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Zur Eröffnung unternahm Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) gemeinsam mit Firmengründer Donald Müller-Judex (links) eine Testfahrt.
©  Jürgen Schwarz/BMU

Es ist der erste in ganz Deutschland: Start-up aus Potsdam entwickelt Solarradweg

Bei Köln wurde der erste Solarradweg Deutschlands eröffnet, auf dem Strom erzeugt wird und im Winter Eis abgetaut wird. Entwickelt wurde das Projekt von einem Potsdamer Start-up.

Köln/Potsdam - Mehrere Radio-Reporter waren gekommen, Kamerateams und Zeitungsredakteure. Sogar die Ministerin war angereist und hielt eine Rede. Und das alles für einen 90 Meter langen Radweg in einer Kleinstadt in Nordrhein-Westfalen? Genau.

Denn der Radweg ist der einzige in ganz Deutschland, der aus Solarzellen besteht. Entwickelt hat ihn ein Start-up aus Potsdam, die 90 Meter in Erftstadt bei Köln sind der erste Versuch unter realen Bedingungen. Langfristig will Solmove, wie das junge Unternehmen mit Sitz in Babelsberg heißt, Elektroautos während der Fahrt mit Strom aus der Straße versorgen. Doch in einem ersten Schritt sollen nun Radwege erprobt werden.

Solmove hat spezielle Solar-Kacheln entwickelt, aus denen der 2,50 Meter breite Radweg quasi zusammengesteckt ist. Die Kacheln bestehen aus einer Solarzelle, die mit robustem Glas auf Ober- und Unterfläche kombiniert ist. So wird durch das einstrahlende Sonnenlicht Strom erzeugt, an den Rändern wird er „gesammelt“ und in eine höhere Spannung konvertiert. Die so erzeugte Energie wird zur Beleuchtung des Radwegs genutzt, der Rest ins System eingespeist. Damit die Reifen auf den Glasmodulen nicht abrutschen, sind sie mit Noppen und Rillen versehen. Und im Winter taut er sich selbst ab – Schnee räumen und streuen wird also hier überflüssig.

Gleichzeitig Strom erzeugen und Eis abtauen

Die 90 Meter Teststrecke in Erftstadt erzeugt laut Bundesumweltministerium zwölf Megawattstunden Strom im Jahr. „Mit dem Solarradweg setzen wir auf eine innovative Technologie, die zugleich Strom erzeugen und im Winter das Eis abtauen kann, um ein sicheres Radfahren zu ermöglichen“, ließ sich Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) nach einer Testfahrt auf dem Radweg am Montag zitieren. „Mit solchen Angeboten wollen wir erreichen, dass das Rad zunehmend eine attraktive und gesunde Alternative zum Auto wird.“

Gut 100 000 Euro Fördergelder wurden laut Ministerium in den Erftstädter Radweg gesteckt. Möglich war dies, weil die Teststrecke Teil des Projektes „Infrastrukturring Liblar – Wandel der Mobilitätsstruktur“ aus dem Bundeswettbewerb „Klimaschutz durch Radverkehr“ der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) ist. Erftstadt hatte sich dort beworben – mit Erfolg. Seit 2016 werden im Rahmen dieses Bundeswettbewerbs „modellhafte, investive Projekte zur Verbesserung der Radverkehrssituation“ gefördert. Ziel ist es, neben der Einsparung von Treibhausgasemissionen auch einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität vor Ort zu leisten, sowie bundesweit zur Nachahmung anzuregen. Bisher wurden bundesweit 57 Vorhaben mit rund 87 Millionen Euro unterstützt.

Nicht nur Nachahmer soll die Teststrecke animieren, auch die Entwickler selbst wollen sehen, wie sich ihr Produkt unter realen Bedingungen macht. Vor allem, welchen Einfluss Schmutz auf der Oberfläche auf die Energieerzeugung hat und wie belastbar die Module sind, wollen sie wissen. Eigentlich haben die Entwickler hier vorgesorgt – denn die Oberfläche ist mit Nano-Partikeln versehen, die den Schmutzabfluss bei Regen fördern. Außerdem ist das Material zumindest in der Theorie robust genug für schwere Lastwagen, also auch für herkömmliche Kehrmaschinen, wie sie auch auf anderen Radwegen und Straßen eingesetzt werden. Dennoch: Wie sich der Radweg beziehungsweise die Stromgewinnung dann in der Praxis verhält, bleibt spannend.

Führender Kopf und Gründer des Unternehmens ist der gebürtige Bayer Donald Müller-Judex. Etwa zehn Jahre lang arbeitete der heute 56-jährige gelernte Maschinenbauer und Ingenieur als Kameramann und Redakteur, beispielsweise Anfang der 1990er-Jahre bei der Talksendung „Vera am Mittag“, die in den Babelsberger Studios produziert wurde. 

Idee kam im Allgäu

Mit seiner ersten Firma machte er sich 1998 selbstständig, er wollte das Bezahlen mit dem Handy auf den Markt bringen – zu früh, wie er heute sagt. Später gründete er eine Firma, die Software für den elektronischen Rechnungsversand entwickelte.

Die Idee für die Solarstraßen kam ihm 2009 im Allgäu. Dort war er auf der Suche nach einem Dach, auf das er eine Solaranlage packen könnte, wie er immer wieder erzählt. Erfolg hatte er keinen. Doch während er stundenlang über sonnenbeschienene, leere Allgäuer Straßen fuhr, kam ihm die Idee, einfach die Fahrbahn selbst für die Stromgewinnung zu nutzen. 2014 gründete er Solmove in München, 2016 zog die Firma nach Potsdam um.

Solmove will mit der Bahn zusammenarbeiten

Das Projekt in Erftstadt ist nicht das einzige, was Solmove in nächster Zeit geplant hat. Auch mit der Deutschen Bahn wollen die Babelsberger zusammenarbeiten, angedacht sind Solarzellen zwischen den Schienen, mit denen Müller-Judex’ Berechnungen zufolge 20 Prozent des Strombedarfs der Bahn gedeckt werden könnten. Außerdem soll die Solmove-Technologie bei den olympischen Spielen in China im Jahr 2022 eingesetzt werden. Dort sollen dann Shuttle-Busse auf einer Strecke von 190 Kilometern über elektronische Schienen fahren, die dabei über Solmove-Module Strom erzeugen.

Und irgendwann gibt es vielleicht tatsächlich auch die erste Straße, auf denen sich Autos per Induktion im Fahren den Strom „saugen“. Entwickelt in Potsdam-Babelsberg.

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