Strategie für Potsdam gesucht: Stadtentwicklung: Hauptsache behutsam
Für einen neuen Wachstumskonsens soll Potsdam über ein neues Stadtentwicklungskonzept debattieren. Bürger, Unternehmen und Nachbargemeinden sollen gehört werden.
Potsdam - Der Begriff ist sperrig, der Inhalt dürfte in den nächsten Monaten aber wichtig werden: Mit einem neuen Stadtentwicklungskonzept will Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) zusammen mit den Potsdamern eine nachhaltige Strategie finden, in welche Richtung Potsdam bis 2035 steuern soll. Dann könnten laut Prognosen hier 220.000 Menschen leben – rund 40.000 mehr als jetzt. Dafür wolle er gemeinsam mit der Politik und den Bürgern einen neuen Wachstumskonsens finden, sagte Schubert am Montagabend bei der Auftaktveranstaltung für den bis Mitte 2021 angesetzten Prozess. Dazu waren rund 50 Bürger ins Potsdam Museum gekommen, außerdem waren Stadtverordnete und Verwaltungsmitarbeiter vor Ort.
Wie soll mit den knappen Flächen umgegangen werden?
Schubert knüpfte in seiner Auftaktrede an seinen Wahlkampfslogan des „behutsamen Wachstums“ an. Es müsse darum gehen, dass der einzigartige Charakter der Stadt erhalten bleibe, sowohl für Alteingesessene als auch Neu-Potsdamer. Ein solcher Wachstumskonsens könne aber nicht verordnet werden, sagte Schubert – daher soll diskutiert werden. Vor allem gehe es um Prioritäten in der Frage: „Wie gehen mit knappen Flächen in der Stadt um?“
Ein zweiter wichtiger Punkt im Prozess sei es, die mehr als 50 Einzelkonzepte für diverse Themen, die im Rathaus in den vergangenen Jahren erarbeitet worden, zusammenzuführen. Schubert nannte etwa die Papiere zum Tourismus, Einzelhandel oder der Strategie für die Entwicklung des ländlichen Raums. Die Handlungsschwerpunkte, die am Ende festgelegt werden, sollen dann auch Grundlage für nötige Fördermittelanträge sein, hieß es weiter.
Bürger, lokale Unternehmen und Nachbargemeinden sollen beteiligt werden
Als Partner gewonnen hat Potsdam dabei die Bremer Regionalplanungsagentur Baumgart und Partner. Deren Stadtentwickler Frank Schlegelmilch sagte: „Wir begleiten Städte mit großen und kleinen Wachstumsschmerzen.“ Neben den Bürgern wolle man auch lokale Unternehmen einbeziehen, hieß es. Auch Nachbargemeinden würden im Rahmen von Regionalgesprächen beteiligt. Das letzte Konzept dieser Art stammt aus dem Jahr 2007. Schlegelmilch sagte, eine Umfrage in der Stadtverwaltung zur Umsetzung dieses nun zwölf Jahre alten Konzepts habe ergeben, dass dort vor allem die Entwicklung des kommunalen Haushalts, des Welterbes und der Wissenschaft positiv gesehen würden, negativ hingegen die Verkehrsanbindung der Stadt und das Wohnraumangebot. So gebe es in Potsdam auch überdurchschnittlich viele Ein-Personen-Haushalte, worauf reagiert werden müsse, hieß es.
Beliebig, schwammig, teuer: Am Leitbild hatte es viel Kritik gegeben
Bereits in den vergangenen Jahren hatte sich die Stadt grundsätzliche Leitlinien für ihre weitere Entwicklung geben wollen. Zwischen 2014 und 2016 wurde ein sogenanntes Leitbild erarbeitet, auf 16 Seiten waren 23 Thesen zur Stadtentwicklung zu lesen. Doch das insgesamt rund 300 000 Euro teure Projekt wurde vielfach kritisiert: Es sei viel zu beliebig geraten. So hatte man etwa eine Festlegung vermieden, ob Potsdam eine eher autofreundliche oder eine fußgänger- und fahrradfreundliche Stadt sein soll. Das Resultat am Ende lautete: „Eine vielfältige Stadt wie Potsdam bietet Raum für alle Mobilitätsbedürfnisse.“ 2018 hatten die Stadtverordneten dann gesamtstädtische Ziele beschlossen, unter anderem eine „umweltgerechte Mobilität“.
Ziele zur Mobilität sollen konkretisiert werden
Dies solle nun konkretisiert werden, hieß es. Als beispielhafte Maßnahmen wurden am Montag ein Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs genannt, ferner Radschnellwege in das Umland oder eine Nutzungsmischung in den Stadtteilen, was kurze Wege ermögliche. Dies sei auch für den Klimaschutz nötig – als mögliche Beispielmaßnahme wurde hier die Renaturierung von Moorflächen genannt.
Die Erwartungen an den Prozess sind groß – und unterschiedlich. Bei einer Podiumsdebatte sagte Agnes von Matuschka vom Wissenschaftspark in Golm, es gebe zwar einen Maßnahmenplan, um das Gelände attraktiver zu machen, doch der sei nicht finanziell untersetzt. Insofern sei das neue Stadtentwicklungskonzept eine Chance für eine Mitte in Golm mit mehr Lebensqualität. Hintergrund: In dem Prozess sollen auch ausgewählte Kieze in der Stadt tiefer gehend untersucht werden, vor allem solche mit besonderen Planungsbedarfen.
Große Erwartungen von vielen Seiten
Jan Gabbert vom Kreativhaus „Scholle 51“ betonte, es müsse in Potsdam mehr um den Menschen gehen, weniger um Denkmalschutz. Und die Stadt müsse gegen die Raumnot endlich wieder zusätzliche Flächen ankaufen. Der Chef der städtischen Bauholding Pro Potsdam, Jörn-Michael Westphal, stellte einmal mehr das Projekt Gartenstadt Drewitz vor – als Modell für einen autoärmeren Stadtteil. Dies befördere man, in dem man Jahrestickets für Busse und Bahnen an Mieter vergebe. Solche Erfahrungen wolle man auch, wenn möglich, auf das nächste Großprojekt in Potsdam übertragen – die Sanierung des Stadtteils Schlaatz.