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Auf je eine Lage längs und eine Lage quer verlegter Ziegel folgen zwei weitere, die zueinander versetzt im 45-Grad-Winkel gemauert werden.
© Andreas Klaer

Wiederaufbau: Turm der Garnisonkirche in zwei Jahren so hoch wie das Mercure

Beim Wiederaufbau der Garnisonkirche arbeiten die Handwerker mit jahrhundertealten Techniken - und der Turm wächst stetig in die Höhe.

Innenstadt - Eine kurze Prüfung mit der Wasserwaage, dann zwei, drei Schläge mit dem Kellenstiel – und der Ziegel sitzt an seinem Platz. Rund ein Dutzend Maurer sind an diesem Mittwoch auf der Baustelle der Garnisonkirche am Werk. Das Bauwerk, dessen Vorgänger einst als eins der Wahrzeichen Potsdams galt, wächst sichtbar empor: Das Erdgeschoss steht bereits, derzeit wird an der Hülle des ersten Obergeschosses gearbeitet.

Und das in jahrhundertealter Handwerkstechnik. Auf je eine Lage längs und eine Lage quer verlegter Ziegel folgen zwei weitere, die zueinander versetzt im 45-Grad-Winkel gemauert werden. Festungsverband nennt man dieses Verfahren, das – der Name lässt es ahnen – früher vor allem im Festungsanlagen angewendet wurde. Man greift immer dann darauf zurück, wenn es besonders starke Mauern zu errichten gilt – und die Wände der Garnisonkirche sind immerhin bis zu 3,50 Meter dick, um später das enorme Gewicht des knapp 90 Meter hohen Turms tragen zu können.

"Eine ehrenvollen Aufgabe"

Heiko Bärwald blickt zufrieden auf sein Team. Der Stolz über diese anspruchsvolle Arbeit an einem besonderen Projekt ist dem Bauleiter anzumerken. „Das ist schon eine ehrenvolle Aufgabe“, sagt er. „Die Rekonstruktion einer Kirche ist etwas, das man in seinem Berufsleben nicht allzu oft macht.“

Dabei ist Bärwald bereits ein Mann mit Erfahrung. Sein Arbeitsort ist jeweils dort, wo es traditionelles Handwerk zu verrichten gilt. Beim Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche war Bärwald ebenso dabei wie beim dortigen Schloss und beim Humboldt-Forum, dem Berliner Schloss. Gleiches gelte für die Maurer, die aus Berlin und Sachsen stammen. „Das sind alles Fachleute“, sagt Bärwald.

5300 Kubikmeter Mauerwerk gilt es zu errichten, das aus insgesamt fast drei Millionen Ziegelsteinen besteht. Sie kommen aus einer Fabrik in Thüringen, zwei bis drei Lastzüge mit je 20 Paletten rollen pro Woche auf die Baustelle in der Breiten Straße. Rund 310.000 Ziegel seien bislang vermauert worden, sagt Bärwald. Bis zum Jahresende wollen sich die Handwerker noch bis zur Decke des zweiten Obergeschosses empor gearbeitet haben, gut neun Meter über dem Bodenniveau wäre der Bau dann hoch.

In zwei Jahren so hoch wie das Mercure

Im nächsten Jahr dürften die Potsdamer dann auch aus der Ferne etwas sehen: Die Geschosse drei bis fünf wolle man bis Ende 2020 schaffen, erklärt Bärwald. Mit etwa 40 Metern ist der Turmschaft dann nur noch zwanzig Meter niedriger als das 60 Meter hohe Mercure-Hotel. Im Juli 2021 soll dann der Turmschaft bis zur Höhe der Aussichtsplattform in rund 57 Metern fertig sein. Parallel soll im nächsten Jahr auch der Innenausbau beginnen.

Um auf die endgültige Höhe von gut 88 Metern zu kommen, fehlt allerdings noch der Turmhelm nebst der historischen Wetterfahne, die bereits fertig ist und in einem Käfig neben der Baustelle bereits zu besichtigen ist. Garnisonkirchen-Stiftungsvorstand Peter Leinemann hofft, das noch fehlende Geld alsbald gespendet zu bekommen, sodass der Kirchturm nebst Helm und barockem Zierrat bis Mitte 2022 vollendet werden kann.

Steigende Baukosten sind ein Problem

Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Die Deckungslücke sei unter anderem wegen steigender Baukosten inzwischen von zehn auf zwölf Millionen Euro gestiegen, sagt er. Und das, obwohl es zu Jahresbeginn eine neue Großpende gegeben hat. Ein Mäzen, der anonym bleiben möchte, habe 500 000 Euro für den Turmhelm zur Verfügung gestellt, erklärt der Stiftungsvorstand. Er glaubt, dass das Beispiel Schule macht und die Spenden umso reichlicher fließen, je mehr das Bauwerk in die Höhe wächst.

Konturen gut zu erkennen

Bärwald muss sich mit derlei Problemen nicht herumschlagen, für seine Arbeit und die seines Teams reicht das Geld. Gerade sind ein paar Mann dabei, die halbrunden Holzverschalungen mit dem Kran in ihre Position über dem Hauptportal zu dirigieren. Über der Verschalung wird dann auf klassische Weise der Torbogen gemauert – mit Schlussstein in der Mitte.

Vom Baugerüst aus sind die Konturen des Bauwerks bereits gut erkennbar. Das Erdgeschoss mit beiden Seitenflügeln, in denen später unter anderem das Foyer, die Kasse und der Shop untergebracht werden sollen. Und auch der eigentliche Turm in der Mitte mit den beiden halbrunden Aussparungen für die Treppenhäuser und den benachbarten Aufzugsschächten, mit denen die Besucher einst zur Aussichtsplattform hinauf fahren können. Bei einigen Torbögen sind sogar schon die Verkleidungen aus sächsischem Sandstein angebracht. Fünf bis zehn Prozent der Fassade, schätzt Bärwald, bestünden aus Sandstein. So wie der Sockel, den eine Inschrift in fünf Sprachen ziert. Auf Deutsch, Englisch, Französisch, Polnisch und Russisch steht dort eingraviert: „Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“. Schließlich, sagt Leinemann, solle die Garnisonkirche ja ein Versöhnungszentrum werden, ein Haus, das allen offensteht. „Und eines, das die Menschen begeistert.“

Die nächste Führung über die Baustelle der Garnisonkirche findet am Samstag um 11 Uhr statt, ansonsten jeweils mittwochs um 14 Uhr sowie an jedem ersten Samstag im Monat um 11 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich

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