Neue Details in Potsdamer Stadtwerke-Affäre: Untreueverdacht gegen Stadtwerke-Manager
Neue Details in der Stadtwerke-Affäre: Holger Neumann soll einer Mitarbeiterin über Jahre hinweg zum Schaden der Step und ohne Genehmigungen Vorteile verschafft haben.
Potsdam - Der neue Stadtwerke-Skandal ist gut dokumentiert. Zwei ausführliche Berichte von Wirtschaftsjuristen beurteilen die zivil-, arbeits- und strafrechtliche Relevanz der Vorgänge bei der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung (Step) unter den Geschäftsführern Holger Neumann und Enrico Munder. Sie ziehen ein klares Fazit – Untreueverdacht und Pflichtverletzungen bei Neumann –, legen eine Vielzahl von Details offen und zeigen Verbindungen zu Ex-Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen auf, der vor fast genau fünf Jahren wegen Filzstrukturen sowie der Bespitzelung eines städtischen Geschäftsführers zunächst alle Ämter niederlegte und dann fristlos gekündigt wurde. Schlussendlich erhielt Paffhausen eine Abfindung von rund 970 000 Euro. Sein Nachfolger wurde Wilfried Böhme, dessen Vertrag als Chef der Stadtwerke-Tochter Energie- und Wasser Potsdam (EWP) erst am Freitag um zwei Jahre verlängert wurde.
Der Fall Petra V.: Zahlungen in sechsstelliger Höhe
Holger Neumann führte von 2009 bis Mai 2015 die Step als kaufmännischer Geschäftsführer. Außerdem ist er EWP-Geschäftsführer – und als solcher seit vergangenen Freitag bei vollen Bezügen bis Vertragsende im Herbst 2017 freigestellt. Zu den Stadtwerken kam Neumann, zu DDR-Zeiten Stabsoffizier beim Grenzregiment in Hennigsdorf, im Jahr 1996. Vier Jahre später begleitete er die Gründung der Stadtwerke Potsdam GmbH, wurde dort Prokurist, 2009 Step-Chef und 2011 EWP-Geschäftsführer – eine Karriere unter Peter Paffhausen, der seit 2000 die Stadtwerke führte.
Die ersten mindestens ungewöhnlichen Vorteile für die Mitarbeiterin Petra V. gehen auf Paffhausen zurück. Laut Bericht der Ignor & Partner GbR war die Frau bis Ende Februar 2003 bei der SWP angestellt. Für den Verlust ihres Arbeitsplatzes erhielt sie per Aufhebungsvertrag eine Abfindung von 100 000 Euro. Schon vor Abschluss dieses Vertrags stand jedoch fest, dass Frau V. bei der SWP-Tochter Step weiterbeschäftigt werden würde, so der Bericht. Dort begann sie mit einer tariflichen Vergütung von 47 269,32 Euro pro Jahr – doch schon im August 2003 wurde sie befördert und ihr Gehalt um 10 000 Euro angehoben. Es folgten jährliche Erhöhungen in einer Größenordnung zwischen 5000 bis 16 000 Euro pro Jahr, bis 2014 summierte sich das Gehalt auf 108 000 Euro. Dazu kamen Prämien und Leistungszulagen zwischen anfangs 3000 und später 20 000 Euro pro Jahr.
Grundgehalt der Mitarbeiterin verdoppelte sich in gut zehn Jahren - ohne erkennbaren Grund
Die Bezüge für Petra V. summierten sich demnach allein für das Geschäftsjahr 2012 auf 152 900 Euro. Wie die Berichterstatter ausführen, hat sich Petra V.s Grundgehalt damit „im Zeitraum von gut 10 Jahren mehr als verdoppelt, ohne dass erkennbar wäre, dass diese Steigerung durch eine Veränderung ihres Aufgaben- und Verantwortungsbereiches bedingt war“. Auch gebe es keine Dokumentation in der Personalakte über nachvollziehbare Gründe für die Prämien und Boni, selbst Petra V.s Qualifikation als kaufmännische Führungskraft wird in Zweifel gezogen. Pikant zudem: Nur Tage, bevor er seine Ämter niederlegte, ließ Paffhausen die Kündigungsfrist für Petra V. auf zwölf Monate erhöhen. Die Step-Chefs Neumann und Munder zeichneten dies mit.
