Sicherheit am Potsdamer Hauptbahnhof: „Subjektiv hat sich die Lage verbessert“
Vor einem Jahr haben Stadt und Polizei auf die Kriminalität am Hauptbahnhof reagiert. Die Maßnahmen scheinen langsam zu greifen.
Potsdam – Am Potsdamer Hauptbahnhof herrscht an diesem Morgen reichlich Betrieb. Schulkinder-Gruppen, die sich auf dem Weg zu einem Ausflug mit der S-Bahn befinden, Angestellte, die sich auf dem Weg zur Arbeit noch einen Kaffee für unterwegs holen und Touristen, die durch die Kleidergeschäfte bummeln. Dazwischen Pfandflaschensammler, die mit einer Taschenlampe in die Mülleimer leuchten und Polizeistreifen, die das Treiben beobachten. Die würden inzwischen immer häufiger durch die Bahnhofspassagen laufen, sagt Frank Schönbeck. Der 51-Jährige ist Inhaberin des Schuh- und Schlüsselservice Klick Klack, der sich im Bahnhof befindet.
Dass Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) Anfang 2019 vom Hauptbahnhof als Kriminalitätsschwerpunkt sprach, kann Schönbeck nicht nachvollziehen: „Das ärgert mich. So eine Aussage tut den Geschäften in den Bahnhofspassagen nicht gut.“ Schönbeck ist seit knapp 20 Jahren mit seinem Laden in den Bahnhofspassagen. Er sagt, dass sich täglich eine Vielzahl verschiedenster Menschen im Bahnhof aufhielten und es deshalb normal sei, dass dort mehr passiere, als an Orten mit weniger Konzentration. Raub oder Gewaltübergriffe habe er nicht mitbekommen. Diebstähle gebe es aber durchaus, auch bei ihm. „Das sind aber meist Säufer, die wissen halt nicht, was sie tun“, sagt Schönbeck.
Die Deliktzahlen haben sich erhöht
Der Bereich im und um den Bahnhof machte Anfang 2019 regelmäßig mit negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam. Die Polizei hatte dort immer wieder schwere Straftaten vermelden müssen. „Fahrraddiebstähle, Rohheitsdelikte wie Körperverletzungen sowie Rauschgiftkriminalität mussten in jüngerer Vergangenheit vermehrt festgestellt werden“, hieß vor knapp einem Jahr die traurige Bilanz. Die aktuellsten Zahlen der Polizeidirektion West, mit Stand vom März 2019, zeigen, dass die Zahl der Straftaten seit 2014 von 1273 auf 1784 im Jahr 2018 gestiegen sind, die Zahl der Gewaltdelikte erhöhte sich von 72 auf 209.
Stadt und Polizei reagierten. Mehr Streifen wurden eingesetzt. Zudem gebe es, so Stadtsprecherin Juliane Güldner, einen „regelmäßigen fachlichen Austausch der handelnden Akteure“ zur Sicherheitslage. Dabei würde man auch „kriminalpräventive Maßnahmen“ besprechen.
Centermanagerin Jana Strohbach sieht diese Maßnahmen positiv. Im vergangenen Jahr habe es eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit Behörden und der Polizei gegeben. „Auch haben wir selbst einen Teil zur Verbesserung der Sicherheit beigetragen“, sagt Strohbach. Der private Wachschutz in den Bahnhofspassagen sei verstärkt worden. „Subjektiv hat sich die Lage definitiv verbessert“, so die Centermanagerin. Ob das auch objektiv so ist, bleibt unklar. Die Polizeidirektion West hat nach eigener Aussage derzeit keine aktuelleren Zahlen vorliegen. Die Bundespolizei Berlin, die für die Sicherheit am Gleis und in den Zügen zuständig ist, teilte zumindest mit, dass das Gesamtstraftatenaufkommen 2019 leicht rückläufig sei. Vor allem Diebstahlsdelikte seien stark gesunken. Zugenommen habe allerdings Sachbeschädigung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.
