Leiter des Bürgerhauses: Tim Spotowitz wirbt für den unterschätzten Schlaatz
Tim Spotowitz leitet das Bürgerhaus am Schlaatz. Der Stadtteil leide unter seinem Ruf, sagt er.
Schlaatz - Ein offener Ort. Offen für Schlaatzer, aber auch für Potsdamer aus anderen Stadtteilen. So wünscht sich Tim Spotowitz das Bürgerhaus am Schlaatz und daran möchte er arbeiten. Der 33-Jährige ist seit einem halben Jahr Leiter der Einrichtung am Schilfhof. Aktuell ist das Bürgerhaus, wie so viele Einrichtungen, aufgrund der Coronakrise geschlossen. Doch es ist seine Vision für die Zukunft.
Spotowitz beobachtet ein Quartier, das unter seinem schlechten Ruf leidet. „Das Image als Problemstadtteil führt zu Frustration, die Innenwahrnehmung der Bewohner ändert sich auch durch die Außenwahrnehmung“, beschreibt er. „Das ist schade. Denn es ist ein schöner Stadtteil!“ Er meint das wirklich so. „Gerade jetzt, wenn der Frühling kommt.“ Es ist ihm auch wichtig zu betonen, dass der Schlaatz „kein unsicheres Terrain ist oder hier nur verwahrloste Menschen leben“.
Das heißt nicht, dass alles rosig ist. „Wir haben es viel mit individuellen Notlagen zu tun, die häufig mit Geld zu tun haben“, so Spotowitz. Immer wieder haben Studien gezeigt, dass die soziale Spaltung in Potsdam auch im bundesweiten Vergleich recht hoch ist. „Auf der Brandenburger Straße würden viele die Frage, ob Potsdam ein Armutsproblem hat, wahrscheinlich verneinen“, glaubt er. Der Grund dafür sei die starke sozialräumliche Konzentration.
Spotowitz lobt Netzwerk für gute Arbeit
Zugleich sei das Netzwerk freier Träger am Schlaatz sehr dicht und arbeite gut zusammen, sagt Spotowitz. Er hat vorher in Drewitz gearbeitet, leitete das Begegnungszentrum Oskar. Dort, so analysiert er die Lage, sei kurze Zeit nach dem Bau des Quartiers die Wende gekommen – soziale Strukturen hätten zuvor wenig Zeit gehabt, sich zu entwickeln. Anders als am Schlaatz. „Hier lebt auch heute noch eine gewachsene Bewohnerschaft, die sich noch aus Zeiten kennt, als es ein Privileg war, am Schlaatz zu wohnen“, so Spotowitz. Dadurch sei auch Stolz erwachsen.
Natürlich gebe es auch Spannungen, etwa zwischen alteingesessenen Schlaatzern und Geflüchteten. Bei den vergangenen Wahlen schnitt die AfD im Stadtteil stets gut ab. Doch Spotowitz sieht nicht grundsätzlich ein Problem mit Rechtsradikalismus im Kiez. „Das Gedankengut ist in einigen Fällen eine Folge der Lebensumstände.“ Es ergebe sich auch dadurch, dass sehr viele unterschiedliche Menschen auf engem Raum leben. „Ein Geflüchteter ist eben eine gute Projektionsfläche, wenn ich selbst meine Miete nicht bezahlen kann“, sagt er.
Großes Bedürfnis nach Treffpunkten
Neben finanziellen Fragen, die auch mit Wohn- und Arbeitsthemen zusammenhängen, sind soziale Bindungen ein großes Thema. „Es fehlt an Orten der Gemeinschaft“, sagt Spotowitz. Ein Café als Treffpunkt. „Gemeinsam mit anderen Einrichtungen versuchen wir, das zu kompensieren.“ Etwa durch das Stadtteilfrühstück und andere Angebote, bei denen die Schlaatzer zusammenkommen.