Seit Neumann 2009 den Posten des kaufmännischen Step-Chefs übernommen hatte, bekam Petra V. weiterhin jedes Jahr mehr Geld und Prämien – ohne dass Neumann wie in der Geschäftsordnung vorgeschrieben diese Zahlungen der Gesellschafterversammlung und dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorlegte. Dies sei eine Pflichtverletzung und bei Vorsatz bestehe Verdacht der Untreue zum Schaden der Step, so die Prüfer.
Jedes Jahr mehr Geld und Prämien - ohne Genehmigung des Aufsichtsrates
Neumann gab den Prüfern zu Protokoll, dass die Gesellschafter sich einig gewesen seien, dass „die Regelung unüblich und überhaupt nicht praktikabel“ sei und deshalb nicht angewandt werden müsse. Die Prüfer werfen allerdings die Frage auf, warum die Gesellschafter dann nicht die ohnehin einmal erneuerte Geschäftsordnung verändert haben.
Auch Step-Technikchef Munder unterzeichnete die vielen Gehaltserhöhungen und Prämienzahlungen für Petra V. Er gibt an, dass Neumann ihn vorsätzlich getäuscht habe – so habe er die Unterlagen immer schon von Neumann unterschrieben und mit dem Hinweis, die Gremien hätten zugestimmt, erhalten. Zudem sei Petra V. Neumann unterstellt gewesen; Neumann habe sich auch als Gesellschaftergeschäftsführer bezeichnet. Die Prüfer sehen diese Schilderung als weitgehend plausibel an. Ob Paffhausen seine Stellung als SWP-Chef missbraucht hat, um Petra V. „unangemessene Vorteile“ zu verschaffen, konnten die eingeschalteten Juristen mangels Zeit nicht prüfen. Petra V. ist laut Prüfbericht bis heute bei der Step beschäftigt; der mit ihr vereinbarte Auflösungsvertrag sieht ihre Beschäftigung bis zum 31. Dezember 2016 vor. Sie bekommt zusätzlich eine Abfindung von 169 000 Euro.
Die Mitarbeiterin arbeitete mit Fehlern
Trotz ihrer überdurchschnittlichen Bezahlung war die Arbeit von Petra V. für die Step fehlerbehaftet. So forderte Munder bereits Ende 2014 in einem Schreiben an die Step-Gesellschafter Stadtwerke und Remondis personalrechtliche Schritte gegen Petra V.: Durch den Wegfall der Vertrauensbasis müsse ihre Prokura entzogen werden. „Überrascht“ sei er einzig, dass sein Geschäftsführerkollege, also Neumann, diese Maßnahmen nicht mittragen wollte, so Munder damals. Konkret ging es um das Bauvorhaben „Sanierung der Sanitärräume der Step“, durchgeführt von der seit Jahren regelmäßig für den Stadtwerke-Verbund eingesetzten Gneise Planungs- und Beratungsgesellschaft aus Berlin für insgesamt rund 1,05 Millionen Euro zwischen 2009 und 2013. Zu diesem Projekt legte die Beeh & Happich-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ende 2014 einen Bericht vor – in dem Verstöße gegen Dienstpflichten und wesentliche Mängel bei der organisatorischen Abwicklung und Dokumentation festgestellt wurden. Unter Verweis darauf hält der Prüfbericht der Kanzlei Raue fest, die zweite Verlängerung des Vertrags mit Gneise durch Neumann und Petra V. habe unter anderem gegen Vergaberegeln für öffentliche Auftraggeber verstoßen. Es hätte eine Ausschreibung erfolgen müssen. Später strittige Preisdifferenzen resultierten dabei aus Nachträgen, „für die keine vertraglichen Grundlagen vorgelegt wurden“, heißt es in dem Raue-Bericht. Auch die Behebung eines Versicherungsschadens habe unter denselben Mängeln gelitten – und auch zu einem weiteren Bauvorhaben „Sanierung Kantine“ gebe es noch Fragen zur Kostenentwicklung.
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