Ausstellung im Potsdam Museum: Fotoserie: Traum und Trümmer
Max Baur im Potsdam Museum: Der Fotograf hat die schönsten und schlimmsten Seiten der Stadt festgehalten.
Potsdam - Max Baur lebt in Wernigerode, führt ein Fotoatelier und einen Ansichtskartenverlag, als er einen Film über Potsdam sieht. Der Mann aus der mittelalterlichen, verhutzelten Stadt im Harz ist begeistert von den Stadtansichten und muss das mit eigenen Augen sehen. Nach einem PotsdamBesuch schildert er in einem Brief akkurat das Panorama, das sich ihm vom Lustgarten aus bietet. Allein das habe ihn bewegt, „meine Werkstatt hierher zu verlegen“.
Vielleicht beschreibt es das recht genau, was Max Baur (1898 – 1988) ausmacht. Er war ein Mann, der ganz offensichtlich für seinen Beruf brannte. Ein Besessener, sagt seine Enkelin Antonia Gottwald. Aber er war auch ein Geschäftsmann. Werkstatt, das klingt nach Arbeit, nach ernsthafter Arbeit. Und Potsdam schien der beste Ort dafür zu sein. Hier lebt und arbeitet der Fotograf mit kurzer Unterbrechung von 1934 bis 1953. Die Stadt wird sein Arbeitsplatz. Zahlreiche Bildwerke entstehen hier, hauptsächlich vor der Zerstörung im April 1945, und werden durch den Krieg und die DDR-Nachkriegszeit gerettet. Welch ein Glücksfall.
300 Bilder werden in der Ausstellung gezeigt
Jetzt zeigt das Potsdam Museum erstmals eine umfassende Ausstellung aus dem Werk des Fotografen, der sich wie kein anderer als Künstler und Dokumentar von Potsdam verstand. Der Termin fällt mit dem Stadtjubiläum 1025 Jahre Potsdam und dem 120. Geburtsjahr von Max Baur zusammen. Die Ausstellung, die am Freitag, dem 13. April, eröffnet wird, umfasst etwa 300 Bilder, vom kleinen 6 x 6 Foto bis zur großformatigen Kopie, dazu kommen mehrere Medienstationen. Etwa die Hälfte der Exponate stammt aus dem umfangreichen Museumsbestand von etwa 1000 Bildobjekten. Dazu kommen Leihgaben aus dem Bundesarchiv Koblenz, aus der Berlinischen Galerie sowie dem Lichtbildarchiv seiner Familie, das jetzt von Antonia Gottwald geleitet wird.
Die beiden Kuratorinnen Judith Granzow und Anja Tack haben den Schwerpunkt auf Bilder aus Potsdam gelegt und dennoch auch den großen Bogen zum Lebenswerk Baurs gezogen. Baur nahm Aufträge für Werbefotografie an, er machte Porträts, er fotografierte in der Natur und seine eigenen Kinder. Er war Unternehmer und hatte ein feines Gespür, was sich gut verkaufen ließ: Postkarten, Glückwunschkarten, Kalender und kleine Büchlein.
Ein menschenleeres Potsdam
Sein großes Talent zeigt sich in der Art, in der er die Stadt abbildete. In der quirligen, belebten Stadt, in der in den 30er Jahren auch viele unfeine Dinge, brutale Dinge passierten, so Tack, fand er genau die Sichten und Fluchten, die ihre Architektur ausmachten. Menschenleer bildet er sie ab – Schönheit aus Sandstein, Licht und Luft, mal Wasser, mal ein Schilfhalm dazu, mal eine Wolke. Baur dokumentiert im Auftrag der Stadt und arbeitet für Architekten wie Otto von Estorff, der in den 30er Jahren die Landhäuser der Schwanenallee baut. Er fotografiert im Schlosspark Sanssouci, verwunschene, atmosphärische Szenen, die die märchenhafte Seite der Stadt zeigen.
