Nahverkehr in Potsdam wird teurer: Stadtpolitik kritisiert Erhöhung der Ticketpreise
In Potsdam steigen die Ticketpreise, weil damit Strecken neu geschaffen oder ausgebaut werden sollen, heißt es vom VBB. Doch bisher war nie die Rede davon, dass die Fahrgäste die kostspieligen Ausbaupläne mit ihren Fahrscheinen mitfinanzieren sollen.
Potsdam - In Zeiten von Niedrigzinsen sind deutliche Preissteigerungen zur Seltenheit geworden. Umso mehr fällt auf, dass sich in Potsdam die Preisspirale bei den Tickets für den öffentlichen Nahverkehr dreht. Mehr als zehn Prozent wird der Einzelfahrschein zum Jahreswechsel teurer. Er kostet dann 2,10 Euro statt bisher 1,90 Euro. Im gesamten Gebiet des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) steigen die Preise nur durchschnittlich um 0,56 Prozent. Auch bundesweit liegt Potsdam vorn: Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen geht davon aus, dass die Preise im bundesweiten Durchschnitt zwischen 2 und 2,5 Prozent erhöht werden.
Potsdams Rathauskooperation und auch die Opposition kritisieren Erhöhung
An dem Vorgehen gibt es nun Kritik aus der Stadtpolitik – und zwar sowohl aus der Opposition als auch aus der regierenden Rathauskooperation aus SPD, CDU und Grünen. „Das ist eine falsche Maßnahme“, sagte Grünen-Fraktionschef Peter Schüler. Der Nutzen des öffentlichen Nahverkehrs für die Gemeinschaft sei so groß, dass die Investitionen keinesfalls aus den Einnahmen aus Fahrscheinen finanziert werden sollten.
Regelmäßige Preissteigerungen seien genau das falsche Signal zur Lösung der immensen Verkehrsprobleme einer wachsenden Stadt mit immer mehr Autos, hieß es von der Fraktion Die Andere. Die Preiserhöhung sei ärgerlich, sagte auch Potsdams Linke-Chef und Stadtverordneter Sascha Krämer. Die Linke setze sich dafür ein, dass die Menschen stärker den öffentlichen Nahverkehr nutzen und ihr Auto stehen lassen. „Inwieweit sie das bei einer Erhöhung vor Verbesserung der Taktung und des Ausbaus des Netzes machen werden, sei dahingestellt.“
VBB begründet Preiserhöhung mit Streckenausbau und Fahrzeug-Kauf
Krämers Kritik zielt auf die Begründung der Preiserhöhung. Diese hatte die Geschäftsführerin des VBB, Susanne Henckel, damit gerechtfertigt, dass geplant sei, Strecken auszubauen oder neu zu schaffen und neue Fahrzeuge zu kaufen. „Damit die Nutzer auch einen gewissen Anteil mitfinanzieren, haben wir eine außerordentliche Erhöhung der Preise beschlossen“, hatte Henckel im rbb gesagt. Auch der Verkehrsbetrieb (ViP) selbst verwies in einer Erklärung auf die anstehenden Investitionen: „Durch die wachsende Stadt und die damit verbundenen Herausforderungen hinsichtlich der Beförderung einer zunehmenden Anzahl der Fahrgäste steht der ViP vor der Aufgabe, die Dienstleistungen weiterhin auf dem gewohnt hohen Niveau zu erbringen.“
Den Ausbau der Tramstrecke zum Jungfernsee, den Umbau des Leipziger Dreiecks und die Modernisierung des Fuhrparks hatten die Stadtverordneten im vergangenen Jahr selbst abgesegnet. 50 Millionen Euro sollen dazu in den kommenden Jahren fließen. Allerdings war seinerzeit nicht die Rede davon, dass die Nutzer die kostspieligen Ausbaupläne mit ihren Tickets vorfinanzieren sollen. Im Beschluss wird das nicht erwähnt.
ViP nahm mehr durch das Wachstum der Fahrgastzahlen ein
SPD-Fraktionschef Pete Heuer kann der Preiserhöhung zwar auch etwas abgewinnen: Die Investitionen sollen den öffentlichen Nahverkehr attraktiver machen, hofft er. Allerdings steht der ViP für ihn unter Beobachtung: „Sollten die Fahrgastzahlen infolge der geänderten Tarife sinken, wäre die Entscheidung zu diskutieren.“ Es stelle sich die Frage, ob die erwarteten Mehreinnahmen von 600 000 Euro durch eine Zuschusserhöhung aus städtischen Mitteln hätten generiert werden können. „Darüber können die Stadtverordneten im Zuge der Haushaltsberatungen debattieren“, so Heuer. Zum Vergleich: Allein durch das Wachstum der Fahrgastzahlen seit 2012 um 2,6 Millionen – auf jährlich 31,9 Millionen – nimmt der ViP deutlich mehr durch den Ticketverkauf ein.
Die CDU zeigt zwar inhaltlich Verständnis für die Preiserhöhung, äußert aber Kritik an deren Kommunikation: „Es ist zwar richtig, die Angelegenheit zuerst im Aufsichtsrat zu behandeln, eine frühzeitigere Informationen der Fraktionen wurde jedoch wieder einmal versäumt“, so CDU-Fraktionschef Matthias Finken.
Dass Investitionen in die Infrastruktur schwierig werden würden, davor hatten Branchenkenner schon vor Jahren gewarnt. 2013 hatte das Land die Investitionmittel von einer projektbezogenen Förderung auf pauschale Sätze umgestellt. Potsdam entgingen seitdem Millionen. Nun fordert Grünen-Politiker Schüler, Bund und Land müssten den öffentlichen Nahverkehr auskömmlich finanzieren. Auch Heuer stellt die Frage, in welcher Form sich Bund und Land wie in der Vergangenheit an den Investitionen beteiligen. (mit Henri Kramer)
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Bislang wurden Investitionen in die Infrastruktur von der öffentlichen Hand getragen. Doch warum müssen jetzt die Fahrgäste die geplanten Neuerungen in Potsdam durch höhere Fahrpreise bezahlen? Ein Kommentar >>
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