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Modellprojekt in Potsdam: Zeppelinstraße: Die letzte Chance

Die Einengung der Zeppelinstraße wird von vielen Seiten heftig kritisiert. Dabei könnte auch ein Fahrverbot drohen.

Potsdam-West - Populär war die Einengung der Zeppelinstraße noch nie. Doch seit der sechsmonatige Versuch, dem giftigen Stickstoffdioxid in der stark belasteten Einfallstraße Herr zu werden, am 1. Juli begonnen hat, wächst die Kritik. Umlandgemeinden, Stadtpolitiker, Autolobbyisten und nun auch Wirtschaftsvertreter geißeln die Maßnahme. Dabei ist die Einengung nicht über Nacht über Potsdam hereingebrochen. Im Gegenteil: Es wurde seit Februar 2015 diskutiert. Dem Versuch hat auch die Stadtverordnetenversammlung schon zugestimmt.

Pendler berichten in der ersten Woche von sehr unterschiedlichen Erfahrungen: Mal komme man mit dem Auto selbst im Berufsverkehr problemlos durch, ein anderes Mal sei langes Warten an der Ampel an der Pirschheide angesagt mit Blick auf eine weitgehend verwaiste Zeppelinstraße. Eine Autofahrerin berichtete von 26 Minuten Passierdauer von Pirschheide bis zur Breiten Straße um 11 Uhr vormittags – also außerhalb des Berufsverkehrs.

Wie lässt sich die Schadstoff-Belastung senken?

Doch was wäre die Alternative? Was würde passieren, wenn der Versuch abgebrochen würde oder sich am Ende herausstellt, dass trotz weniger Fahrspuren noch immer zu viel giftiges Gas in der Luft ist? Unbestritten ist, dass etwas passieren musste. Auch im zweiten Jahr, seit der EU-weite Grenzwert für die Belastung mit dem Gas rechtsverbindlich ist, war er im vergangenen Jahr in der stark befahrenen Zeppelinstraße überschritten worden. Und ausschlaggebend für die Schadstoffbelastung sind drei Faktoren: Der Verkehrsfluss, die Menge der Fahrzeuge und die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte. Ersteres hatte die Stadt bereits durch die Einführungen der sogenannten Pförtnerampeln versucht zu regulieren – in Bezug auf die Zeppelinstraße hatte das jedoch nicht den gewünschten Erfolg.

Nun versucht die Stadt, die tägliche Verkehrsmenge von 27.000 Fahrzeugen zu senken. 5000 Autos weniger sollen durch die Zeppelinstraße fahren – wohlgemerkt in beiden Richtungen zusammen. Um das zu erreichen, gibt es nur noch je eine Geradeausspur und eine abwechselnde Linksabbiegespur. Letzteres funktioniere ganz gut, berichteten Autofahrer.

Modellprojekt Zeppelinstraße: Offenbar gibt es keinen „Plan B“

Zumindest, was die Messwerte angeht, scheint sich der Versuch bisher auszuzahlen. Im Durchschnitt der vergangenen Woche lag die Belastung mit Stickstoffdioxid in der Zeppelinstraße bei 36 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Im Juli 2016 waren es im Durchschnitt noch 43 Mikrogramm gewesen. Zulässig sind 40 Mikrogramm, allerdings im Jahresdurchschnitt. Anwohner in Potsdam-West berichten unterdessen, dass der Verkehr in der Kastanienallee, der Forst- und in der Geschwister-Scholl-Straße zugenommen habe – also neue Schleichwege in Potsdam-West entstanden sind.

Scheitert die Stadt mit der Einengung, gehen ihr langsam die Handlungsalternativen aus. Übrig bliebe nur noch, die Zusammensetzung der Fahrzeugflotte zu beeinflussen. Das bedeutet beispielsweise ein Fahrverbot für Lkw oder schmutzige Dieselautos. Derzeit drücken sich um diese Frage sowohl Stadtverwaltung als auch das zuständige Landesumweltministerium herum. Offenbar gibt es keinen fertigen „Plan B“. Aus dem Ministerium hieß es auf PNN-Anfrage, die Einengung könne ein geeignetes Mittel sein, die Grenzwerte einzuhalten. „Fahrverbote oder Umweltzonen sind nach wie vor nicht das Mittel der Wahl“, so ein Sprecher. Und auch die Stadtverwaltung sieht derzeit keine rechtliche Grundlage für die Einführung eines Dieselfahrverbots in Form einer Umweltzone.

Diskussion um Fahrverbote

Doch das könnte sich schnell ändern. Möglicherweise werden Gerichte der Stadt die Entscheidung abnehmen. Die Deutsche Umwelthilfe hat bereits mehrere Städte erfolgreich per Klage dazu gezwungen, Dieselfahrverbote in ihre Luftreinhaltepläne aufzunehmen. Jüngst musste sich Düsseldorf einem entsprechenden Urteil des dortigen Oberverwaltungsgerichts beugen. Eine Berufung der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen liegt beim Bundesverwaltungsgericht. „Wir behalten uns auch für Potsdam eine Klage vor“, sagte Dorothee Saar den PNN, die bei der DUH für das Thema Verkehr und Luftreinhaltung verantwortlich ist. Man beobachte sehr aufmerksam, was verschiedene Städte zur Luftreinhaltung unternehmen – Potsdam gehöre dazu.

Auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) räumt ein, dass es bei der Einengung der Zeppelinstraße Akzeptanzprobleme gibt. Aber er kenne auch die Debatten um Fahrverbote beispielsweise in Stuttgart oder München, wie er erst kürzlich bei der Vorstellung des Klimaschutzplans sagte. „Wir als Kommune müssen das Problem lösen.“ 

PNN hat Stimmen gesammelt über das Modellprojekt zur Einengung der Zeppelinstraße:

"Taxis fahren unser Hotel gar nicht erst an"

Jutta Braun, Geschäftsführerin Kongresshotel Potsdam am Templiner See: „Seit Beginn der Maßnahme haben wir täglich massive Gästebeschwerden. Es wird beklagt, dass die Anfahrt sowohl aus der Innenstadt als auch aus Richtung Werder mit sehr viel Zeitaufwand verbunden ist – auch für Mitarbeiter. Noch gravierender stellt sich die Situation für unsere Gäste bei der Buchung von Taxis dar: Taxibetriebe fahren zu Hauptverkehrszeiten unser Hotel gar nicht erst an, da sie durch die Stauzeiten Einbußen zu verzeichnen haben. Die Gäste sind verärgert, verpassen teilweise ihre Züge beziehungsweise Flüge. Unser Appell an die Verantwortlichen der Stadtverwaltung lautet, umgehend diese Maßnahme zu beenden. Mir fehlt die Fantasie zu glauben, dass sich die Luftqualität bei der zugestauten Straße mit Stop-and-go-Verkehr verbessern lässt.“

"Eine grüne Welle würde helfen"

Sebastian Schornberg, Unternehmensführung Werder Frucht GmbH: „An den meisten Tagen der Woche kommen unsere Lastwagen bereits deutlich vor 6 Uhr im Stadtgebiet Potsdams an. Dann betrifft uns der Stau auf der Zeppelinstraße – der sich nach 6 Uhr mindestens bis nach Geltow im Landkreis Potsdam-Mittelmark ausdehnt – nicht so sehr. Haben wir es allerdings mit ungeplanten Touren oder Nachbestellungen unserer Kunden zu tun, welche Auslieferungen der Ware nach 6 Uhr nach sich ziehen, müssen wir heute schon eine halbe Stunde mehr Zeit einplanen. Das kostet nicht nur Zeit und damit Geld, sondern drückt auch erheblich auf die Stimmung unserer Fahrer. Eine ,grüne Welle’, weniger gleichzeitig offene Baustellen oder eine bessere Vorbereitung nötiger Begleitmaßnahmen rund um das ,Experiment’ würden sicher helfen.“

"Der Zeitpunkt für das Projekt sollte verkürzt werden"

Sven Kortschlag, Fuhrunternehmer Fahrservice H. Kortschlag OHG: „Die Verengung einer Bundesstraße wie der Zeppelinstraße auf eine Spur ist widersprüchlich. Das kann es nur in Potsdam geben. Es hat mir bisher keiner plausibel erklären können, wie der Schadstoffausstoß reduziert wird, wenn die Fahrzeuge im Stau stehen, beziehungsweise einspurig mit 30 Kilometer pro Stunde in die Stadt rollen. Im Gegenteil: Durch den Stau beziehungsweise durch das Ausweichen auf Schleichwege werden die Schadstoffe noch in Straßen und Stadtteile getragen, die bisher nicht oder kaum betroffen waren. Daher sollte der Zeitraum für das Projekt auf einen Monat verkürzt werden. Darüber hinaus muss eine ,grüne Welle’ eingerichtet werden, damit der Verkehr fließt. Für die Taxiunternehmen sollten zudem die Busspuren freigegeben werden.“

"Der Zeitpunkt könnte nicht ungünstiger sein"

Rüdiger Hage, Geschäftsführer Infrastruktur- und Projektentwicklungsgesellschaft: „Aus meiner Sicht sprechen zwei Dinge gegen den Feldversuch Zeppelinstraße: Zum einen ist die Maßnahme losgelöst von den Stadt-Umland-Verkehrsbeziehungen. Das betrifft sowohl die fehlenden baulichen Maßnahmen wie etwa eine separate Busspur bis Geltow, als auch die Kommunikations- und Informationswege. Zum anderen könnte die zeitliche Umsetzung der Maßnahmen ungünstiger nicht sein. Durch die Großbaumaßnahmen auf der Nedlitzer Straße sowie durch die Großbaustelle auf der A10 bei Michendorf kommt es zu Verkehrsverlagerungen in die übrigen Erschließungsnetze der Stadt Potsdam mit allen negativen volkswirtschaftlichen Auswirkungen für Wirtschaft und die Menschen. Letztendlich wird dadurch der gefühlte Zustand ,Potsdam ist eine Dauerstaustadt’ verschärft.“

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Lesen Sie weiter: Die Einengung der Zeppelinstraße nervt viele Autofahrer in Potsdam. Doch der Modellversuch zur Reduzierung der Feinstaubbelastung ist besser als ein Fahrverbot, meint PNN-Autor Marco Zschieck in seinem Kommentar.

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