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Die Stadt Potsdam leistet sich drei Touristen-Informationen. Um die am Hauptbahnhof gab es zuletzt immer wieder Streit.
© J. Bergmann (PNN-Archiv)

Tourismus in Potsdam: Touristenstadt mit Defiziten

Fast 100 Maßnahmen sollen Potsdams veraltetes Tourismus-Marketing verbessern, speziell im Online-Bereich gibt es Nachholbedarf. Bei der Finanzierung könnte eine Tourismus-Abgabe anstelle der Bettensteuer eingeführt werden. Ein Überblick über die geplanten Maßnahmen.

Potsdam - Trotz steigender Besucherzahlen und immer mehr Sehenswürdigkeiten ist das touristische Marketing der Stadt rückständig, speziell im Online-Bereich. Zudem ist das System unterfinanziert – obwohl sich die Stadt zugleich den Luxus leistet, drei Tourist-Informationen zu betreiben. Helfen könnte die Einführung einer Tourismus-Abgabe anstelle der Bettensteuer. Das sind zentrale Feststellungen des neuen, immerhin 235 Seiten starken Tourismus-Konzepts der Stadt, das der zuständige Wirtschafts-Fachbereichsleiter Dieter Jetschmanegg am Freitag vor Journalisten präsentierte. Um die Probleme zu lösen, hat die Stadt nun 96 Einzelmaßnahmen in 17 Handlungsfeldern identifiziert, die man gemeinsam mit der Tourismusbranche und mit Hilfe von Arbeitsgruppen schrittweise lösen will. Die PNN geben einen Überblick.

BESSERER WASSER-TOURISMUS

Auch die Potsdamer können von dem Plan profitieren – in ihrer Freizeit. So soll der Wassertourismus attraktiver werden, etwa durch die Bereitstellung weiterer Ufer- und Wasserflächen zur touristischen Nutzung. Ebenso sieht das Konzept bessere Radwege für Besucher vor. Wichtig sei auch, zusammen mit der Bahn das Umfeld der Bahnhöfe Babelsberg, Pirschheide, Park Sanssouci und Charlottenhof instand zu setzen – also die Stellen, an denen Touristen aussteigen. Auch das touristische Leitsystem zu den verschiedenen Sehenswürdigkeiten sei nicht mehr aktuell, das Konzept weist es als nötiges Handlungsfeld aus.

Entwickelt werden müssten bindende Qualitätsstandards für die Tourismus-Anbieter: Bemängelt wird in dem Zusammenhang die rückläufige Beteiligung von Restaurants am Siegel „Potsdamer Gastlichkeit“. Ohnehin werde die Qualität des gastronomischen Angebots in der Stadt als teilweise unzureichend bewertet, vor allem beim Freisitzen am Wasser und Aktivitäten in den Abendstunden gebe es Nachholbedarf. Generell bedürfe es auch der „Steigerung der Professionalität im Umgang mit internationalen Gästen in Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben sowie im Handel durch fremdsprachig geschultes Verkaufs- und Servicepersonal“.

Zur Belebung der besucherarmen Jahreszeiten – speziell der Winter – sollen neue Weihnachtsmärkte etabliert oder bestehende aufgewertet werden. Selbst der Alte Markt sei als Standort im Gespräch, hieß es bei der Pressekonferenz. Zudem will man mehr Tagungen nach Potsdam holen – auch wenn kein Kongresszentrum für mehr als tausend Teilnehmer zur Verfügung steht.

INTERNETMARKETING: MANGELHAFT

Eine zentrale Feststellung der Analyse ist, dass der „Megatrend“ Digitalisierung aktuell nicht ausreichend berücksichtigt wird. Speziell im Ausland sei Potsdam als Städtereiseziel noch zu unbekannt. Die Rede ist auch von „fehlenden strategischen Grundlagen“ im Bereich Marketing, mangelnder Zielgruppenansprache und noch unzureichender Aufgabenwahrnehmung im Bereich Online und Vertrieb. So gibt es für das kurz vor der Eröffnung stehende Kunstmuseum Barberini bisher kein von der Stadt vermarktetes Reise-Arrangement, etwa in Verbindung mit Übernachtungen oder mit Restaurant-Angeboten. „Dazu gibt es aber Gespräche“, sagte Jetschmanegg und verwies auf die Arbeitsgruppen, von denen eine für Kulturtourismus zuständig ist. Auch das Thema Film soll stärker in den Fokus von Besuchern gerückt werden.

Als Maßnahmen, die mit hoher Priorität und kurzfristig angegangen werden sollen, wird etwa die Überarbeitung der aktuellen Internetauftritte der Stadt und des Tourismus gefordert – aber auch die Neu-Entwicklung einer Strategie des Umgangs mit sozialen Netzwerken. Dort wird Potsdam bisher touristisch nicht angepriesen. Auch die Online-Buchbarkeit müsse deutlich verbessert werden, darüber hinaus bedürfe es mehrsprachiger Angebote, heißt es in der Maßnahmenliste. Auf den Internetseiten für Potsdam-Besucher fehlten etwa auch Hinweise auf Qualitätsauszeichnungen von Restaurants, andere Informationen seien zudem nur umständlich zu finden. Generell wird in dem Konzept auch die Zusammenführung der derzeit getrennt agierenden Bereiche Tourismus- und Stadtmarketing angeregt.

Angedacht beim Thema Internet ist demnach auch ein öffentliches W-Lan im Bereich der Tourist-Informationen sowie an touristisch relevanten Orten – auch davon könnten Potsdamer profitieren. Ob eine der drei personalintensiven Tourismus-Informationen geschlossen werden muss – laut Konzept gibt es in vergleichbaren Städten nur ein oder zwei solche Stationen –, ließ Jetschmanegg offen. Die Bedeutung solcher Büros nehme angesichts der Digitalisierung ab, so das Konzept.

FINANZIERUNGSFRAGEN

Das Ziel der Maßnahmen ist klar: Die Zahl der Übernachtungen und Gäste soll jedes Jahr um sieben Prozent gesteigert werden. Vor allem in der Nebensaison sollen mehr Touristen kommen. Doch die Verbesserungen kosten Geld: Erst vor einem Monat hatten die Stadtverordneten eine Anhebung des Marketing-Budgets um 280 000 auf 1,23 Millionen Euro beschlossen. Auch die Tourismuskonzeption hatte mit Hilfe externer Partner rund 124 000 Euro gekostet, wie Jetschmanegg bestätigt. Die Gutachter hätten unter anderem auch empfohlen, die bisherige Bettensteuer für Hoteliers durch eine zweckgebundene Tourismusabgabe zu ersetzen – wie es auch in dem Konzept steht. Doch das beabsichtige man nicht zu tun, erklärte Jetschmanegg. Vielmehr setze er zunächst auf die Arbeitsgruppen. Allerdings kann sich die Branche durchaus eine Abgabe vorstellen – statt der Bettensteuer. „Die Einnahmen einer Bettensteuer, die in den allgemeinen Haushalt eingehen und bei der nur eine Branche belastet wird, sind auf Dauer nicht ausreichend, Potsdam für die Zukunft aufzustellen“, sagte etwa der Landeschef des Hotel- und Gaststättenverbands, Olaf Lücke, den PNN. Daher sei er für die zweckgebundene Tourismusabgabe. Mit der Bettensteuer werden derzeit die Millionenzahlungen der Stadt an die Schlösserstiftung bezahlt – um einen Parkeintritt für Sanssouci zu vermeiden.

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