1937 erscheint sein erster großer Bildband „Potsdam“. Von dem ist auch der Reichskanzler fasziniert, Hitler schenkt Mussolini ein Exemplar der besonders prächtigen, ledergebundenen Sonderausgabe. Auch dieses Buch ist in der Ausstellung zu sehen. Ebenso ein Band über die neue Reichskanzlei in Berlin. Die Stadt Potsdam benutzt 1934 Baurs Bilder für einen Flyer, auf dem sie sich als „Geburtsstätte des Dritten Reichs“ präsentiert. Warum Baur auch solche Aufträge annahm, obwohl er das politische System im privaten Umfeld ganz klar kritisierte und zur Familie viele jüdische Freunde und Unternehmer gehörten, darüber gebe es von ihm kaum Aussagen, sagte seine Enkelin. „Es war für ihn vor allem eine künstlerische Herausforderung“, so Gottwald.
„Schwindeln kann die Kamera nicht.“
Das Potsdam, jenes „Paradies für meine Kamera“, wie er es nannte und das er bis 1945 fotografiert, gibt es nicht mehr. Die Bilder aus jener verlorenen Welt zeigen eine aufgeräumte barocke Altstadt, den Blücherplatz und den Alten Markt, den Stadtkanal, die Fischerstraße, die Glienicker Brücke und das Kino „Bergtheater“ irgendwo am Leipziger Dreieck, ein Bau von Heinrich Laurenz Dietz, der in der Bombennacht abbrannte. „Wir mussten bei manchen Bildern etwas grübeln, wo die Aufnahme entstand“, sagt Granzow. Um es dem Ausstellungsbesucher leichter zu machen, wurden die Orte auf einem historischen Stadtplan von 1936 eingetragen.
Nach dem Krieg steht Baur oft an denselben Orten – und fotografiert Trümmer. „Es muss ihm richtig weh getan haben“, vermutet Tack. „Schwindeln kann die Kamera nicht“, schreibt Baur. Man sieht: Das Schloss in Trümmern, darüber bedrohliche Wolkenberge. 1953 verlässt er fluchtartig mit seiner Frau und den drei Kindern die DDR. Zuvor hatte seine Frau paketweise das Archiv und Werkstatt in den Westen geschickt. Ein riskantes Unterfangen. „Es hätte auch verloren gehen können“, sagt Gottwald. Im Bayrischen Aschau baut er das Studio neu auf, beginnt von vorn, fotografiert Landschaften, Stadtansichten, und das Lieblingspostkartenmotiv seiner Kunden wird sogar handkoloriert.
Was ihn stört, wird wegretuschiert
Alle anderen Bilder sind durchweg schwarz-weiß. Und es ist verblüffend, wie vielschichtig sie wirken. Ob am kleinen Schneeglöckchen oder einem barocken Treppenhaus, einem Bergblick im Harz oder einer Straßenflucht in Potsdam: Baur wartet stets den magischen Moment ab, wenn das Licht so steht, dass es dreidimensionale Effekte bewirkt, dass es eine aufregende oder sinnliche Atmosphäre schafft. Was ihn stört, wird auch mal wegretuschiert, Passanten, Vögel, Einschusslöcher.
Gelernt hatte er das nie. Baur lernte Buchhändler, daher sein Talent zur Vermarktung. Das Fotografieren brachte er sich selber bei. Er soll für Landschaftsaufnahmen durch den Harz gewandert und überrascht gewesen sein, wie einfach es doch ging, ein ansprechendes, verkaufbares Bild zu machen. Viele, vor allem frühe Aufnahmen habe er wohl auch deshalb nicht datiert, weil sie ihm selbstverständlich schienen – und zeitlos, für die Ewigkeit.
