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Die Firma Tamax will die Parzellen der Babelsberger Kleingartenanlage Angergrund räumen, obwohl kein Baurecht besteht. Die Gärtner wollen bleiben.
© A. Klaer

Streit um Babelsberger Kleingartenanlage Angergrund: Wenn das Grün stirbt

Die meisten Parzellen der Babelsberger Kleingartenanlage Angergrund sollen geräumt werden. Kleingärtner protestierten nun gegen die Pläne einer Berliner Immobilienfirma - und stecken in einer Sackgasse.

Babelsberg - Etwa 40 Menschen stehen vor dem Eingang der Babelsberger Kleingartensparte Angergrund. Einige von ihnen tragen vor dem Bauch Pappschilder, auf denen Losungen stehen. „Ohne Grün stirbt auch das Leben“, ist zu lesen, oder „Hände weg von unseren Kleingärten“. Auf dem Schild eines Mannes, der ein brennendes Grablicht in der Hand hält, heißt es: „Tamax zeig ein menschliches Gesicht – lass uns unsere Gärten“. Tamax ist die Immobilienfirma, der ein Großteil des Areals der Gartensparte Angergrund gehört – und die dort bis zu Neubauten mit bis 500 neue Wohnungen errichten will.

Immobilienfirma will Angergrund-Gärten im November räumen lassen

Mit diesem als Mahnwache betitelten Protest haben die Kleingärtner der Babelsberger Sparte Angergrund am Samstagnachmittag auf ihre prekäre Lage aufmerksam gemacht. Denn die Berliner Immobilienfirma Tamax will die meisten der Kleingärten in der Sparte räumen lassen. Wie berichtet sollen die ersten Gärten bereits am 5. November durch einen Gerichtsvollzieher geräumt werden. Während Tamax auf ihrer Website schreibt, mit dem geplanten Bauvorhaben würde Babelsberg „behutsam nachverdichtet“, spricht der Vorsitzende des Kleingartenvereins Andreas Fischer schlicht von Vertreibung. Seinen Angaben zufolge befinden sich 24 der 30 Parzellen, die zur Sparte gehören, auf dem Gelände der Tamax. Nur sechs Gärten sind demnach nicht betroffen.

Vier Kleingärtner haben entnervt aufgegeben

Die Stimmung der Kleingärtner schwankt zwischen Trauer und Hoffnung. Laut Fischer haben vier Parzellenbetreiber mittlerweile entnervt aufgegeben. Die anderen Betroffenen kämpfen weiter um den Erhalt ihrer Scholle. Es laufen derzeit zahlreiche Gerichtsverfahren zwischen der Tamax und den Kleingartenbesitzern.

Dass sich dennoch bereits ein Gerichtsvollzieher angekündigt hat, obwohl die Prozesse noch andauern, hat einen speziellen Grund: Laut Vereinschef Fischer sind gegen mehrere Kleingärtner vom Gericht sogenannte Versäumnisurteile ausgesprochen worden. Gegen ein solches Urteil kann man als Unterlegener zwar Einspruch einlegen. Das Gerichtsverfahren geht dann weiter. Aber Versäumnisurteile sind normalerweise direkt vollstreckbar – egal, ob vor Gericht noch weiter gestritten wird. Und genau darauf beruft sich nun die Tamax und hat den Gerichtsvollzieher in die Spur geschickt. Dem Vernehmen nach hatte es der Anwalt der Kleingärtner aus taktischen Gründen auf diese Versäumnisurteile ankommen lassen. Es soll sich um neun Betroffene handeln, bei denen der Gerichtsvollzieher nun in wenigen Tagen anrücken will. Ob dies doch noch juristisch abgewendet werden kann, blieb am Samstag offen.

Unterstützung seitens der Stadt Potsdam

Uta Skora, eine der Betroffenen, gab sich während der Mahnwache optimistisch. „Ich bin guter Hoffnung“, sagte die Hobbygärtnerin. „Die Stadt steht ja hinter uns.“ Auch andere Kleingartenbesitzer setzen ihre Hoffnung auf die Stadt Potsdam. Denn am 7. November – also zwei Tage nach dem angekündigten Räumungstermin – soll das Stadtentwicklungskonzept Kleingärten in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht werden. In dem bisherigen Entwurf des Konzepts wird vorgeschlagen, die Gärten im Angergrund dauerhaft als Kleingartenanlage zu schützen. Im Dezember will die Verwaltung den Stadtverordneten zudem einen Beschlussvorschlag für einen Bebauungsplan vorlegen. Damit soll die Kleingartenanlage planungsrechtlich gesichert werden.

Die Firma Tamax wirbt hingegen in ihrer Internetpräsenz weiterhin für ihr Wohnbauprojekt auf dem mehr als zwei Hektar großen Areal. Die Fläche werde „derzeit noch zu Freizeitzwecken genutzt“, heißt es auf der Website. Im Hintergrund sind dabei Kleingärten zu sehen. „Hier planen wir die Errichtung eines urbanen Neubauquartiers für generationenübergreifendes Wohnen“, schreibt Tamax weiter. Das Baurecht dafür sei „in Planung“.

Die Stadtverwaltung teilte hingegen auf PNN-Anfrage ausdrücklich mit, dass es derzeit kein Baurecht für die von der Tamax geplante Wohnbebauung gebe und auch nicht geplant sei, ein solches Baurecht zu schaffen. Denn: Das Areal soll ja als Kleingartenfläche erhalten bleiben.

Trotzdem stecken die Hobbygärtner zur Zeit in einer Sackgasse: Die Firma Tamax hatte im vergangenen Jahr ein Gerichtsurteil erwirkt, demzufolge der Kreisverband Potsdam der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) nicht rechtmäßiger Zwischenpächter der Fläche ist. Das Gericht argumentierte, dass der VGS nicht der Rechtsnachfolger des DDR-Kleingartenverbandes sei. Die Sparte war in den 1970er Jahren, und damit noch zu DDR-Zeiten, gegründet worden.

Derzeit scheint daher ein Szenario denkbar, bei dem beide Seiten verlieren könnten: Sollte sich die Tamax vor Gericht endgültig gegen die Kleingärtner durchsetzen, müssten diese ihre Parzellen räumen. Und wenn es andererseits kein Baurecht gibt, könnte Tamax wiederum nicht bauen. Spartenchef Fischer hofft daher noch immer auf eine Verhandlungslösung. Die Firma Tamax war am Sonntag für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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