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Verkehr in Potsdam: Zeppelinstraße: Der Frust der Anwohner

In der hitzigen Diskussion um die verengte Zeppelinstraße melden sich immer mehr Anwohner zu Wort. Sie sprechen von "Riesenchaos" - und von Gefahren auf den Ausweichrouten.

Potsdam-West - Ausweichverkehr. An diesem etwas abstrakten Begriff entflammt die Diskussion um die umstrittene Verengung der Zeppelinstraße. Während die Stadt die Zunahme des Verkehrsaufkommens in den umliegenden Straßen als moderat bezeichnet, sprechen viele Anwohner von einem massiven Anstieg. „Zu den Stoßzeiten morgens und nachmittags ist extrem viel Verkehr, es staut sich ständig“, sagt etwa Nicole in der Geschwister-Scholl-Straße. Das bestätigen übereinstimmend alle, die man in der Straße fragt. Zwischen 7 und 9 Uhr und 15 bis 17 Uhr sei es voll.

Fakt ist, dass ein Teil der Autofahrer seit Beginn des Feldversuchs in der Zeppelinstraße im Juli 2017 auf Alternativrouten ausgewichen ist. Das zeigt die Analyse des von der Stadt beauftragten Prüfbüros. Während in der Zeppelinstraße die Zahl der Autos um 2 400 bis 3 500 pro Tag sank, wurden in der Geschwister-Scholl-Straße rund 1 200 Fahrzeuge täglich mehr gezählt. Auch auf dem Werderschen Damm und in der Maulbeerallee wurden Anstiege verzeichnet. Aus planerischer Sicht sei eine Zunahme um 20 bis 25 Prozent moderat, hieß es dazu.

Anwohner der Ausweichrouten beklagen Gefahr für Kinder und Radfahrer

Viele Anwohner sehen das anders. Ein Problem, das viele nennen, ist die Schwierigkeit, die Straße zu überqueren. „Gerade mit den Kindern stehe ich hier morgens manchmal fünf Minuten, bevor ich über die Straße komme“, sagt Barbara, die mit einem Kinderwagen unterwegs ist. Das bestätigen auch zwei ältere Damen, die in der Hans-Sachs-Straße wohnen. „Ich kann hier morgens fast gar nicht mehr über die Straße gehen“, sagt eine von ihnen. Zugenommen habe außerdem die Zahl der Radfahrer auf dem Gehweg, beschreiben die beiden. Viele Eltern mit Anhängern am Rad würden inzwischen auf dem Fußweg fahren.

Anne ist eine von ihnen. Sie ist mit ihrem Lastenrad unterwegs, jeden Morgen bringt sie damit ihren Sohn zur Schule. „Es ist so eng auf der Straße am Morgen, die Autos stehen dicht an dicht, da muss ich auf dem Gehweg fahren“, beschreibt sie. Sehr positiv empfindet sie dagegen die neuen separaten Spuren für Radfahrer und Fußgänger auf der Zeppelinstraße.

Separate Spur für Fahrradfahrer auf der Zeppelinstraße wird von mehreren Teilnehmern gelobt

Das ist einer der Punkte, die in der Bürgerversammlung am 16. März gleich mehrere Teilnehmer lobten. Denn auch wenn es viel Kritik gibt am Ausweichverkehr, ist die Stimmung gegenüber der Verengung der Zeppelinstraße unter den Anwohnern geteilt. Zum Teil sehen sie sie als notwendiges Übel. „Man musste ja etwas gegen die Feinstaubbelastung tun, Grenzwerte müssen eingehalten werden. Für die Umwelt bin ich bereit, einiges zu akzeptieren“, sagt eine Radfahrerin.

