im Doppelzweier U23-WM-Gold, ihre bislang einzige internationale Meisterschaftsmedaille. Für das Jahr darauf, ein olympisches, schloss sie sich dann aber dem Riemenbereich an und schaffte es mit dem Deutschland-Achter zu den Sommerspielen von London. Vier Jahre später gelang ihr das an Bord des Großschiffes nicht. Die Olympia-Qualifikation für Rio wurde verpasst.
Zweite Olympiateilnahme ist Herzenswunsch
Und Daniela Schultze begann danach zu grübeln. Wie weiter in der Laufbahn? „Man hat gemerkt, dass ihr das Scheitern zugesetzt hatte. Danis Motivation war nicht mehr so hoch“, erzählt ihr Potsdamer Stützpunkttrainer Axel Müller. Doch etwas ließ Schultzes Leistungssportler-Adern noch pulsieren. Der Herzenswunsch, ein zweites Mal bei den Olympischen Spielen zu starten, wie sie sagt. Daher wurde ein Plan geschmiedet, einer, der die nötige neue Herausforderung bietet, um der Karriere eine frische, reizvolle Perspektive zu verschaffen – die Rückkehr zum Skullen. „Das Projekt“, zieht Müller ein erstes Zwischenfazit, „läuft bisher ganz gut.“
So gut, dass Daniela Schultze bei der am heutigen Freitag in Racice beginnenden Europameisterschaft zum 41-köpfigen deutschen Aufgebot gehört. Den Grundstein für die Nominierung hatte sie vor einem Monat bei der nationalen Kleinbootmeisterschaft in Krefeld gelegt, als sie mit Rang drei der Einer-Konkurrenz überraschte. Während der Mannschaftslehrgänge wurde zuletzt getestet, wo die Potsdamerin nun am besten eingesetzt werden kann. Das Resultat: Im Bug des Doppelvierers. Crewmitglied jenes Bootes zu sein, ist eine Ehre. Der Doppelvierer gilt seit Jahrzehnten als Aushängeschild der deutschen Frauenruderei, 2016 durch den Gewinn der olympischen Goldmedaille neuerlich bestätigt. Allerdings existiert die Rio-Besatzung nicht mehr. Entweder wurde die Karriere ganz beendet oder in einen Ruhezustand versetzt. „Deshalb wird das Team dieses Jahr komplett verändert. Andere Leute bekommen die Chance, ihr Können zu zeigen“, erzählt Coach Axel Müller. „Vor allem junge.“
"Ohne Erwartungen" zur EM nach Tschechien
Seine Sportlerin ist mit 26 Lenzen noch die Älteste des Quartetts, die Kolleginnen sind 23, 22 und 20. Aber nicht nur im Frauen-Doppelvierer hat ein personeller, verjüngender Umbruch stattgefunden, sondern im kompletten deutschen Team, in dem auch Potsdams männlicher Doppelvierer-Olympiasieger Hans Gruhne fehlt, der 2017 weitestgehend pausiert. Weil andere Nationen ebenfalls neue Kader haben, „werden wir jetzt erstmalig sehen, wie wir international dastehen“, sagt Mario Woldt, Sportdirektor des Deutschen Ruderverbandes, hinsichtlich der EM in Tschechien. Erfolgsprognosen sind daher laut RCP-Trainer Müller nicht möglich: „Dani soll ohne Erwartungen an die Aufgabe herangehen. Was sie mit ihrer Mannschaft jetzt einfach braucht, sind viele, viele Kilometer Rennerfahrung.“Denn die diesjährige Kontinentalmeisterschaft ist nur der erste Schritt auf dem Weg in die Zukunft von Daniela Schultze.
Tobias Gutsche
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