Zauber der Bilder
Und dann gibt es noch Max Baur, den Familienmenschen. Der vor allem seinen kleinen Sohn Manfred fotografiert und damit sogar ein Büchlein „Mandi. Ein Kinderleben in Bildern“ illustriert: zum Beispiel „Mandi“ mit fünf Jahren beim Einkaufen im Tante-Emma-Laden und auf dem Heimweg durchs Nauener Tor. Familie Baur wohnte damals in der Hegelallee 1, später in der Eisenhartstraße. Liebevolle Aufnahmen, die den bürgerlichen Alltag einer Potsdamer Familie illustrieren.
Bis in die 70er Jahre arbeitet Baur in Aschau. Nach seinem Tod 1988 gelangt der Nachlass ins Bundesarchiv. Viele Bilder werden jetzt erstmals in Potsdam gezeigt. „Ich freue mich sehr, dass er jetzt so gewürdigt wird“, sagt Gottwald. Ein Rahmenprogramm zur Ausstellung erzählt die facettenreiche Geschichte des Fotografen, der von Potsdam verzaubert war – und dem es gelang, diesen Zauber in seinen Bildern einzufangen.
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PROGRAMM: Vorträge, Filme und Museumskoffer
Im Potsdam Museum
Freitag, 13. April: 18 Uhr: Lesung „Sommerwolkentraum“. Lyrik, Texte und Briefe von Hermann Hesse und Max Baur
Donnerstag, 19. April: 18 Uhr: Kuratorenführung mit Anja Tack
Mittwoch, 9. Mai: 12.30 Uhr: Lunchpaket im Bildungsforum „Max Baur, der Fotograf der Potsdam-Sehnsucht“
Freitag 11. Mai: 18 Uhr: Soiree: Das Aron Quartett aus Wien spielt Werke von Mozart, Iranyi und Mendelssohn-Bartholdy, dazu Lesung von Klaus Büstrin
Sonntag, 13. Mai: 14 bis 17 Uhr: 6. Atlasfest, Begutachtung privater historischer Fotografien
Sonntag, 27. Mai: 14.30 Uhr: Stadtführung durch die Siedlung am Schillerplatz
Donnerstag, 7. Juni: 18 Uhr: Vortrag „Kunststadt und Kaserne. Die NS-Architektur Potsdams in der Fotografie von Max Baur“ von Thomas Sander
Mittwoch, 13. Juni: 14 Uhr: Generation 60+. Silver Salon. Kuratorenführung
Sonntag, 24. Juni: 14 Uhr: öffentliche (kostenlose) Führung
Mittwoch 11. Juli: 14 Uhr: Generation 60+. Silver Salon: Der Blick der Potsdamer Fotografin Monika Schulz-Figuth auf das Werk von Max Baur
Sonntag, 22. Juli: 14 Uhr: öffentliche (kostenlose) Führung
Donnerstag, 9. August: 18 Uhr: Bildervortrag „Die Stadt Potsdam der 1930er Jahre in Fotografien von Max Baur“, historische Bilderwanderung mit Stadthistoriker Klaus Arlt
Donnerstag, 23. August: 18 Uhr: Kuratorenführung
Im Filmmuseum
Sonntag, 29. April: 17 Uhr: „Drehort Potsdam: Historische Innenstadt“. Kurzfilmprogramm 1910-1934 mit Livemusik an der Welte-Kinoorgel
Sonntag, 24. Juni: 17 Uhr: „Junge Herzen“, Film von 1944, Regie Boleslaw Barlog, mit Lisca Malbran, Harald Holberg, Ingrid Lutz
Sonntag, 12. August: 17 Uhr: „Drehort Potsdam: Schlösser und Parks“, Kurzfilmprogramm 1920-1940 mit Livemusik an der Welte-Kinoorgel
Der Förderverein des Museums finanzierte aus Spenden Begleitmaterial für Kinder und Jugendliche, einen „Museumskoffer“ und eine App. Die Ausstellung im Potsdam Museum am Alten Markt ist vom 13. April bis zum 26. August zu sehen, geöffnet ist Dienstag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 17 Uhr, Donnerstag von 10 bis 19 Uhr, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 5 Euro, bis 18 Jahre frei.