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Innenperspektive. So soll die RAW-Halle gestaltet werden - hier eine Art Aula. 
© Visualisierung: J.Mayer.H GmbH Berlin

Einwohnerversammlung zu RAW-Großprojekt: Stadt prüft erstmals "soziale Erhaltungssatzung"

High-Tech-Zentrum am Potsdamer Hauptbahnhof könnte Mieter verdrängen, fürchten Anwohner. Rathaus und Investor verteidigen das Projekt.

Teltower Vorstadt - Anwohner der Teltower Vorstadt sorgen sich, dass mit dem Bau des RAW-Innovationszentrums der Wohnraum in ihrem Kiez deutlich teurer wird. „Wir fordern Milieuschutz vor dem Baustart“, hieß es am Mittwochabend von der rund 50-köpfigen Initiative Teltower Vorstadt. Anlass war eine von mehr als 60 Interessierten besuchte Einwohnerversammlung zu dem Großprojekt. Zudem forderte ein Vertreter der Initiative eine genauere Umweltprüfung und Verkehrsplanung für das „riesige Projekt“ statt dem jetzigen beschleunigten Verfahren. Auch stelle sich die Frage, ob man in Potsdam mehr IT-Arbeitsplätze benötige.

"Zukunftsweisend"

Es gehe um einen „zukunftsweisenden und überregionalen Standort für die Digital-, Medien- und Kreativwirtschaft“, hieß es hingegen bei der Präsentation des Vorhabens. Ziel sind 1400 Arbeitsplätze vor Ort, das Investitionsvolumen liegt bei mehr als 100 Millionen Euro. Potsdams Wirtschaftsförderer Stefan Frerichs sagte, viele Jahre habe man erfolglos einen Investoren gesucht – das Projekt jetzt übertreffe „unsere kühnsten Erwartungen“. Auch weitere Ansiedlungen seien dank der Strahlkraft dann möglich. Die Verkehrsanbindung sei schon durch den nahen Hauptbahnhof gegeben. Der Bereichsleiter für Stadterneuerung, Dieter Lehmann, sagte, man prüfe derzeit nach einem Stadtverordnetenbeschluss unter anderem eine „soziale Erhaltungssatzung“ für das Umfeld - das erste Mal in Potsdam. Bis März 2020 soll dazu ein Sachstand vorliegen. Man werde dazu auch externe Hilfe benötigen, es muss die Zusammensetzung der Bevölkerung geprüft werden. Ohne so eine komplexe Prüfung laufe man sonst Gefahr, dass so eine Satzung gerichtlich angreifbar sei. Dazu werde man auch Bevölkerungsdaten erheben müssen, so Lehmann. Seit mehr als einem Jahr wird über das Projekt debattiert.

Zukunft? So soll das Ensemble an der Friedrich-Engels-Straße einmal aussehen.
Zukunft? So soll das Ensemble an der Friedrich-Engels-Straße einmal aussehen.
© Visualisierung: Mayer H. Architekten Berlin

Werbung für das neue Zentrum

Für das neue RAW sollen die maroden und denkmalgeschützten RAW-Bestandsbauten grundlegend saniert und zum Kreativzentrum mit „flexiblen Büros, großzügigen Gemeinschaftsflächen und weiteren Angeboten“, etwa Gastronomie, ausgebaut werden. Die Halle werde ansonsten wegen „der denkmalpflegerischen Vorgaben weitgehend belassen und nicht thermisch optimiert“, von einem großen frei verfügbaren Freiraum – einer Art Aula – und einem Eventbereich mit einem restaurierten Kaiserzug war die Rede. In einer zweiten Ebene sollen isolierte Büroboxen entstehen, auch ein Hörsaal für 500 Besucher samt Seminar- und Forschungsräumen ist geplant, es sei auch eine Nutzung als Hochschule möglich.

Als Ergänzung sind zwei moderne Erweiterungsbauten vorgesehen, dort sollen Büros und Gewerbe – nach PNN-Informationen ein Biomarkt und ein Fitnesscenter – untergebracht werden. Es gehe um mehr als 32 000 Quadratmeter Nutzfläche. Zwischen der historischen Halle und dem Neubau werde „ein begrünter Platz mit großer Aufenthaltsqualität“ geschaffen, eine Tiefgarage mit 100 Stellplätzen sei geplant. Die bis zu sechs Stockwerke hohen Bauten mit einem optisch auffällig gefaltetem und teils begrüntem Dach sollen die RAW-Halle flankieren. Wichtig sei die Sicht von der Bahnstrecke aus: Von dort werde der der Neubau mit einer Holzfassade in den Hintergrund treten und die Halle gut zur Geltung kommen, hieß es. „Für einen Gewerbebau wird das eine außergewöhnliche Qualität“, warb Investorenvertreter Mirco Nauheimer. Als Finanzier hatte sich der lettische Ölhändler Michael Zeligman zu Erkennen gegeben. Zu dem Projekt sind bis 7. Oktober im Zuge des aktuellen Bebauungsplan-Verfahrens weitere Hinweise erwünscht. Dann werde die Kritik abgewogen, das letzte Wort haben die Stadtverordneten. 

Ehemaliges RAW-Gelände in Potsdam: So sieht es dort seit Jahren aus.
Ehemaliges RAW-Gelände in Potsdam: So sieht es dort seit Jahren aus.
© Andreas Klaer

Viele Bedenken bei den Anwohnern

Hinweise dürfte es einige geben: So sagte eine weitere Vertreterin der Anwohnerinitiative, man müsse sicherstellen, dass Vögel nicht gegen den Bau mit seinen vielen Glasscheiben fliegen. Nauheimer sagte, damit das nicht passiert, werde das Glas bedampft. Zu einer kritischen Frage, ob das Projekt zum ausgerufenen Klimanotstand passe, sagte Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos), eine Abwägung zur Klimaverträglichkeit erfolge im Rahmen des B-Plan-Verfahrens. Nauheimer sagte, man wolle den Neubau mit knapp 50 E-Lade-Stationen ausstatten, dieser solle ferner möglichst energieeffizient sein. Die Frage, ob man mit dem Projekt wegen ausstehender Überlegungen zunächst warten könne, verneinte Rubelt: „Wir haben hier einen guten Weg gefunden.“ Es werde auch einen Durchführungsvertrag der Stadt mit dem Investor geben, hieß es. 

Dagegen kritisierten Anwohner, so würden schon Fakten geschaffen - man sorge sich, dass private Vermieter schnell die Miete erhöhen könnten angesichts der geplanten Ansiedlung. Zudem wisse niemand, woher der Investor wirklich sein Geld habe. Hierzu hatte der linke Blog „Stadt für alle“ erst jüngst unbelegt den Vorwurf erhoben, das Unternehmen sei eng mit der skandalträchtigen russischen Oligarchie und Erdölindustrie verbunden. Rubelt sagte, man prüfe auch den Investor - das sei noch nicht abgeschlossen. 

Auch würden 200 Parkplätze mehr benötigt, sagte ein Anwohner. Rubelt sagte, man prüfe vor Ort Anwohnerparkzonen - damit eben nur diese dort ihre Fahrzeuge abstellen können. Nauheimer sagte, das Projekt entspreche auch dem Konzept der kurzen Wege. Der Investor habe auch schon ein größeres Projekt in Berlin gestemmt. 

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