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Zur Person: Max Hennig (23) ist Mitglied im Fanbeirat des Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg 03. Der Student kandidiert am Freitag auch wieder bei der Wahl des neuen SVB-Fanbeirats.
© privat

Fußballfans: „Verbote funktionieren nicht“

Die Vorfälle beim Spiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC haben die Debatte um Fußballfans wortwörtlich weiter befeuert. Im Interview spricht Max Hennig vom Fanbeirat des SV Babelsberg 03 über den Umgang mit Pyrotechnik, Lösungsvorschläge und das Problem der Sportgerichtsbarkeit.

Herr Hennig, haben Sie am Montag das DFB-Pokalspiel zwischen Hansa Rostock und Hertha BSC gesehen?

Nein, aber ich habe mir im Nachgang Videos angeguckt.

Und wie schätzen Sie ein, was Sie da auf den Tribünen gesehen haben?

Es wurde ja schon im Vorfeld gemunkelt, dass Hansa-Fans das geklaute „Ostkurve“-Banner der Hertha-Fans irgendwie präsentieren werden. So kam es. Es gab beiderseitig Provokation, die in Ausschreitungen gipfelten, die in keinster Weise zu tolerieren sind.

Nun klingt das für einen Außenstehenden nach Kindergartenverhalten: Die waren zu uns böse, also rächen wir uns an denen. Um es besser nachvollziehen zu können: Welche Bedeutung hat so ein Banner?

Es ist ein großer Identifikationsfaktor für die Fanszene des Clubs. Das Banner hängt im heimischen Stadion, geht mit auf Auswärtsfahrten und wird dort aufgehängt. Es ist etwas Markantes, Unverwechselbares, gerade wenn es – wie in diesem Fall – so ein großes Banner war. Diese Banner haben für Fangruppen zwar eine enorme Wertigkeit und der ungeschriebene Ultra-Kodex besagt, dass sich die Gruppe auflösen muss, wenn sie ihr Banner verliert, jedoch fehlt mir das Verständnis für diesen extrem ausgeprägten Hype darum.

Dann fehlt Ihnen auch das Verständnis für die Auswüchse des Pyrotechnik-Einsatzes?

Die Vorfälle haben mich natürlich schockiert, aber ich finde, man muss hier klar differenzieren. Das war kein Pyrotechnik-Einsatz in dem Sinne, wie er eigentlich debattiert wird. In dem Moment, wenn jemand einen Gegenstand – ob nun ein Stein, eine Flasche oder eben eine Fackel – in eine Menschenmenge schmeißt, dann ist das Körperverletzung, ein gewaltsamer Angriff auf Menschen. Worum es den vielen Befürwortern der Pyrotechnik in Stadien geht, ist die Legalisierung des sicheren Verwendens dieser Mittel.

Aktueller Stand ist jedoch, dass Pyrotechnik in deutschen Stadien verboten ist. Welches Stimmungsbild können Sie aus der Fanszene des SV Babelsberg 03 zu dieser Thematik wiedergeben?

Wie in vielen anderen deutschen Fußballfangruppen spricht sich auch in unserer Kurve eine Mehrheit für die Legalisierung aus, weil Pyro ein schönes Stilmittel sein kann – zum Beispiel für Choreografien. Es gehört zu einer lebendigen Fußballfankultur dazu. Und man sieht, dass ein Verbot nicht funktioniert, denn trotz größter Sicherheitsvorkehrungen werden Mittel und Wege gefunden, um das Zeug in die Stadien zu bekommen. Daher sollte nicht mit Repression agiert, sondern darüber nachgedacht werden, wie man das in kontrolliertem Rahmen durchführen kann. Dahingehend ist mehr Einlenken der Verbände, Polizei und Politik gefragt.

Welche Vorschläge zur Umsetzung können Sie machen?

