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Im Potsdamer Bergmann-Klinikum werden derzeit 89 mit dem Coronavirus infizierte Patienten behandelt.
© AFP

Die Lage in Potsdam am Sonntag: Weitere Menschen im Bergmann-Klinikum gestorben

Sechs Menschen starben am Wochenende nach einer Corona-Infektion im Bergmann-Klinikum. Dort gibt es weniger Beatmungsgeräte als zuvor angegeben. Die Zahl der Infizierten beläuft sich in Potsdam auf 264.

Potsdam - Nach einem tagelang unerkannt gebliebenen Corona-Ausbruch am Klinikum „Ernst von Bergmann“ sterben dort immer mehr an Covid-19 erkrankte Menschen. Sechs Todesfälle musste die Landeshauptstadt am Sonntagabend aus dem Bergmann-Klinikum für dieses Wochenende vermelden, die Verstorbenen waren zwischen 71 und 92 Jahre alt. Damit sind in dem kommunalen Krankenhaus in weniger als zwei Wochen 15 Menschen gestorben – mehr als die Hälfte der in ganz Brandenburg an Covid-19 Verstorbenen. Zum Vergleich: In Hamburg, das zehnmal größer als Potsdam ist und schon mehr als 3000 Infizierte zählt, sind bisher 15 Menschen gestorben.

Im Bergmann-Klinikum sind derzeit 89 Corona-infizierte Personen in stationärer Behandlung – am Freitag waren es 79, am Samstag vor einer Woche noch 28. An jenem Wochenende hatte das Klinikum nach eigenen Angaben eine Häufung von Infizierten festgestellt und sich daraufhin entschieden, alle Patienten und Mitarbeiter zu testen. Am Dienstag hatten Stadt und Klinikum auf Nachfrage eingeräumt, dass vor allem die Geriatrie mit 33 positiv getesteten Senioren betroffen sei. Laut Stadtverwaltung werden aktuell 13 Corona-Infizierte auf der Intensivstation behandelt – diese Zahl hat sich trotz der sechs Todesfälle am Wochenende nicht verändert. Es sind also neue, schwerst erkrankte Menschen hinzugekommen.

Zwei Mitarbeiter wieder genesen

Auch in anderer Hinsicht ist die Lage weiter ernst. Mit dem Eintreffen weiterer Testergebnisse habe sich gezeigt, dass jetzt insgesamt sieben Mitarbeiter der Psychiatrie des Bergmann-Klinikums am Standort In der Aue – eine Anlage mehrere Kilometer vom Stammhaus entfernt in Babelsberg – infiziert seien, teilte das Klinikum am Samstag mit. Ein Fall war wie berichtet bereits vergangenen Woche bekannt geworden. Neu ist allerdings, dass auch zwei Patienten der Psychiatrie infiziert sind. Sie seien auf die Corona-Station des Klinikums verlegt worden, hieß es. Sie hatten sich den Angaben nach zuvor auf zwei verschiedenen Stationen befunden.

Insgesamt wurden laut Klinikum seit Mitte März 83 Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet. Davon befanden sich bis Samstagmittag 81 Mitarbeiter in Quarantäne. Zwei Mitarbeiter seien wieder genesen und im Dienst, hieß es. Wie viele Testergebnisse bei Patienten und Mitarbeitern noch ausstehen, konnte das Klinikum am Wochenende nicht sagen.

Wie berichtet analysieren derzeit Experten des Robert-Koch-Instituts (RKI), wie es am EVB zu dem Corona-Ausbruch kommen konnte und wie das Krankenhaus möglichst schnell wieder seine Einsatzbereitschaft zurückgewinnen kann. Wegen der unkontrollierten Ausbreitung des Virus hat das EVB vorläufig die Aufnahme neuer Patienten gestoppt. Ausnahme sind unabweisbare Notfälle und Schwangere. Ihren Bericht wollen die RKI-Experten zum Wochenanfang vorlegen.

Landesgesundheitsministerium übte Kritik

Allerdings hatte das Landesgesundheitsministerium am Freitag schon moniert, es lägen von Seiten des Klinikums noch immer nicht alle Zahlen vor, um den Ausbruch wirklich analysieren zu können. Dazu teilte Klinikumssprecherin Damaris Hunsmann am Sonntag auf PNN-Anfrage mit: „Unserer Ansicht und Recherche nach, liegen den Behörden, denen gegenüber wir meldepflichtig sind, alle Angaben vor. Jedoch sind wir hier im ständigen Austausch und verständigen uns bei offenen Punkten zeitnah.“

Zur Frage, ob die Geschäftsleitung des Hauses unter dem langjährigen Chef Steffen Grebner eigene Versäumnisse angesichts des Corona-Ausbruchs sieht, erklärte Hunsmann: „Wir sind weiterhin in der strukturierten Aufarbeitung der Fakten beschäftigt, in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt. Zudem stehen die Ergebnisse des RKI noch aus. Daher gibt es hierzu noch keine neuen Erkenntnisse.“

Klinikchef Steffen Grebner.
Klinikchef Steffen Grebner.
© Ottmar Winter PNN

Die Fallzahlen im Klinikum wirken sich statistisch aus: Die Verbreitungsgeschwindigkeit des Virus ist in Brandenburg momentan höher als in fast allen anderen Bundesländern. Das geht aus der Auswertung der Fallzahlen des Robert-Koch-Instituts durch das Berliner Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin (MDC) vom Sonntag hervor.

