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Bunt statt Businessblau. Der Designer (M.) mit Sonnenbrille, Model und Van Laack-Kreativdirektorin Christiane Roth (r.) bei der Präsentation im KaDeWe.
© Manfred Thomas

Aufbruch zum Anziehen: Wolfgang Joop auf der Berlin Fashion Week

Von Hybrid-Hemden, „Looks“ für die Masse und den drei Mode-R: Der Potsdamer Designer Wolfgang Joop erfindet sich gerade neu – wieder einmal. 

Mit ihm ist zu rechnen. Trotz Knöchelbruch, Austernvergiftung, Erkältung. Wolfgang Joop kämpft sich durch. Erfindet sich neu. Fast egal, was kommt. Das ist eine Botschaft dieses späten Dienstagabends in der sechsten Etage des Berliner KaDeWe am Kurfürstendamm. Inmitten von Konfitüre und Edel-Schokolade zeigt Van Laack, bekannt für klassische Businessmode, wie Joop erneut das Hemd auf den Kopf gestellt hat.

"Das ist eine elegante Upperclass-Kollektion"

Seit Juni ist der 75-jährige Potsdamer als Kreativdirektor bei dem Unternehmen aus Mönchengladbach an Bord, Models führen Blusen und Hemden, Shirts, Kleider, Röcke, Hosen, Jacketts vor. „Das ist eine elegante Upperclass-Kollektion“, sagt Joop. Die Zeit des Oversized, der maskulinen Schnitte und steifen Stoffe, verabschiede sich. Für Joop folgt die Optik der Reichen und Schönen. „Sie erklärt sich nicht, und sie schämt sich nicht, dass sie rich and beautiful ist“, sagt der Designer über die Trägerin seiner Van Laack-Mode.

Sein Favorit: ein dunkelblauer Damenanzug

Die Luxusmarken machten fast alle auf alt, „oder sie versuchen, wie bei Gucci, alles wahnsinnig komisch zu finden“. Nichts für Joop. Sein Favorit seiner neuen Kollektion: Ein dunkelblauer Damenanzug, das Jackett mit Puffärmeln, dazu Schlaghose und Chiffonbluse. „Wo ist diese Zeit geblieben, wo man das trug?“, fragt er. „Da war man erregt, wenn man nach Paris fuhr und jemanden in so einem Anzug sah – einem Anzug, der eben ein Mädchenanzug war.“


Den Körper einhüllend und gleichsam umspielend, unprätentiös, aber auf den Punkt – vieles, was Joops Handschrift ausmacht, ist auch bei Van Laack zu entdecken. Manch Kleid und Rock erinnern an sein lange abgegebenes und mittlerweile in Insolvenz befindliches Label „Wunderkind“. Ein Grund: die Schnittkunst. „Die Leute vergessen immer, dass die Schnitte technische Wunderwerke sind, wo du Mathematik können musst – da kannst Du auch eine Kirche bauen, wenn Du solche Schnitte kannst“, sagt Joop. Falten, die einzeln abgemessen und in der Rundung ausgenäht werden, „das sind dermaßen ausgereifte Schnitte, und da steckt Handarbeit drin“, sagt Christiane Roth, Haupt-Kreativdirektorin bei Van Laack. 

Joop sei eine „unheimlich inspirierende Persönlichkeit“, modisch mutig – und „er denkt so ganz anders“, findet Roth. Ein Ergebnis: die Hybrid-Hemden, für die Joop „ergonomisch nachgedacht“ hat, wie er es nennt. Wie sie funktionieren? „Sie kennen doch dieses Hemd von Herrn Jauch, wo der Stoff so eine Acht am Bauch macht, wenn er sich hinsetzt“, erklärt der Designer. Das Hybrid-Hemd aber habe Jersey-Einsätze zwischen Brust- und Rückenteil und mache so Spannungsfalten unmöglich.

Das Hybrid-Hemd verkauft sich gut

Eine Alltagskreation sei das, sagt Petra Köpcke vom Van Laack-Geschäft in der Potsdamer Innenstadt. „Die Hybridblusen und Hemden verkaufen sich gut.“ Überhaupt laufe die Joop-Kollektion, seit drei Wochen im Laden, gut. Auch der Designer selbst habe schon vor dem Schaufenster in der Friedrich-Ebert-Straße gestanden und einer Passantin das dort gezeigte Kleid erklärt – er geht immer nebenan zum Frisör.