"Man muss die Augen offen halten"
Dass es eine Verbesserung gibt, findet auch Ines Thiede vom Obst- und Gemüsehändler „Frische-Express“. Auch wenn die 41-Jährige weniger euphorisch klingt als Center-Managerin Strohbach: „Man kann wahrnehmen, dass die Polizei präsenter ist. Das muss aber auch so sein, sonst würde es hier drunter und drüber gehen.“ Immer wieder würden Menschen bei ihr im Laden einzelne Lebensmittel klauen. „Man muss die Augen offen halten.“ Verhindern könne man so etwas nicht, sagt Thiede, „außer man stellt vor jeden Laden einen Polizisten. Aber wer soll so etwas bezahlen?“
Viele Besucher und Ladeninhaber beobachten auch die Obdachlosen, die sich vor allem im Winter im Bahnhofsbereich aufhalten, mit gemischten Gefühlen. Viele von ihnen seien, so hört man, angetrunken und würden daher negativ auffallen. Sabine Stippgen, Inhaberin von Pinocchio Spielwaren ist der Meinung, dass sich inzwischen weniger Obdachlose in den Bahnhofspassagen aufhalten. „Das finde ich positiv“, so die 49-Jährige. Im Vergleich zu Berlin sei der Bahnhof Potsdam „noch human“. „Man kann hier ohne Angst rumgehen“, so Stippgen. „Klar passiert mal etwas, das ist aber normal.“ Den Laden gibt es bereits seit über zehn Jahren. Angst hätten die Kunden nie gehabt. „Die fühlen sich wohl, genau wie ich auch“, so Stippgen.
Besucher sind verschiedener Meinung
Etwas anders sieht das Barbara Juche. Sie arbeitet im Imbissrestaurant Heißer Wolf und hat beobachtet, dass sich inzwischen mehr Obdachlose am Hauptbahnhof aufhalten und untereinander handgreiflich werden. Manche wären auch laut. „Übergriffe auf Passanten habe ich aber nicht beobachtet“, sagt Juche.
Auch die Besucher des Bahnhofs sind gespaltener Meinung. Sabine Franz, 59, aus Michendorf findet, dass sich die Situation in den vergangenen Jahren verschlechtert habe. „Abends kann man hier nicht mehr herkommen.“ Anders sehen das Julius Segeler, 25, und Berthold Buding, 26. Sie würden öfter durch den Bahnhof gehen. Negatives sei ihnen nicht aufgefallen: „Das ist entspannt hier. Wir fühlen uns wohl.“ Obdachlose gebe es überall und die würden ohnehin nicht stören. Stadtsprecherin Güldner verweist zudem darauf, dass der Aufenthalt der Obdachlosen im öffentlichen Raum rechtlich zulässig sei.
Zusammenarbeit mit Streetworkern
Um die Probleme am Hauptbahnhof besser in den Griff zu bekommen, setzt das Centermanagement auch auf die Zusammenarbeit mit Straßensozialarbeitern, wie Wildwuchs Streetwork. Leiter Olaf Caesar sagt, der Konsum von legalen und illegalen Substanzen sei im ganzen Stadtgebiet vorhanden. Sichtbar werde er aber vor allem am Hauptbahnhof. „Die Probleme dort muss man ernst nehmen, auch wenn die Lage im Vergleich zu anderen Städten wie Berlin weniger dramatisch ist. Ich will das Problem aber nicht relativieren“, sagt Caesar.
Der Sozialpädagoge habe in Gesprächen mitbekommen, dass die Polizei und das Ordnungsamt verstärkt Kontrollen durchführen. Für ihn werde das Problem dadurch aber nur an andere Orte in der Stadt verschoben: „Es findet eine Verdrängung statt. Deshalb plädieren wir dafür, dass mehr Prävention geleistet wird. Das kostet aber natürlich auch mehr Geld, als lediglich mehr Kontrollen durchzuführen.“