Einengung der Zeppelinstraße in Potsdam: Versuchstiere am Steuer
Die Zeppelinstraße in Potsdam wird voraussichtlich für einige Monate testweise verengt. Wie lange die Testphase dauern wird, ist noch unklar. Kritiker befürchten Dauerstaus - und Politiker aus Potsdam-Mittelmark finden deutliche Worte.
Potsdam - Die abgasbelastete Zeppelinstraße wird im kommenden Jahr monatelang für Autofahrer eingeengt – zumindest testweise. Ein entsprechender Antrag der Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen ist am Dienstagabend im Bauausschuss angenommen worden – nur die Linken lehnten ab oder enthielten sich. Auch der Umweltausschuss hat schon zugestimmt. Damit ist eine Mehrheit für den umstrittenen Verkehrstest in der nächsten Stadtverordnetenversammlung wahrscheinlich. Das Ziel: Die Schadstoffbelastung in der Straße soll sinken, damit dort nicht weiter die europaweit geltenden Grenzwerte für giftiges Stickstoffdioxid verletzt werden.
Unter anderem stünden dann zwischen Kastanienallee und Geschwister-Scholl- Straße jeweils noch eine Fahrbahn plus eine abwechselnd nutzbare Mittelspur zur Verfügung – Kritiker befürchten deswegen einen wochenlangen Dauerstau. Dazu kämen ein neuer Fahrradweg in Richtung Pirschheide sowie eine neue Bus- und Tramspur zwischen Forststraße und Kastanienallee. Möglichst parallel – um Alternativen zu schaffen – sollen das Park-and-ride-Angebot sowie der öffentliche Nahverkehr in Richtung Werder verbessert werden.
5000 weniger Autos auf der Zeppelinstraße
Strittig ist noch der genaue Zeitraum. Die Kooperation will drei Monate. Doch dieser Zeitraum wäre nicht aussagekräftig, sagte Verkehrsplaner Axel Dörrie: Notfalls könne der Test auch ohne die Stadtverordneten verlängert und verkehrsrechtlich angeordnet werden. Bekanntlich will die Stadtverwaltung mit der Verengung der Fahrbahn die Zeppelinstraße weniger attraktiv machen, statt 27 000 sollen sie täglich nur noch 22 000 Fahrzeuge nutzen.
Auch von Befürwortern gibt es Bedenken – zumindest zur jetzigen Dauer des Versuchs. Denn ideal wäre eigentlich ein Zeitraum von einem Kalenderjahr, sagte der Sprecher des Landesumweltministeriums, Hans-Joachim Wersin, auf PNN-Anfrage. Schließlich müsse der Zeitraum repräsentativ sein, um die Effekte belastbar einschätzen zu können. Die geplanten sechs Monate seien aber zumindest „ein guter Anfang“ – und dank einer geplanten Verlängerungsoption auch geeignet, in Abhängigkeit von den ersten Ergebnissen entsprechend zu reagieren. Allgemein bewertete Wersin die Einengungspläne – „aus Gründen der Luftreinhaltung wie auch der Verkehrssicherheit“ – als sinnvoll.
Weniger Autoverkehr = bessere Lebensqualität
Auch Marc Nellen vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) sagte, ihm wäre eine längere Testdauer lieber gewesen. Es gehe bei den Plänen für die Zeppelinstraße auch um Akzeptanz in der Bevölkerung, die sich durch einen Test samt einer sorgfältigen Auswertung erreichen ließe. Mit weniger Autoverkehr werde sich die Lebensqualität in Potsdam-West erhöhen. Nellen gehört zu den Potsdamer Grünen.
Deren Fraktionschef Peter Schüler hatte den Testversuch als Kompromiss mit den Partnern in der Rathauskooperation ausgehandelt. Noch im März hatte Schüler mit Klagen gedroht, sollten in der Zeppelinstraße weiter Grenzwerte verletzt werden: Dies ist laut den Luftgütedaten des Landesumweltamts wie berichtet auch in diesem Jahr sehr wahrscheinlich. Gleichwohl erklärte Schüler auf Anfrage, angesichts der absehbaren Maßnahmen in der Zeppelinstraße sei er nicht mehr sicher, ob er tatsächlich zur Klage raten solle. Darüber werde Anfang des kommenden Jahres entschieden.
Dauerstau wird befürchtet
Zu den Gegnern gehört Ralf Jäkel (Linke), Chef des Bauausschusses. Nur die geplante Busspur sei praktikabel: „Aber eine Fahrbahneinengung verringert nicht das Verkehrsaufkommen, sondern verlängert nur die Zeitdauer von dessen Bewältigung.“ Doch ein Antrag der Linken gegen den Modellversuch scheiterte im Ausschuss. Unter anderem hatte die Linke auch eine Umweltzone für Potsdam-West nach Berliner Vorbild ins Spiel gebracht – die Stadtverwaltung hat so eine Zone bisher abgelehnt. Grund: Die Effekte seien wohl zu gering und eine effektive Kontrolle nur schwer möglich.
Ihre Kritik an dem Vorhaben bekräftigte am Dienstag auch die Industrie- und Handelskammer Potsdam, auch hier wird ein Dauerstau befürchtet: „Die Folgen für die Unternehmen wären erhöhter Spritverbrauch oder der Verlust von Kunden aufgrund von Unpünktlichkeit“, so Sprecher Toni Becker. Dauerhaft könnten Unternehmen in verkehrlich besser angebundene Regionen abwandern.
„Kein Geld aus PM für künstlich verursachte Staus!“
Eine offene Drohung in Richtung Potsdam kam aus dem Umland: Die SPD-Fraktion im Kreistag Potsdam-Mittelmark teilte mit, die versuchsweise Einengung sei sogar „kontraproduktiv im Hinblick auf die dringend notwendige Verbesserung der Luftqualität“. Nur wenn Potsdam auf den Versuch verzichte, werde die SPD im Landkreis 360 000 Euro für einen dichteren Bustakt freigeben. Vize-Fraktionschef Heiko Schmale: „Kein Geld aus PM für künstlich verursachte Staus!“
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