zum Hauptinhalt
Zuschussgeschäft. 31,9 Millionen Fahrgäste zählte Potsdams Verkehrsbetrieb im vergangenen Jahr – ein Rekordwert. Doch die Einnahmen aus den Tickets reichen bei Weitem nicht aus, um die Kosten zu decken. Nun sollen die Fahrpreise kräftig steigen.
© Andreas Klaer

Nahverkehr in Potsdam wird teurer: Teurere Tickets wegen ViP-Defizit

Das Defizit beim Vekehrsbetrieb soll nicht weiter wachsen: Potsdam und der ViP verteidigen die umstrittene Erhöhung der Fahrpreise.

Potsdam - Für die überdurchschnittlich starke Fahrpreiserhöhung des Potsdamer Verkehrsbetriebs sind die Förderpolitik des Landes und die Entscheidungen der Stadt verantwortlich. Die Ausweitung des Angebots, höhere Standards, neue Strecken und Fahrzeuge führen zu steigenden Kosten. Doch weder durch Fördermittel von Bund oder Land noch aus dem Stadthaushalt wird das in ausreichendem Umfang gegenfinanziert. Die Zeche zahlen nun die Nutzer.

Die in der vergangenen Woche vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) abgesegnete Preiserhöhung von durchschnittlich vier Prozent in Potsdam zum 1. Januar 2017 war auf deutliche Kritik gestoßen – auch deshalb, weil sie fast achtmal so hoch ist wie im Durchschnitt des VBB. Mehr als zehn Prozent wird der Einzelfahrschein zum Jahreswechsel teurer. Stadtpolitiker hatten gegenüber den PNN die Tariferhöhung kritisiert: Grüne und Linke und die Fraktion Die Andere sprachen von einem Fehler. „Sollten die Fahrgastzahlen infolge der geänderten Tarife sinken, wäre die Entscheidung zu diskutieren“, sagte SPD-Fraktionschef Pete Heuer. Die CDU beklagte, dass die Fraktionen nicht frühzeitig informiert wurden.

VBB rechtfertigt Preiserhöhung mit Ausbau des Tramnetzes

Gerechtfertigt hatte der VBB die Preiserhöhung in Potsdam auch mit den anstehenden Investitionen in den Ausbau des Tramnetzes und die Modernisierung der Fahrzeugflotte. Doch von Tariferhöhungen war beim Beschluss des Infrastrukturpakets durch die Stadtverordneten im Juni 2015 nicht die Rede gewesen. Der Verkehrsbetrieb (ViP) relativierte am Donnerstag diese Darstellung und verteidigte gleichzeitig die Fahrpreiserhöhung. Die Investitionen seien nicht der Hauptgrund für die höheren Fahrpreise, so die Geschäftsführer Martin Grießner und Oliver Glaser. Die Sache sei komplexer.

In den nächsten Jahren sollen 50 Millionen Euro in die Infrastruktur des Verkehrsbetriebs investiert werden. Damit soll laut Beschluss der Stadtverordneten die Tramstrecke von der Viereckremise zum Plattner-Campus am Jungfernsee verlängert werden, die Gleise am Leipziger Dreieck verlegt und in der Heinrich-Mann-Allee saniert, zwölf Tatra-Tram-Waggons modernisiert und acht Combino-Straßenbahnen verlängert werden.

Bezahlt wird das aus der Infrastruktur-Förderung des Landes und einer einmaligen Finanzspritze von 13,6 Millionen Euro aus der Stadtkasse. Doch das reicht nicht: Zusätzlich muss der ViP noch 23,4 Millionen Euro als Kredit aufnehmen. Um den Kredit zu bedienen, erhöht die Stadt ihren Zuschuss. Beginnend mit 165 000 Euro im vergangenen Jahr wächst er bis auf 2,7 Millionen Euro im Jahr 2019. Damit sollen laut dem Beschluss der Kapitaldienst geleistet und höhere Betriebskosten ausgeglichen werden. Dabei bleibt es laut Grießner und Glaser auch. Erst mal.

ViP-Geschäftsführer: Die Preiserhöhung sei vertretbar

Doch andere Kosten wachsen auch: So wurden neue Busse angeschafft, der Dieselpreis sei gestiegen und die gefahrenen Kilometer haben in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent zugelegt. Die Preiserhöhung sei deshalb vertretbar. „Wir stehen dahinter“, sagten Grießner und Glaser. Zumal die Preise in Potsdam bisher angesichts des Angebots relativ niedrig seien – verglichen mit ähnlich großen Städten wie Erfurt oder Wiesbaden. Das habe ein Gutachten ergeben, so Grießner. Gleichzeitig gebe es eine Erlöslücke. „Wir haben kein Ausgabenproblem, sondern ein Einnahmeproblem“, sagte Glaser. Auch aus dem Rathaus wird die Fahrpreiserhöhung verteidigt: Sie sei notwendig, damit das jährliche Defizit nicht noch größer wird, so Stadtsprecher Jan Brunzlow. Die Ticketpreise seien Sache des Unternehmens, die Stadtverwaltung sei jedoch über die Pläne informiert gewesen, hieß es auf Anfrage.

Tatsächlich decken die Ticketerlöse die Kosten bei Weitem nicht. Das ist auch keine Potsdamer Spezialität – öffentlicher Nahverkehr ist immer ein Zuschussgeschäft. Etwa 15 Millionen Euro fließen dem ViP aus Ticketerlösen zu. Der Rest des Etats wird durch Regionalisierungsmittel des Bundes, Investitionsfördermittel des Landes, Gewinne aus dem Stadtwerke-Verbund sowie den Betriebskostenzuschuss aus der Stadtkasse bestritten. Über die Höhe dieser Mittel wird politisch entschieden: Die Bundesmittel blieben zuletzt unverändert. Vom Land bekommt Potsdam seit einer Änderung der Fördersystematik 2013 jährlich 1,9 Millionen Euro – fast eine Million weniger als im Durchschnitt der Vorjahre. Und auch Stadtwerke und Stadt reduzierten nach Angaben des ViP ihren Finanzierungsanteil zwischen 2013 und 2015.

Verkehrsbetrieb rechnet mit 600.000 Euro mehr Einnahmen

Ebenso wenig kann sich der Verkehrsbetrieb seine Aufgaben aussuchen. „Die Standards werden immer höher“, so Glaser. Emissionsärmere Busse, Niederflurbahnen oder barrierefreie Haltestellen sind politisch gewollt. Doch würden dadurch auch zusätzliche Kosten verursacht. Außerdem müsse der ViP seine rund 400 Mitarbeiter auch entsprechend und tarifgebunden bezahlen. 600 000 Euro jährlich sollen die höheren Preise dem Potsdamer Verkehrsbetrieb nun einbringen.

Lesen Sie weiter:

Bislang wurden Investitionen in die Infrastruktur von der öffentlichen Hand getragen. Doch warum müssen jetzt die Fahrgäste die geplanten Neuerungen in Potsdam durch höhere Fahrpreise bezahlen? Ein Kommentar >>

Zur Startseite