Andere wollen die Verengung nicht akzeptieren. „Das geht gar nicht“, sagt Kerstin, die im Bio-Regionalladen arbeitet. „Morgens herrscht hier ein Riesenchaos, ein Gehupe und Geschimpfe.“ Sie spricht ein Problem an, das einige beobachten: Durch den zunehmenden Verkehr habe die Aggressivität der Verkehrsteilnehmer zugenommen. „Morgens zur Stoßzeit ist es so voll, da kommt man aus den Nansenstraße kaum raus“, beschreibt ein 50-jähriger Anwohner. „Klar, dann wird gedrängelt, der Druck steigt und auch der Stress.“

Bedenken löst auch die Sicherheitsfrage aus. „Ich habe Angst, dass sich mal ein Kind losreißt und auf die Straße rennt, weil man so lange warten muss“, sagt eine Mutter. In Potsdam-West wohnen viele Familien mit Kindern, im Umfeld der Geschwister-Scholl-Straße sind mehrere Grundschulen und Kitas.

Schadstoffbelastung auf den Umgehgungsstraßen in Potsdam-West gestiegen

Fragen stellen sich Anwohner auch zur Schadstoffbelastung. „Die Luft ist merklich schlechter geworden“, sagt Anja, die im Lottoladen arbeitet. „Wenn ich die Tür offenlasse, kommen die Abgase rein, das war früher nicht so schlimm.“ Die Auswertungen im Rahmen des Feldversuchs widersprechen dem. Die Schadstoffbelastung auf den Ausweichstraßen sei nur geringfügig gestiegen, hieß es. „Es besteht kein Gefährdungspotential durch die Zusatzbelastung auf dem Nebennetz“, sagte Tobias Schönefeld von dem durch die Stadt beauftragten Planungsbüro aus Dresden bei der Bürgerversammlung Mitte März.

Neben konkreten Ängsten oder Ärger der Anwohner ist es vor allem ein Gefühl, das viele hier zu belasten scheint. Das Gefühl, dass sich durch den zusätzlichen Verkehr ihr Kiez wandelt. „Das verändert die Viertel hier komplett!“, sagte eine entrüstete Potsdam-Westlerin bei der Bürgerversammlung, und bekam dafür viel Beifall. Auch deshalb wäre so manchem ein Fahrverbot lieber. Das Bundesverwaltungsgericht hatte es durch ein Urteil Ende Februar erlaubt. Potsdam will keine Fahrverbote – und hat zum Feldversuch Zeppelinstraße in diesem Kontext schon aus anderen Städten interessierte Anfragen erhalten (PNN berichteten).

Die Stadt lässt keinen Zweifel daran, dass die Zeppelinstraße verengt bleiben. „Ja, das bleibt so“, sagte der Baubeigeordnete Bernd Rubelt (parteilos) bei der Bürgerversammlung. Auch das Landesumweltministerium hat eine Fortsetzung der Verengung empfohlen. Rubelt wertete den Versuch als Erfolg. Allerdings müsse man weiterarbeiten und Details verbessern. Deshalb auch der Dialog mit den Bürgern, aus dem Vorschläge aufgenommen und geprüft werden sollen. Ideen waren etwa eine durchgängige Zone 30 in der Geschwister-Scholl-Straße, Einbahnstraßen oder die Verbesserung von Buslinien.

Unter www.potsdam.de/zeppelinstrasse werden die Ergebnisse und der Abschlussbericht veröffentlicht.

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Hintergrund: Zeppelinstraße

Seit Anfang 2015 gilt europaweit der Grenzwert für giftiges Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Dieser wurde in der vielbefahrenen Zeppelinstraße jahrelang überschritten. Aus diesem Grund verengte die Stadt ab Juli 2017 die Straße in einem Feldversuch auf eine Spur pro Richtung und senkte die Höchstgeschwindigkeit. Um die Folgen zu messen, wurden die Autos in der Zeppelinstraße und möglichen Ausweichstraßen in zwei Versuchszeiträumen gezählt und die Schadstoffe gemessen. Während Messwerte und Verkehrsdichte im Vergleich zum Vorjahr sanken, stieg die Fahrzeit von Geltow in die Innenstadt um bis zu 18 Minuten. Mehr Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr gab es durch den Versuch nicht.

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Kommentar: Der Ausweichverkehr rings um die Zeppelinstraße führt zu neuen Problemen - und ein Ziel wurde durch den Modellversuch nicht erreicht: der Umstieg in Bus und Bahn. 

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