Potsdam: Elias weiter vermisst: Vier Jungen als Zeugen gesucht
Die Polizei hat weiter keine Spur auf den verschwundenen sechsjährigen Elias. Doch nun gibt es Hinweise auf vier Jungen, die zur Zeit seines Verschwindens in der Nähe gespielt haben sollen. Ein Polizeipsychologe macht aber wenig Hoffnung. Und die Freiwilligen-Chefs lösen Irritationen aus.
Potsdam - Im Fall des verschwundenen sechsjährigen Elias geht die Polizei jetzt Hinweisen auf mögliche Zeugen nach. Vier Jungen im Alter zwischen zehn und zwölf Jahren sollen am Tag des Verschwindens von Elias, am 8. Juli, zwischen 18 und 19 Uhr auf einem Spielplatz neben dem Spielplatz gespielt haben, auf dem der Junge zuletzt gesehen wurde. Entsprechende Hinweise habe man im Zuge der Ermittlungen erhalten, teilte die Polizei am Montagabend mit. Die Behörde bittet darum, dass sich die Jungen beziehungsweise deren Eltern bei der Polizei melden. Sie seien „wichtige Zeugen und werden dringend gesucht“.
Bei der Polizei sind mehr als 310 Hinweise eingegangen
Eine konkrete Spur zu dem vermissten Jungen fehlt jedoch weiterhin. Polizei und freiwillige Helfer setzten die Suche auch am Montag fort. Erneut seien Polizisten mit Spürhunden an der Nuthe unterwegs gewesen, zudem hätten Taucher abermals den Aradosee abgesucht, sagte ein Polizeisprecher. Der Erstklässler soll zuletzt auf einem Spielplatz direkt bei der Wohnung seiner Mutter im Stadtteil Schlaatz gewesen sein. Mehr als 310 Hinweise aus der Bevölkerung gingen bislang bei der Polizei ein, die nun alle ausgewertet werden. „Wir kriegen laufend neue Hinweise“, sagte ein Polizeisprecher. Diese würden dann auch mit den bisherigen Informationen abgeglichen. Eine heiße Spur gebe es aber weiter nicht. Es gebe bislang auch keinerlei Hinweise auf ein Verbrechen. Weder ein Unfall noch eine Straftat könnten ausgeschlossen werden.
Zudem wurden weitere Anwohner im Viertel aufgesucht und befragt. Ein Polizeisprecher Sprecher betonte, dass bereits Personen überprüft worden seien, die in der Vergangenheit wegen Sexualstraftaten verurteilt worden waren. Auch hier habe sich kein Anhaltspunkt ergeben. „Da ist nichts herausgekommen“, sagte er. Daneben setzt die Polizei die Befragung im Stadtteil fort. Bewohner, die in den letzten Tagen nicht angetroffen wurden, sollen Infozettel erhalten, auf denen sie darum gebeten werden, bei der Polizei einen Termin zur Befragung zu vereinbaren.
60 Freiwillige trafen sich am Bürgerhaus Schlaatz
Auch am Montag waren immer wieder Gruppen von rund 60 Freiwilligen im Einsatz, um Elias zu suchen. Am Mittag warteten nach Angaben von Gaby Franz, Einsatzleiterin des freiwilligen Stützpunktes am Bürgerhaus im Stadtteil Schlaatz, etwa 60 Menschen darauf, auf die nächste Tour gehen zu können. Allerdings sind weitere Freiwillige nötig. „Wir brauchen Helfer“, betonte Franz. Sie meint, "dass Elias hier noch irgendwo hier sein muss". Zwischen den Plattenbauten im Schlaatz gebe es Kellergänge, unterirdische Versorgungsgänge, verwinkelte Ecken und Baustellen. Da sei es auch für die Hunde sehr schwierig, sich zurecht zu finden.
Der Junge war am Mittwoch in Schlaatz zuletzt gesehen worden. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Seine Mutter hatte Elias am vergangenen Mittwoch um 19.13 Uhr bei der Polizei als vermisst gemeldet. Ihren Angaben nach hatte der Junge zuvor ab etwa 17 Uhr vor dem Wohnhaus im Inselhof im Wohngebiet Schlaatz auf dem Spielplatz gespielt, letztmalig gesehen habe sie ihn aus dem Fenster derWohnung gegen 17.30 Uhr. Als er gegen 18.30 Uhr zum Abendessen hineinkommen sollte, sei er verschwunden gewesen. Erst suchten die Mutter und ihr Lebensgefährte allein, dann alarmierten sie die Polizei. Über das soziale Netzwerk Facebook riefen Freunde der Mutter zur Suche auf.
Polizeipsychologe: Es gibt wenig Hoffnung
Nach Ansicht des renommierten Polizeipsychologen Adolf Gallwitz besteht indes wenig Hoffnung, dass der Junge lebend gefunden wird. Mit jedem Tag müsse man sich mehr mit dem Gedanken vertraut machen, „dass etwas passiert ist, woran wir nicht denken mögen“, sagte er den PNN. Fälle wie der von Natascha Kampusch, bei denen Verschwundene jahrelang gefangen gehalten wurden, dann aber lebend wiedergefunden wurden, seien selten, so Gallwitz.