Zahl der Covid-Toten in Brandenburg steigt schnell an

Die Fallzahlen in Brandenburg verdoppeln sich demnach aktuell innerhalb von sieben Tagen. Schlechter schneidet nur das Saarland mit einer Verdoppelungsrate von 5,5 Tagen ab. Der Bundesdurchschnitt liegt aktuell bei 9,8 Tagen. Berlin liegt im Mittelfeld mit 9,7 Tagen. Bezogen auf die Todesfälle ist Brandenburg sogar bundesweit Schlusslicht: Die Zahl der Covid-Toten verdoppelt sich in der Mark aktuell innerhalb von nur zwei Tagen, steigt also besonders schnell an. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 5,8 Tagen.

Klinikchef Grebner erklärte auf PNN-Anfrage, derzeit seien für die eigens eingerichtete Covid-Station 24 Beatmungsplätze in Betrieb. Am nächsten Donnerstag rechne man mit der Lieferung von acht weiteren Geräten. „Der Bedarf von 40 weiteren Beatmungsgeräten ist beim Bund angemeldet.“ Ferner verfüge das Klinikum über 34 weitere Beatmungsplätze für andere Intensivpatienten, hieß es weiter.

Heimbewohner aus Werder war nicht im Bergmann-Klinikum

Als falsch erwies sich am Sonntag allerdings die Darstellung des Landkreises Potsdam-Mittelmark vom Samstag, der anfangs unerkannte Ausbruch im Klinikum habe auch für weitere Infektionen in einem Pflegeheim in Werder gesorgt. Das stellten das Klinikum und auch der Landkreis klar. Vielmehr war der 80 Jahre alte Patient aus dem St. Josefs nach einer Behandlung symptomfrei entlassen worden – ohne einen Abstrich, wie St. JosefsSprecher Benjamin Stengl den PNN bestätigte. Dies habe man entschieden, da Tests ohne Symptome unsicher seien. Zwei Tage später sei der Mann in einem akut verschlechtertem Zustand eingeliefert worden und bald darauf gestorben.

„Im Moment ist für uns schwer nachvollziehbar, wo er sich infiziert hat“, sagte Stengl. Wie berichtet hatte das St. Josefs sein Haupthaus bis auf Schlaganfälle auf Covid-Patienten ausgerichtet, andere Patienten werden in Partnerhäusern behandelt. „Wir versuchen unsere Patienten so gut es geht zu schützen.“ Generelle Tests, wie sie das Bergmann-Klinikum bei seinen Patienten und Mitarbeitern inzwischen praktiziert, seien bisher nicht geplant. Bei Symptomen wie Husten würden Mitarbeiter sofort nach Hause geschickt, sagte Sprecher Stengl.

Das St. Josefs muss wie berichtet nach dem Aufnahmestopp am Klinikum zusätzliches Patientenaufkommen bewältigen. Auch durch Hilfe anderer Krankenhäuser sei die medizinische Versorgung gesichert. So habe man allein in der Nacht zum Samstag acht Schlaganfallpatienten helfen müssen, so Stengl.

264 Infizierte bis Sonntagnachmittag

Insgesamt hat sich die Zahl der nachweislich mit dem Coronavirus Infizierten in Potsdam seit Freitag um 35 auf 264 Fälle erhöht, teilte die Stadtverwaltung am Sonntagnachmittag mit. Eine Woche zuvor – also am 29. März – waren es 109 Infizierte. Rund 610 Menschen befinden sich als Kontaktpersonen ersten Grades in häuslicher Quarantäne – das sind 30 mehr als am Freitag. Mit den sechs Todesfällen im Bergmann-Klinikum stieg die Zahl der in Potsdam Gestorbenen, die mit dem Virus infiziert waren, auf 19. Elf der Gestorbenen kamen laut Stadtverwaltung aus Potsdam. 

Darunter ist auch ein 86 Jahre alter Potsdamer, dessen Tod im St. Josefs Krankenhaus am Samstag gemeldet wurde. In dem Krankenhaus gab es bisher drei Todesfälle von Menschen, die mit dem Coronavirus infiziert waren. Unterdessen scheint das frühlingshafte Wetter am Wochenende zumindest in Potsdam kaum zu Verstößen gegen die geltenden Corona-Auflagen geführt zu haben. Man habe nur zwei kleinere Versammlungen auflösen müssen, teilte ein Stadtsprecher auf PNN-Nachfrage mit. 

Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass das Bergmann-Klinikum über 24 weitere Beatmungsplätze für andere Intensivpatienten verfüge. Das Klinikum hat seine Angaben mittlerweile korrigiert.

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