Potsdam: Verbotene Bilder
Friedrich von Klitzing hat 1960 die Sprengung des Fortunaportals fotografiert. Die Bilder vermacht der Bonner nun dem Potsdam Museum.
Potsdam - Als sich der Staub am Alten Markt an diesem Januartag im Jahr 1960 legte, sah Friedrich von Klitzing vieles klarer. Der Traum der sozialistischen Städteplaner von einem „noch schöneren Zentrum“ für Potsdam – für den angehenden Architekten aus Dresden, damals 27 Jahre alt, waren sie angesichts der Zerstörung des Stadtschlosses nichts als Illusion. Genauso leer wie die Vorstellung eines „paradiesischen Sozialismus“.
Niedergeschlagen sei er gewesen, als er die Sprengung des Fortunaportals und des Südflügels des Schlosses erlebte, erzählt er heute, fast 60 Jahre später. Die eine Woche in Potsdam – in der Rückschau war sie für ihn ein Kristallisationspunkt, entscheidend für seine Ernüchterung gegenüber der DDR. Als ein Jahr später die Mauer gebaut wurde, schmiedete von Klitzing, der als Kind eine dramatische Flucht aus dem heutigen Polen hinter sich hatte, endgültig Fluchtpläne: „Für mich war klar, dass ich die Welt kennenlernen und in Freiheit leben wollte“, sagt er. Die Hoffnung darauf, dass aus den beiden deutschen Staaten doch wieder einer werden könnte, hatte er verloren.
Jetzt ist von Klitzing, der seit vielen Jahren in Bonn lebt, zurück in Potsdam – mit einem besonderen Geschenk: 1960 hat er unerlaubt Fotos von den Sprengungen gemacht. Die will er nun dem Potsdam Museum schenken. „Da gehören sie hin“, sagt er. Der Förderverein des Potsdam Museums spricht von bisher einmaligen und besonders wertvollen Bildern.
Sie halten zum Beispiel die Sekunden vor und nach der Sprengung des Fortunaportals fest, den Staub, die Schuttberge und die Laster, die die Steine wegschaffen. Aber auch ein Stück Alltag: Die Straßenbahn, die über den von Ruinen geprägten Platz fährt, Bauarbeiter, ein Pferdefuhrwerk, Radfahrer, Passanten, die ihrer Wege gehen. Und diese eine ältere Dame, mit Mantel, Hut und Handtasche, die stehengeblieben ist und in Richtung Schloss blickt. Was ihr wohl durch den Kopf geht?
"Eigentlich war es verboten"
Am heutigen Mittwochabend werden die rund 60 Fotos im Potsdam Museum bei freiem Eintritt vorgestellt. Auch von Klitzing ist mit dabei. Mit dem Bonner Potsdam-Club e.V. ist er anlässlich des 30. Geburtstages der Ost-West-Städtepartnerschaft gerade zu Besuch in der Landeshauptstadt.
Von Klitzing war damals, 1960, mit einem Auftrag in Potsdam. Ende 1959 hatte man unter den Architekturstudenten in Dresden nach Freiwilligen gesucht, erzählt er: „Wir sollten die Ruine des Stadtschlosses in Teilen dokumentieren, mit Bandmaß und Zollstock ausmessen und zeichnen.“ Mit fünf Kommilitonen sei er schließlich für eine Woche nach Potsdam gereist, es war sein erster Besuch in der Havelstadt.
Von Klitzing erfüllte nicht nur seine Pflicht, maß und zeichnete. Er fotografierte am Alten Markt auch. „Eigentlich war es verboten“, sagt er. Er habe es trotzdem riskiert. Nur einmal sei er tatsächlich vom Aufsichtspersonal gesehen und ermahnt worden. Das war, als das Fortunaportal gesprengt wurde. „Ich habe trotzdem weitergemacht, aber mehr aufgepasst“, erzählt er. Er habe damals den Eindruck gehabt, dass es dem Mann, der ihn auf seine Kamera angesprochen hatte, einem Denkmalpfleger, im Grunde sogar recht war, dass er die Vorgänge dokumentierte.
„Ich habe sie immer als Zeitdokumente betrachtet“
Die Fotos sollten dem jungen Architekten wenig später noch richtig Sorgen bereiten: als seine Fluchtpläne aufgeflogen waren und er in Ost-Berlin festgenommen wurde. Dass die Staatssicherheit bei der Durchsuchung seiner Wohnung die Diapositivfilme finden und als vermeintliches Material für Anti-DDR-Propaganda gegen ihn verwenden würde, sei seine Hauptangst gewesen, berichtet von Klitzing. Die Aufnahmen blieben aber unentdeckt. Von Klitzing kam zwischen 1962 und 1964 trotzdem für eineinhalb Jahre ins Gefängnis. Auch die Beziehungen in den Westen, wo er Verwandtschaft hatte, nutzten ihm nichts. Zwar landete er bald auf der Liste von freizukaufenden Häftlingen, seine Strafe musste er trotzdem absitzen. Erst fünf Jahre später, damals arbeitete er im Baukombinat Dresden, sei er schließlich freigekauft worden und habe die DDR verlassen können.
Die Fotos aus Potsdam hat er mitgenommen in den Westen. „Die haben viele Umzüge mitgemacht“, sagt von Klitzing: „Ich habe sie immer als Zeitdokumente betrachtet.“
Am heutigen Mittwoch ab 18 Uhr werden die Fotos im Saal des Potsdam Museums am Alten Markt vorgestellt. Dabei berichtet Fotograf Friedrich von Klitzing von seinen Erinnerungen, Joachim Kuke spricht über die Geschichte des Fortunaportals, Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) über die Pläne für die Mitte. Bereits um 16.30 Uhr hält Architekt Christian Wendland einen Vortrag über Potsdam vor der Errichtung des Fortunaportals, gefolgt von Musik der städtischen Musikschule. Der Eintritt zu beiden Veranstaltungen ist frei.