Hitzige Debatte um die sogenannte Einsatzleitung der freiwilligen Helfer
Am Montagabend sorgte ein Zettel der sogenannten Einsatzleitung der Freiwilligen Helfer für Irritationen in den sozialen Netzwerken. Überschrieben ist das Blatt im Polizeijargon mit „Einsatzleitung. Team Soko Elias“. Unter drei Telefonnummern der Einsatzleitung der Satz, der hitzige Diskussion auslöste: „Bitte alle Hinweise ERST an die Einsatzleitung per Telefon durchgeben und NICHT die Polizei anrufen!!“
Auf Facebook mussten sich die Helfer deshalb heftige Kritik gefallen lassen. Ihnen wurde Geltungssucht unterstellt. Die Auswertung von Hinweisen sei Sache der Polizei. Ein User schrieb: „Aus meiner Sicht sollte jeder, der helfen möchte, die Polizei in Ruhe ihre Arbeit machen lassen. Nur sie wird die Ungewissheit beenden.“ Ein anderer kommentierte: „Die erfahrenen Ermittler brauchen sicher keine Muttis, die ihre Kinder zu einem Event mitnehmen und bei Würstchen mit Senf über die "Organmafia" fabulieren.“ Und schließlich hieß es: „Glaubt Ihr die Ermittlungen werden von nem Faschingsverein geführt?“
Gaby Franz, Einsatzleiterin des freiwilligen Stützpunktes am Bürgerhaus im Stadtteil Schlaatz, sagte den PNN am Montagabend, sie seien von der Polizei darum gebeten worden. Demnach sollten die Hinweise der Helfer, die parallel zur Polizei die Gegen durchkämmen, zuerst mit ihrer Einsatzleitung abgestimmt werden. Die Polizei sei von den Helfen mit Hinweisen ohne Relevanz überschüttet worden. Deshalb habe man diesen Informationszettel an die Leiter der Suchtrupps gegeben, sagte Franz.
Die Polizei konnte diese Darstellung am späten Montagabend nicht bestätigen. Ein mit dem Fall Elias befasster Beamter sagte, die Ermittler hätten auch erst am Abend von dem Zettel erfahren, hätten diesen aber noch nicht vorzuliegen. Von einer Bitte der Polizei, die Hinweise über die Einsatzleitung der Freiwilligen zentral zu steuern, wisse er nichts, sagte er.
Elias wird über Infografiken in Berlin gesucht
Auch in Berlin sollen laut Deutscher Presseagentur noch mehr Menschen erreicht werden, dafür setzt sich die Initiative "Vermisste Kinder" aus Hamburg ein. Bis Freitag sollen demnach 17 digitale Infotafeln an Bahnhöfen (unter anderem Hauptbahnhof, Zoologischer Garten, Ostbahnhof) über Elias informieren.
Eine ähnliche Aktion hatte die Initiative auch im Fall der seit Anfang Mai vermissten fünfjährigen Inga aus Sachsen-Anhalt unternommen. In 19 Großstädten wurde auf digitalen Infotafeln über die Vermisste informiert und um Hinweise gebeten. Einen Zusammenhang mit ihrem Verschwinden gibt es bis jetzt nicht. Inga war in einem Wald bei Stendal verschwunden, etwas mehr als 100 Kilometer von Potsdam entfernt.
Die Stadt Potsdam will helfen
Auch die Stadt Potsdam will die Suche stärker unterstützen. Die Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger war am Sonntag und am Montag am Bürgerhaus vor Ort, um sich ein Bild von der aktuellen Lage zu machen. "Es ist beeindruckend, wenn man sieht mit, wie viel Engagement und Durchhaltevermögen die Helfer hier unterwegs sind", teilte die Beigeordnete mit. "Da möchten wir als Landeshauptstadt helfen." Die Helfer sagten ihr, dass sie einen besseren Zugang zu sanitären Einrichtungen brauchen, außerdem einen Rückzugsraum im Bürgerhaus und Stromzufuhr für die Außenzelte benötigen. "Das sagen wir ihnen gerne zu", so Müller-Preinesberger. Am Dienstag solle dies umgesetzt werden, heißt es vonseiten der Stadt.
Allerdings betonte die Sozialbeigeordnete am Montag, "dass die Federführung bei Suche und Ermittlung im Fall Elias bei der Polizei liegt und dass Bürgerinnen und Bürger bei allem freiwilligen Engagement keine hoheitlichen Aufgaben übernehmen können".
Auch Bürgermeister Burkhard Exner wies auf die Unterstützung der Stadt hin. "Unser Ordnungsamt und die Feuerwehr unterstützen, wo sie können. Auch der Oberbürgermeister wird mehrfach täglich über die aktuelle Lage informiert und ist in tiefer Besorgnis."
Wer hat Elias gesehen?
Der Junge ist etwa 1,10-1,20 Meter groß und schmächtig, hat kurze, blonde Haare und blaue Augen. Er trägt eine hellblaue Jeans, ein weißes Shirt mit langen Armen und hellblauem Adidas-Schriftzug, sowie dunkelblaue Turnschuhe mit weißer Sohle. Er ist sechs Jahre alt, sieht nach Angaben der Mutter aber eher aus wie fünf Jahre.
Für Hinweise im Fall Elias hat die Polizei eine spezielle Rufnummer geschaltet. Sie ist unter Tel.: (0331) 5508- 1108 erreichbar.
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