"Wunderkind" ist pleite: Joops ehemalige Firma ist insolvent
Mit "Wunderkind" machte Wolfgang Joop kompromisslose Mode. Gefeiert wurde er, aber die Kosten liefen davon. 2017 stieg er aus. Nun ist die Firma pleite
Berlin/ Potsdam - Für Wolfgang Joop sollte es der ganz große Coup werden: Mit dem eigenen Label, ohne die Einschränkungen und Verpflichtungen der großen Modehäuser, wollte er die Laufstege erobern, mit seinem „Wunderkind“. Gefeiert und verehrt für die ersten Kollektionen, folgten Geldnöte und Rückschläge – bis Wolfgang Joop die Firma seinem Geschäftspartner Peter Kappler überließ. Nun ist „Wunderkind“ Geschichte, die Firma ist pleite.
Am 28. November hat das Amtsgericht Charlottenburg das Insolvenzverfahren über die „Wunderkind GmbH Co.KG“ eröffnet „wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung“ (Aktenzeichen: 36w IN6267/19). Von der „hochwertigen Bekleidung ist ein trauriger Rest an Ware übrig geblieben“, sagt Insolvenzverwalter Joachim Heitsch. Er wolle sich um deren Verwertung bemühen, könne damit aber wohl kaum Nennenswertes von den offenen Millionenforderungen begleichen. „Bilanziell überschuldet“ war die Firma schon vor zwei Jahren. Aber da bewahrte der Eigentümer wie zuvor Joop selbst oder seine Partner mit frischem Geld die Firma vor dem Aus. Vergeblich.
Bereits im Sommer 2017 hatte Joop von seinem „Wunderkind“ Abschied genommen. „Ich hatte zuletzt in Mailand bei den Schauen gemerkt, dass ich dieses System nicht mehr bedienen möchte: Das System, zweimal im Jahr eine große Schau zu machen, die viele Hunderttausende Euro kostet, ein endloses Casting; im März anzufangen, für die nächste Sommerkollektion Stoffe zu bestellen, Drucke zu zeichnen – da bin ich mehrmals thematisch vom Wege abgekommen“, sagte Joop damals im PNN-Interview. Mode werde „immer wichtiger als Selbstinszenierung“, doch alles funktioniere übers Internet, „keiner muss mehr draußen vor der Modenschau warten, sich unter die Zuschauer drängen“. Er wollte mit dem Label „Looks“ neu beginnen, dafür sollten gut ein Dutzend „Wunderkind“-Mitarbeiter mit ihm in Potsdam arbeiten. Viel zu hören war davon bislang jedoch noch nicht.
Es ist nicht verwunderlich, dass „Wunderkind“ ohne Wolfgang Joop nicht funktioniert hat. Für seine Marke hat Joop 2003 mit 58 Jahren noch einmal alles gegeben – Geld, das er beim Verkauf der Marke „Joop!“ 1999 bekam, genauso wie die Villa Rumpf am Heiligen See, in die er mit einem Team aus Schneidern, Schnittdirektricen und Assistenten einzog. Er wollte noch einmal beweisen, dass er neben Jil Sander und Karl Lagerfeld zu recht einer der bekanntesten Designer aus Deutschland ist. Mit „Wunderkind“ wollte er Kleider machen, denen man die „Bedenkenlosigkeit“ ansah, einer der Schlüsselbegriffe des Designers, der zeigte, wozu er imstande ist, wenn nicht Marketingabteilungen und Controller Kollektionen marktgerecht zurechtstutzen. Deshalb machte er sich nach der ersten Präsentation in Potsdam 2006 auf nach Paris, wo er einige Jahre seine Kollektionen während den Prêt-à-porter-Schauen zeigte. Erst als Gast, später als Mitglied des „Chambre Syndical“, der französischen Modevereinigung, was eine Anerkennung für seine Arbeit war. Die war eigenwillig. Joop schichtete Stoffe, Materialien und Muster zu einem eleganten aber lässigen Ganzen zusammen, wofür seine meisterhaften Skizzen die Grundlage waren.
Weil sich Joop nicht einschränken wollte, blieb „Wunderkind“ eine Luxusmarke, die nur für wenige bezahlbar war. Das wurde durch ein großes Geschäft am Berliner Gendarmenmarkt betont, dem weitere in München, auf Sylt und in Potsdam folgten. Dafür brauchte er bald noch mehr Geld, Nachbarn am Heiligen See investierten. Als es Streit gab, kauften Wolfgang Joop und sein Partner 2011 die „Wunderkind“-Anteile zurück. Damals, acht Jahre nach der Gründung, machte Wunderkind immer noch Verluste. 2012 gab es mit einer Schau in der Villa Rumpf einen Neustart. 2016 zogen Joop und seine 30 Mitarbeiter ins ehemalige Hotel Bogotà in der Schlüterstraße in das Atelier, das bis 1938 der Fotografin Yva gehört hatte. Im Februar 2017 verkaufte er Wunderkind an den Geschäftspartner Kappler – der gab nun auf.
Keine Überraschung
„Es tut uns leid, dass Herr Kappler ,Wunderkind' seit Übernahme zu keinem Erfolg geführt hat“, sagte Joops Partner Edwin Lemberg am Freitag auf PNN-Anfrage. Überraschend komme das Aus jedoch nicht, seit der Übernahme durch Kappler vor mehr als zwei Jahren habe es keine Lebenszeichen mehr von „Wunderkind“ gegeben. Kappler habe die Marke „Wunderkind“ über ein Nutzungsrecht geführt. Mit der Insolvenzanmeldung falle das Nutzungsrecht wahrscheinlich wieder an Wolfgang Joop zurück, sagte Lemberg weiter.
"So grün wie möglich"
Neue Pläne hätten sie spontan jedoch nicht, „aber wir können jetzt vielleicht schauen, was wir dann mit der Marke machen“. Derzeit arbeite Wolfgang Joop an der Kollektion für sein neues Label „Looks“. An diesem habe Kappler zu Beginn auch Anteile gehabt, die Joop aber im Tausch für die „Wunderkind“-Lizenz erworben habe. Wie Lemberg sagte, werde Joop die neue „Looks“-Marke auf der Fashion Week in Berlin am 15. Januar vorstellen. Das Label biete, ganz anders als „Wunderkind“, nicht große Kollektionen für wenige, zahlungskräftige Kunden sondern „kleine Kollektionen für viele Leute“. Es sei „so grün wie möglich“, die Produktionsbedingungen und Produktionsstätten würden transparent dargestellt. Joop lasse sich dabei von führenden Experten beraten und werde halbjährliche Ökobilanzen aufstellen, sagte Lemberg. Verkauft werden soll „Looks“ laut Lemberg ab September 2020, es gebe bereits ein gutes Dutzend Lizenznehmer.
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