Taxibranche in Potsdam: Taxisterben wegen Mindestlohn
Wer mit einem Taxi fahren möchte, muss sich nicht nur auf höhere Fahrpreise, sondern auch auf längere Wartezeiten einrichten. Seit Januar sind nämlich weniger Fahrzeuge auf Potsdams Straßen unterwegs. Der Grund: die Einführung des Mindestlohns.
Potsdam - „Es tut uns leid. Im Moment steht leider kein Fahrzeug bereit“, so die Auskunft aus der Taxizentrale. Diese enttäuschende Mitteilung bekommen Anrufer seit Jahresbeginn häufiger, wenn sie in Potsdam ein Taxi rufen möchten. Besonders in der Nacht sind offenbar immer weniger Fahrzeuge unterwegs. Obwohl die Preise zu Jahresbeginn kräftig angehoben wurden, lohne es sich für die Taxiunternehmen nicht, zu fahren, so Harry Kortschlag vom Taxiverband Potsdam. Ursache sei der seit Januar geltende Mindestlohn. Angestellte Taxifahrer würden deshalb von den Unternehmen weniger eingesetzt.
Bemerkbar macht sich das eingeschränkte Angebot vor allem in den Nachtstunden an Wochentagen. „Wir kommen schneller an Grenzen als vor ein oder zwei Jahren“, bestätigt auch Geschäftsführer Detlef Baatz von der Potsdamer Taxigenossenschaft, die die Taxizentrale betreibt. Man sei nicht mehr zu jeder Tages- und Nachtzeit in der Lage, ein Taxi bereitzustellen. Entsprechend häufen sich die Beschwerden unzufriedener Kunden. Und wenn doch ein Taxi bereitsteht, ist es nicht unbedingt das passende. „Es gibt ja verschiedene Bedürfnisse wie Großraumwagen oder Fahrzeuge mit Kindersitz“, so Baatz.
20 Minuten auf ein Ruftaxi warten
Auch tagsüber scheint es zunehmend Schwierigkeiten zu geben: Ein Leser berichtete von 20 Minuten Wartezeit für ein Ruftaxi, um von der Waldstadt zu einem Arzttermin zu fahren. Weil weniger Taxis unterwegs sind, fällt es auch schwerer, einen Wagen am Straßenrand heranzuwinken. Ein Potsdamer berichtete von einem Versuch, am Luftschiffhafen ein Taxi Richtung Innenstadt zu stoppen: Es wurde eine Wanderung bis zum Luisenplatz daraus.
In der Branche verweist man auf wirtschaftliche Zwänge. Drei oder vier Fahrten in einer ganzen Nacht würden eben nicht ausreichen, um einen Stundenlohn von 8,50 Euro zu erwirtschaften, erklärt Kortschlag, der auch selbst ein Taxiunternehmen in Potsdam besitzt. Seit Jahresbeginn werden die Mitarbeiter deshalb für weniger Arbeitsstunden eingesetzt. Außerdem sei auch Personal abgebaut worden. „Auslaufende Verträge wurden nicht verlängert“, sagt er. Sein Unternehmen lasse in Potsdam nur noch zehn statt bisher zwölf Autos fahren, in Teltow zwei statt vier. Auf die Zahl der Taxikonzessionen hat der neue Mindestlohn bisher noch keinen zählbaren Einfluss. Von 190 möglichen sind derzeit 185 Stück vergeben, teilte die Stadtverwaltung auf Anfrage mit. Für die fehlenden fünf laufen derzeit Antragsverfahren.
Stadt habe Fürsorgepflicht gegenüber Taxi-Unternehmen
Für die Branche sind Potsdams Stadtpolitik und Verwaltung an der Krise mitschuldig. „Die Stadt muss aus dem Knick kommen“, sagt Kortschlag. Man habe rechtzeitig auf die höhere Kostenbelastung durch den Mindestlohn hingewiesen. Da die Tarife politisch festgelegt werden, habe die Stadt auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den Taxiunternehmen.
Doch im Rathaus hat man es nicht eilig: Im laufenden Jahr werde die Marktlage beobachtet und bis Ende des Jahres gemeinsam mit den Taxiunternehmen ausgewertet, ob weitere Anpassungen notwendig sind, heißt es auf PNN-Anfrage. Andernorts ist man schneller. Besonders in Ostdeutschland haben zahlreiche Kommunen ihre Taxitarife erhöht. In den neuen Bundesländern wirkt sich die Einführung des Mindestlohns wegen des Lohngefälles besonders stark aus.
Preise angehoben
Die Potsdamer Tariferhöhung zu Jahresbeginn hatte mit dem Mindestlohn allerdings nichts zu tun. Die Tarife waren zuvor fünf Jahre lang nicht erhöht worden. In dieser Zeit waren die Anschaffungs- und Wartungskosten für Fahrzeuge, aber auch Kosten für Versicherungen und Dieselkraftstoff gestiegen. Ein Gutachten im Auftrag der Stadtverwaltung hatte die wirtschaftliche Lage der Unternehmen als mangelhaft eingestuft.
Teilweise gingen die Tarife um mehr als 25 Prozent nach oben. So stieg die Einschaltgebühr fürs Taxameter um 50 Cent, auch die Kilometerpreise werden um bis zu einem halben Euro erhöht. Vor allem Nachtfahrten kosten mehr. Zudem wird erstmals zwischen Kurz- und Langstrecken unterschieden. Kurze Wege sind nun teurer – wenn man ein Taxi bekommt.
Lesen Sie weiter: Kommentar zum Mindestlohn in der Taxi-Branche >>
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