Es gibt spannende Modelle aus Österreich oder Schweden. Dort kommunizieren Ansprechpartner und Verantwortliche aus der Fanszene mit den Behörden und erarbeiten gemeinsam ein detailliertes Konzept zum sicheren Abbrennen von Pyrotechnik. Wichtig ist hierbei die Reglementierung des Gegenstandes. Momentan werden oft irgendwelche Dinge auf dem Schwarzmarkt wie in Polen gekauft, die wirklich gefährlich sind. Das darf es nicht geben. Es braucht die Erlaubnis für das Abbrennen von zertifizierten Artikeln. Es gibt da schon gute Sachen wie spezielle Pyro-Fackeln für den Stadiongebrauch, die bei 180 Grad Celsius brennen – viel weniger als bisher üblich. Auch bezüglich der Rahmenbedingungen würde sich eine Legalisierung bemerkbar machen. Wenn jetzt Dinge gezündet werden, dann werden oft Fahnen über die Masse gezogen, womit sich die Leute vor der Strafverfolgung schützen. Es besteht dabei durchaus ein Gesundheitsrisiko. Aber sind eben Voraussetzungen für eine offene, geregelte Verwendung geschaffen, wird es sicher.

Glauben Sie, dass sich Fans dann auch konsequent an die Regeln halten würden?

Natürlich kann man das nicht garantieren. Aber so ein Zugehen auf die Fans würde die gesamte Situation zwischen ihnen und den Verbänden verbessern. Dann wäre auch Akzeptanz vonseiten der Fans für Strafen nach Verstößen da. Die gibt es aktuell nicht, weil da reine Willkür herrscht. Sportgerichtsbarkeit hat für mich auch herzlich wenig mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Das ist wie im Wilden Westen und stachelt die Fans erst recht an, einen draufzumachen. Es geht so weit, dass sich rivalisierende Fangruppen sogar solidarisieren, um ihren Protest gegen die Verbände und ihre Obrigkeiten auszudrücken.

Sie haben die Strafen angesprochen. Allein vergangene Saison mussten die Vereine der drei deutschen Profiligen fast zwei Millionen Euro für Vergehen ihrer Anhänger bezahlen. Zeigen diese Sanktionen überhaupt Wirkung?

Für die Fans in der ersten und zweiten Liga ist das egal. Da wird mittlerweile so viel Geld umgesetzt, dass es die Clubs und ihre Fans nicht wirklich trifft. Muss Borussia Dortmund 80.000 Euro oder so als Strafe zahlen – mein Gott, das ist doch nichts, denn die können 100 Millionen für den Spieler Dembele kriegen. Kritisch wird es eher in den unteren Ligen, wenn Tausende Euro veranschlagt werden für Vereine, bei denen es ganz hart um das Überleben geht.

So wie in der Regionalliga Nordost beim SV Babelsberg 03. Von daher stellt sich aber die Frage: Warum riskieren die SVB-Fans mit dem Einsatz von Pyrotechnik derartige Strafen? Zum Wohle des Clubs müsste doch darauf verzichtet werden?

Bei uns ist innerhalb der Fanszene ein gewisses Verständnis dafür entstanden ist, wann man besser nichts machen sollte. Der Pyro-Einsatz ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen, längst wird nicht mehr so viel gezündet wie etwa in den Jahren 2010 bis 2013. Deshalb empfinden wir das Urteil des NOFV (Nordostdeutscher Fußballverband, Anm. d. Red.) für das Cottbus-Spiel auch als derart große Ungerechtigkeit.

Da hatte es vor Spielbeginn Pyrotechnik im SVB-Block gegeben.

Aber nichts Riskantes. Es war zur Untermalung einer Choreografie und kein Angriff auf Personen. Dass der Cottbuser Platzsturm, der eine viel höhere Sicherheitsgefährdung war, nun nahezu gleich bestraft wird wie unser Pyrotechnik-Einsatz und das Rufen von „Nazis raus“ in Richtung der Rechtsradikalen im Energie-Block, ist ein Skandal. Wie solche Urteile zustande kommen, ist einfach nicht mehr nachvollziehbar.

ZUR PERSON:
Max Hennig (23) ist Mitglied im Fanbeirat des Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg 03. Der Student kandidiert am Freitag auch wieder bei der Wahl des neuen SVB-Fanbeirats.

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