Neues Schulzentrum am Stern: Zellteilung bei Montessori
Es ist ein einmaliges Projekt in Potsdam: Am neuen Schulzentrum am Stern sollen ab Sommer 2018 mehr als 1000 Schüler nach der Reformpädagogik unterrichtet werden. Ein Ausblick.
Potsdam - Projektarbeit statt Frontalunterricht, Bewertungen statt Noten, Gemüseanbau statt stures Pauken: Die Montessori-Pädagogik will vieles anders machen als die Regelschulen. In Potsdam sollen bald mehr als 1000 Schüler im neuen Schulzentrum am Stern nach dem Montessori-Konzept von 120 Lehrern unterrichtet werden – von der ersten Klasse bis zum Abitur. Start ist im Sommer 2018 mit 7. und 11. Klassen. 120 bis 150 Schüler sollen die Schule im ersten Jahrgang besuchen, zunächst noch in den Räumen der heutigen „Pierre de Coubertin“-Schule. Nach sechs Monaten soll die Montessori-Gesamtschule umziehen können in den Neubau, der am selben Standort in der Gagarinstraße seit März für 35 Millionen Euro gebaut wird. Das Coubertin-Gebäude soll saniert und mit dem Neubau verbunden werden.
Das neue Schulzentrum am Stern ist damit bereits die zweite staatliche Montessori-Schule in Potsdam. Eine Ausnahme, denn die meisten Montessori-Schulen sind Privatschulen. Die erste, die Montessori-Oberschule in Potsdam-West, ist eine Ganztagsschule für die 1. bis 10. Klasse. Seit 1993 wird dort nach dem Konzept der italienischen Reformpädagogin Maria Montessori unterrichtet. Die Nachfrage in Potsdam ist groß: Laut Simon Friedrich-Raabe, stellvertretender Schulleiter, müssen in Potsdam-West jährlich rund 100 Familien abgewiesen werden – bei etwa 50 verfügbaren Plätzen.
Mit 1000 Schülern wird die neue Schule doppelt so groß wie die in Potsdam-West
„Es ist eine Art Zellteilung“, sagte Ulrike Kegler, Schulleiterin der ersten Montessori-Schule, bei einer Informationsveranstaltung für interessierte Eltern am gestrigen Freitag über die Eröffnung der neuen Schule. Die Einrichtung in Potsdam-West habe sich etabliert, die Ergebnisse seien gut, viele Schüler wünschten sich eine Oberstufe. So hätten sie bei der Stadt vorgesprochen, um für den großen Neubau in der Gagarinstraße Montessori als Konzept ins Spiel zu bringen. Mit Erfolg. Aus Keglers Sicht ein Beweis dafür, „dass es sich durchsetzt, dass Schüler heute nicht mehr im Gleichschritt voranschreiten können“.
Pädagogisch und konzeptionell soll sich der neue Standort am ersten orientieren. „Wir übernehmen die großen Stützpfeiler“, beschreibt Friedrich-Raabe, der die neue Schule zunächst leiten wird und sich auch auf den dauerhaften Schulleiterposten bewirbt. Und weiter: „Aber es wird keine Kopie.“ Mit 1000 Schülern wird die Schule mehr als doppelt so groß, das Umfeld im Viertel sei auch ein anderes als in Potsdam-West.
Um es den Schülern Am Stern zu ermöglichen, selbst Landwirtschaft zu betreiben und sich um Tiere zu kümmern, sucht Friedrich-Raabe derzeit noch Flächen und Partner. An der Montessori-Oberschule jäten, graben und ernten die Schüler der 7. und 8. Klasse, die wie alle anderen jahrgangsübergreifend unterrichtet werden, jeden Monat eine ganze Woche auf einem Feld am Schlänitzsee. „So lernt man Biologie viel besser als im Klassenzimmer“, findet Neuntklässlerin Ronja. Auch in den Ferien habe sie regelmäßig Dienste, um nach den Eseln, Ziegen oder Hasen zu schauen.
Im Klassenraum sitzen die Kinder in Socken auf Sofas, auf dem Boden oder auf Stühlen zusammen und erarbeiten sich viel selbst. „Wir lernen vielleicht weniger Stoff als anderswo, aber wenn man viel selbst macht, merkt man es sich auch besser“, sagt Carl aus der 9. Klasse. Dazu gibt es Theater, Musik und Werken.
Zum Tag der offenen Tür kamen mehr als 150 Besucher
Bei vielen Eltern stößt das auf offene Ohren. Mehr als 150 Besucher sitzen beim Tag der offenen Tür, einige auch aus Berlin. Mara Fricke-Wirth und Gaby Herrmann sind aus Bad Belzig gekommen, ihre Töchter möchten sie vielleicht Am Stern für die siebte Klasse anmelden. „Die Schüler hier wirken so selbstständig, die Praxis- und Projektorientierung haben mich überzeugt“, so Fricke-Wirth.
Das neue Schulzentrum Am Stern wird über einige Jahre anwachsen, während die Coubertin-Schule ausläuft. Nach und nach soll innerhalb von sieben Jahren die Zahl der Klassen wachsen, 2019 sollen auch Erstklässler aufgenommen werden. Der Übergang der künftigen Schüler in die Oberstufe beschäftigt Schulleiter Friedrich-Raabe noch. Das Montessori-Konzept und die Vorbereitung auf das Zentralabitur unter einen Hut zu bekommen, erfordere noch Gespräche mit dem Bildungsministerium. Viele Schüler kämen außerdem aus der Regelschule, auch einige Lehrer. Es gebe viele Bewerbungen aus ganz Deutschland, so Friedrich-Raab: „Die müssen wir schrittweise in die Freiheit führen.“
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