Missglückte Gedenkfeier: Staatskanzlei ignorierte offenbar Hinweise von Beteiligten
Desaster mit Ansage: Nach der missglückten Feier auf der Glienicker Brücke zum Gedenken an den Mauerfall gibt es neue Vorwürfe gegen die Staatskanzlei.
Potsdam - Vor den missglückten Feierlichkeiten zum Gedenken an den 30. Jahrestag der Öffnung der Glienicker Brücke gab es schon Warnungen, das Ganze könne zum Desaster werden. Doch die Staatskanzlei, die im kommenden Jahr auch die offiziellen Feierlichkeiten zum 30. Einheitsjubiläum koordinieren soll, schlug offensichtlich alle Bedenken in den Wind. So jedenfalls schildert es der Musiklehrer Christian Bährens, der am vergangenen Sonntag die Chöre des Potsdamer Leibnitz- und des Berliner Beethoven-Gymnasiums auf der Glienicker Brücke dirigierte. Ein Problem: Der Chorgesang der 250 Schüler, ihr „Ode an die Freude“, war mangels Lautsprechern nur aus der Nähe zu verstehen.
Dies hätte nicht so kommen müssen, sagte Bährens am Freitag den PNN. So sei er eigentlich mit einem weiteren Helfer für die musikalische Umrahmung der Veranstaltung ins Boot geholt worden. Doch das habe die Staatskanzlei als federführender Veranstalter zusammengestrichen. „Als ich davon hörte, dass es auch keine Ansprachen und keine Anmoderation geben würde, habe ich vorausgesagt, dass diese Veranstaltung ein dramaturgisches Desaster wird und dies auch nochmal ’nach oben’ zu bedenken gegeben“, sagte Bährens. Es sei frustrierend, dass auf diesen Rat „offensichtlich niemand hören wollte“.
Vor Ort setzte sich der Stil fort. So habe eine Pressesprecherin kurz vor dem Auftritt noch vorgeschlagen, ob der Chor wegen des Gedränges von der Brückenmitte weiter auf die Berliner Seite ausweichen könne: „Was für ein logistischer Unsinn!“ Beschämend sei auch, dass sich die Musiker um grundsätzliche logistische Aufgaben des Veranstalters kümmern mussten. Die Musik sei wie „verschiebbares Beiwerk“ behandelt worden, so Bährens. Und: „Vor allem aber es geht es mir um die Jugendlichen, die in der Kälte wie Ölsardinen beieinanderstanden, also unter äußerst ungünstigen Bedingungen singen mussten und trotzdem eine großartige Leistung gezeigt haben.“ Selbst um die Sicherheit habe man sich wegen der Menschenmassen sorgen müssen.
Auch danach wurde es nicht besser. „Erstaunen herrscht auch darüber, dass die Jugendlichen überhaupt keine Wertschätzung seitens der Veranstalter erfahren haben.“ Immerhin habe man allein an dem Tag – mit Anfahrt und Proben – rund sechs Stunden in das Projekt gesteckt. Doch dann seien die Schüler nicht einmal angemessen begrüßt worden, auch danach habe es keinen größeren Dank gegeben.
Für Bährens ist das auch ein grundsätzliches Problem. So werde „immer wieder beschworen, dass wir für die Zukunft in ihrem Selbstbewusstsein gestärkte, verantwortungsvolle junge Erwachsene brauchen, die sich gerne und nachhaltig engagieren“. Die Chance, dieses Engagement auch zu wertschätzen, sei am vergangenen Sonntag und danach vertan worden.
Mit der Kritik hat sich Bährens am Freitag auch an die Staatskanzlei direkt gewendet, eine lange E-Mail dorthin geschrieben. Regierungssprecher Florian Engels sagte den PNN, man werde die Hinweise auswerten. „Wir bedauern, dass es zu dieser Situation gekommen ist.“
Schon am Montag hatte Engels für die Staatskanzlei erste Fehler eingeräumt: „Danach ist man immer schlauer.“ So hätte der Chorgesang übertragen werden müssen, hatte Engels gesagt – ferner wären auch einige Sätze der anwesenden Politiker über Mikro sinnvoll, ebenso wie eine kürzere Taktung der Tram. Ferner sagte Engels, auf die notwendige Technik für eine umfangreiche Beschallung habe man aus Kostengründen verzichtet. Auch eine Agentur holte man nicht ins Boot, auch aus Kostengründen und wegen schlechter Erfahrungen beim 20. Jahrestag der Mauereröffnung – vor nun zehn Jahren. So hatte die Staatskanzlei entschieden, dass Politikerreden bei der Nachmittagsveranstaltung in der Nikolaikirche gehalten werden sollten – und am Abend wegen der unsicheren Wetterlage die Bürgerbegegnung auf der Brücke in den Mittelpunkt zu stellen. Und dies habe funktioniert, so Engels: „Viele Menschen kamen zusammen, haben sich erzählt, haben sich erinnert.“
Bährens hingegen denkt an die Schüler. Es sei eben auch bedauerlich, „dass die Verantwortlichen die Jugendlichen offensichtlich nur als musizierende Helfer gesehen haben, nicht aber als enorm wichtige Zielgruppe, nämlich die künftigen Erwachsenen, denen man mit einer würdigen Veranstaltung die wichtige Bedeutung der Besinnung auf historische Ereignisse hätte vermitteln können.“ Auch hätte man die übliche mediale Distanz zwischen Jugendlichen und Politikern zumindest etwas überwinden können. Bährens Fazit: „Eine große Chance: vertan.“
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