Kommunalwahl in Potsdam: Schüler und Schultheiß verlassen das Stadtparlament
Zwei Altgediente verlassen die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung: Peter Schultheiß von den Potsdamer Demokraten und Peter Schüler von den Grünen. Die PNN blicken zurück.
Potsdam - Als Peter Schultheiß in die Kommunalpolitik geht, ist er längst eine Berühmtheit. Und zwar eine internationale. 1996 hatte Potsdams Polizei-Chefermittler der Schlösserstiftung ein gestohlenes Gemälde von Caspar David Friedrich wieder beschafft, über die gleiche Spur beschlagnahmt er kurze Zeit später ein vernichtet geglaubtes kostbares Mosaik, das Teil des legendären, im Zweiten Weltkrieg verschollenen Bernsteinzimmers ist.
Schultheiß, Spitzname damals „Superbulle“, wird seinem Image auch als Kommunalpolitiker gerecht. Streng, manche würden sagen stramm konservativ, ist seine Haltung in der Stadtverordnetenversammlung. Aus seinen Ansichten macht der heute 76-Jährige auch keinen Hehl. „Ich hätte die Steuermittel sehr gern anders eingesetzt“, nennt er als eines der Ziele, die er in seiner Zeit als Stadtverordneter nicht erreicht hat. So gibt die Stadt seiner Ansicht nach viel zu viel Geld für die Jugendsoziokultur aus. Auch die jährliche Zahlung der Stadt in Höhe von einer Million Euro an die Schlösserstiftung, mit der Potsdam einen Beitrag zur Parkpflege bei gleichzeitiger Vermeidung des Parkeintritts leistet, hält Schultheiß für „rausgeschmissenes Geld“.
Karriere bei der Polizei
Es ist Zufall, dass der gebürtige Chemnitzer, der im Rheinland aufwächst, bei der Polizei landet. Wegen seiner DDR-Verwandtschaft will er „nicht eines Tages an der Grenze liegen“ und seine Familie auf der anderen Seite wissen. Eine Polizeikarriere bietet den Ausweg, der Wehrpflicht zu entgehen. Ihm gefällt der Dienst und 1991 steigt er unter Polizeipräsident Detlef Graf von Schwerin zum Leiter der Abteilung Einsatz und Ermittlungen auf, die Nummer zwei in der Polizeihierarchie der Landeshauptstadt.
Rettet er nicht gerade Kunstgegenstände, halten ihn in Potsdam in den 1990er-Jahren illegale Straßenrennen und vor allem die Hausbesetzer auf Trab. Einigen davon begegnet Schultheiß in seiner Zeit als Kommunalpolitiker wieder.
Nachdem er 2002 in den Ruhestand geht, sitzt Schultheiß zunächst als sachkundiger Einwohner für die CDU im Kulturausschuss. 2008 wird der damalige CDU-Ortsverbandschef Innenstadt/Nord in die Stadtverordnetenversammlung gewählt. Es ist die Zeit der großen innerparteilichen Zerwürfnisse in der Potsdamer CDU. Schultheiß ist einer der Strippenzieher bei der Entmachtung des damaligen Unionskreischefs Wieland Niekisch. Es mag einigen als Ironie erscheinen, dass Niekisch womöglich jetzt, wo Schultheiß sie verlässt, in die Stadtverordnetenversammlung zurückkehrt.
Von der CDU zu den Potsdamer Demokraten
2011 überwerfen sich Schultheiß und das CDU-Urgestein Wolfgang Cornelius mit dem Rest der Fraktion unter ihrem damaligen Chef Michael Schröder – der zur nächsten Kommunalwahl für das Bürgerbündnis antritt. Schultheiß und Cornelius gründen die Wählergruppe Potsdamer Demokraten und sitzen fortan als Zwei-Mann-Fraktion im Stadtparlament.
Nachdem die Demokraten bei der letzten Kommunalwahl 2014 nur noch einen Stadtverordneten stellen durften, sorgt Schultheiß für Aufsehen, als er auch eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht ausschließt, die seinerzeit drei Mandate errungen hat. Schließlich schmiedet er eine Fraktion mit den Freien Wählern, die er später wieder verlässt, um die SPD-Fraktion zu verstärken.
Nun, nach elf Jahren, hängt Schultheiß die Kommunalpolitik an den Nagel. Als Teil der damaligen Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und Potsdamer Demokraten empfindet er Genugtuung darüber, „jenseits der linken Dominanz“ im Stadtparlament bürgerlichen Themen zu Mehrheiten verholfen zu haben. Jetzt, wo man „die eigene Gesundheit mehr beobachten“ müsse, sei es Zeit aufzuhören. Auch seine politischen Gegner begegnen ihm mit Respekt.
Obwohl man inhaltlich wenig Gemeinsamkeiten teile, habe er Schultheiß’ Humor sehr geschätzt, sagt etwa Die Andere-Fraktionsgeschäftsführer Lutz Boede. Herzlichkeit und Offenheit bescheinigt ihm auch SPD-Fraktionschef Pete Heuer. Sein CDU-Amtskollege Matthias Finken lobt ihn als „geradlinigen Konservativen“.