Das Bedürfnis nach solchen Treffpunkten sei auch deshalb so groß, weil es im gesamten Stadtgebiet immer weniger Orte gibt, an denen sich die Menschen einfach aufhalten können. „Die Freiräume werden kleiner und weniger“, findet Andrea Schneider, die sich im Bürgerhaus um Nachbarschaftsarbeit und das Kulturprogramm kümmert. „Manche sagen uns: Wir gehen nicht mehr zur Freundschaftsinsel, weil wir dort vertrieben werden“, sagt sie. Das Bürgerhaus soll Raum bieten, für Vereine, um günstig Geburtstag zu feiern oder damit Jugendliche zu K-Pop, koreanischer Popmusik, tanzen können.
Kurse möglichst kostenlos
Zusammen mit seinen vier Kollegen macht sich Spotowitz Gedanken zur Funktion seiner Institution. Was muss ein solches Haus heute können? „Wir haben es, dem gesellschaftlichen Trend entsprechend, zunehmend mit Menschen zu tun, die sich nicht fest binden wollen“, sagt Spotowitz. Zwar würden auch die Kurse, die mit verschiedenen Partnern angeboten werden – Tanzen, Töpfern, Herzsport – gut angenommen. Aber es steige der Bedarf an niederschwelligen Angeboten. Also möglichst kostenlos, ohne Anmeldung, zum Vorbeikommen.
Ein neues Projekt: „Wir planen eine mobile Küche“, sagt Spotowitz. Ein Wagen mit Kochgelegenheit und Geschirr, der derzeit in der Holzwerkstatt des Projekthauses Erlenhof 32 gezimmert wird. Er soll bei Festen zum Einsatz kommen, aber auch mal in einen Innenhof gefahren werden können, damit die Nachbarn gemeinsam kochen können. „Essen ist eine wunderbare Gelegenheit, sich auch über kulturelle Unterschiede auszutauschen“, erläutert der Leiter des Bürgerhauses.
Das Interesse der Bürger wächst
Eine besondere Aufgabe, und auch seinen persönlichen Antrieb in seinem Beruf, sieht Spotowitz in der Begleitung des Projekts Schlaatz 2030. Wie berichtet sollen in den kommenden 15 Jahren 24,5 Millionen Euro in den Stadtteil investiert werden, in Wohnungssanierungen und weitere Umgestaltungen. Besonders wichtig sei es Spotowitz dabei, die Menschen mitzunehmen. Hier sieht er seine und die Aufgabe des Bürgerhauses.
„Bislang kommt noch nicht so viel bei den Bewohnern an, aber das Interesse wächst“, sagt Spotowitz. Doch gerade die Sanierung der eigenen Wohnung, und damit der Eingriff in die Lebenswelt, bereite manchen Sorge. „Ich finde es spannend, diesen Prozess zu begleiten“, sagt Spotowitz. Die große Frage für ihn ist: „Wie können wir die Stadtentwicklung so gestalten, dass das Quartier lebenswerter wird?“
+++ In der Coronazeit +++
Ein Haus der Begegnung ohne Begegnung: keine einfache Aufgabe. Das Bürgerhaus am Schlaatz hat während der Schließzeit – also bis mindestens 19. April – ein telefonisches und digitales Angebot geschaffen. Montag bis Freitag ist das Team zwischen 9 und 13 Uhr unter Tel.: (0331) 817190 erreichbar. „Fällt euch die Decke auf den Kopf?“, heißt es auf der Homepage des Bürgerhauses.
„Macht ihr euch Sorgen, wie es für euch und eure Familien weitergeht, welche finanziellen Hilfen es gibt und wie ihr die beantragt?“ Die telefonische Beratung soll Hilfestellung geben. Zusätzlich stellen Tim Spotowitz und seine Mitarbeiter täglich einen „digitalen Nachbarschafts-Spaziergang“ in das soziale Netzwerk Facebook. Das sind ausgewählte Links zu digitalen Angeboten, die durch die kontaktarme Zeit helfen sollen. Zu einer Geschichte vom erzählWerk Potsdam etwa, oder einem Video aus dem Führerstand der Potsdamer Straßenbahn im Jahr 1990.
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