Joop allerdings ist vielseitig. Hier Upperclass, dort Massenpublikum. Für das will er mit seinem neuen Label „Looks by Wolfgang Joop“ Mode machen. Am Mittwochabend sollte er es bei der Fashion Week in Berlin vorstellen. Das ganze Gegenteil von Van Laack sei „Looks“, sagt Joop, „etwas für die, die mich immer fragen, wo gibt es denn mein Stück von Dir?“.

Es werde jeweils eine kleine, in sich abgeschlossene Kollektion geben, gerade so groß, „dass man sich etwas heraussuchen und zusammenstellen kann“, sagt der Designer. Zur Präsentation werde er die neuen Teile mit eigenen Vintage-Stücken kombinieren, „zum Beispiel Plissee-Röcke, die ich mal in Paris gezeigt habe“.

Ein Drittel neu, zwei Drittel alt, so soll es auch für die Kunden funktionieren, findet Joop: „Ich mache das, weil ich auch sagen will: Behalten, behalten, behalten – und kaufen, was Dir wirklich etwas gibt, statt kartonweise Amazon zu bestellen.“ Seine Antwort auf die Debatte um Nachhaltigkeit in der Mode? „Die drei R: reduce, recycle, reuse“ - reduzieren, Materialien wiederholt verarbeiten, wieder benutzen.


„Looks“ soll dennoch viele Menschen erreichen. Wie das Portal „Fashion United“ berichtet, ist das zum Konzern JCK Holding GmbH Textil KG gehörende Unternehmen „Label Crew“ Joops neuer Lizenzpartner. In Kooperation mit „Label Crew“ sollen Sonderkollektionen produziert werden; verkauft werde „Looks“ unter anderem bei C&A, kündigte Joop selbst an. Es werde auch Kleinmöbel und Bettwäsche geben – Partner hierfür ist Ibena aus Bocholt – , Kosmetik und Schuhe: „Das ist das alte Joop!-Ding, nur in jung, neu und preiswert.“

Mit der von ihm 1987 gegründeten Joop! GmbH bediente der Designer nahezu das komplette Lifestyle-Segment, bis er sich 2001 aus dem Unternehmen komplett zurückzog. Dass Joop nun mit „Looks“ erneut neu startet, wertete die „Wirtschaftswoche“ jüngst als Aufbruchssymbol für die in der Krise steckende Branche.

Ab September auf dem Markt

Warum sollte es funktionieren? Es gebe „in jedem Aldi eine Ecke mit ein paar Sweatshirts“, sagt Joop, „aber es gibt nie das, was wir jetzt machen: eine richtig durchdachte Kollektion, die auch international jedem Anspruch genügt“. Die Materialien sind recycled, ob Cashmere oder Polyester, „und wir achten auf eine gute Passform“. Die Entwürfe fertigt Joop in seinem Atelier im Krongut Bornstedt, quasi vis à vis seines Hauses auf dem Anwesen seiner Familie in Bornstedt. Ab September soll „Looks“ auf den Markt kommen. 

2022 Joop-Schau im Potsdam Museum

Joops Werk jenseits der neuesten Kollektionen wird im Frühjahr 2022 in Potsdam zu betrachten sein. Das Potsdam Museum plant gemeinsam mit Joop und seinem Lebenspartner Edwin Lemberg eine große Ausstellung. Ein erstes Gespräch dazu habe es bereits gegeben, sagte Lemberg den PNN. Zunächst hatte die Märkische Allgemeine dazu berichtet. Die Schau soll zeigen, „was neben der Mode ist“, sagt Lemberg – Joops grafisches Werk, seine Skulpturen und Bilder. Sie solle gewissermaßen anknüpfen an die Präsentationen in der Kunsthalle Rostock 2009 und bei der Biennale Venedig 2011. Und sie soll Einblicke geben, was Joop bewegt, ihn inspiriert. Für die Potsdamer und Besucher werde es viel Neues zu sehen geben, sagt Lemberg – vor allem die Werke aus den vergangenen zehn Jahren, die noch nicht ausgestellt wurden. Aber auch die beruflichen Anfänge, erste Zeichnungen könne man zeigen, einen vollumfänglichen retrospektiven Blick auf sein Schaffen ermöglichen.

Joop selbst schaut derzeit nicht zurück. Zumindest nicht in der Mode. „Ich gehe nicht von den better days aus, ich gehe immer vom Jetzt aus“, sagt er. Seine Liaison mit dem Hemdenhersteller, das sei wie eine neue Liebe. So gibt es noch eine Botschaft des Abends im KaDeWe. Das Modemachen macht Wolfgang Joop glücklich. Noch immer.

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