Seinen Frieden mit der Union hat Schultheiß ungeachtet seines Ausscheidens nicht gemacht. Gefragt, ob er wieder in die Partei eintreten würde, sagt er nur: „Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.“
Auch Peter Schüler tritt nicht noch mal an
Die älteren Potsdamer wissen es noch: Peter Schüler hat tatsächlich einmal für den Posten des Oberbürgermeisters kandidiert. 2002 war das. Schüler tritt damals gegen die übermächtig erscheinenden Bewerber Jann Jakobs (SPD) und Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) an – und holt immerhin drei Prozent der Stimmen. „Eigentlich“, sagt der heute 67-Jährige schmunzelnd, „hatte das nur das Ziel, mich für die Kommunalwahl bekannter zu machen“. Das gelingt: Ein Jahr später zieht Schüler für die Grünen in die Stadtverordnetenversammlung ein. Nach 16 Jahren tritt Schüler nun nicht mehr an. Mit ihm verliert die Fraktion ihr neben Saskia Hüneke wohl prominentestes Gesicht.
Schüler zieht es in die Bürgerbewegung im Wendeherbst
Geboren 1952 als Sohn jüdischer Eltern in Ostberlin wächst Schüler im thüringischen Ilmenau auf. Nach dem Abitur studiert er Physik an der Berliner Humboldt-Universität. Es folgen Stationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter erst an der damaligen Technischen Hochschule Ilmenau und danach im Kombinat Elektronische Bauelemente Teltow.
Wie viele, die mit dem DDR-System unzufrieden sind, zieht es auch Schüler im Wendeherbst 1989 in die Bürgerbewegung. Er tritt aus der SED aus und wird Mitglied der Bewegung „Demokratie Jetzt!“, die nach der deutschen Wiedervereinigung in der Partei Bündnis 90/Die Grünen aufgeht.
Bahnhofspassagen bringen ihn zur Kommunalpolitik
Nach zwei Jahren als Landtagsabgeordneter der Grünen-Fraktion startet Schüler eine zweite berufliche Karriere: Er studiert Jura und eröffnet eine Anwaltskanzlei – wie schon sein Großvater. In die Kommunalpolitik treibt es Schüler noch als Referendar. Der Kampf gegen das „gelbe Monster“ habe ihn dazu getrieben, erzählt er lachend. Gemeint ist das sogenannte Potsdam-Center, heute bekannt als Bahnhofspassagen, dessen ursprünglich geplante Dimensionen Potsdam beinahe einen Eintrag auf der Roten Liste der Unesco bescherten. Seit 1998 als sachkundiger Einwohner im Finanzausschuss, steigt der frisch gebackene Rechtsanwalt nach der Jahrtausendwende als Stadtverordneter in die Kommunalpolitik ein. Fünf Jahre später, nach der Wahl 2008, wird er gar zum Stadtpräsidenten gewählt, zum Vorsitzenden des Kommunalparlaments. Als „große Ehre“ empfindet er es, dass seine Stadtverordnetenkollegen ihm das zutrauen. Parallel engagiert sich der bekennende Atheist für den Bau einer Synagoge in Potsdam.
Schüler ist kein Lautsprecher, seine Argumentationen bleiben stets sachlich, wenngleich er seine Meinung wenn nötig mit Nachdruck vertritt. Es gibt kaum jemanden im Stadtparlament, der ein böses Wort über seine Arbeit verliert, Schüler genießt Anerkennung über die Fraktionen hinweg. Als „sehr angenehmen Menschen, der stets Respekt vor anderen“ habe, beschreibt ihn Wolfhard Kirsch, Fraktionschef des Bürgerbündnis. SPD-Fraktionschef Pete Heuer nennt ihn jemanden, „dem Inhalt und tiefgründige Auseinandersetzung wichtiger als die sympathieheischende Schlagzeile sind“. Als „streitbaren Stadtverordneten, der mit seinen Nachfragen häufig überraschte und damit Blickwinkel eröffnete, auf die man auf den ersten Blick nicht gekommen wäre“, sieht ihn CDU-Fraktionschef Matthias Finken. Und Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg lobt Schüler als „sehr kritischen Geist“, der seine Aufgabe als Stadtverordneter „stets sehr ernst genommen hat“.
Kritik: Schüler zeigte sich reumütig
Zur Wertschätzung seiner Politikerkollegen dürfte auch Schülers Umgang mit eigenen Fehlern beigetragen haben. Als vor der Oberbürgermeisterwahl 2018 in der Fraktionszeitung ein Interview mit der Grünen-Kandidatin Janny Armbruster erscheint, wird der Partei vorgeworfen, Wahlwerbung mit Fraktionsgeldern bezahlt zu haben. Schüler gibt sich vor dem Plenum einsichtig und reumütig, was ihm Anerkennung verschafft.
Als größten Tiefpunkt sieht Schüler heute die gescheiterte Wahl des von seiner Partei vorgeschlagenen Kandidaten Christof Nolda zum Baudezernenten, die 2017 zum Bruch der Rathauskooperation aus SPD, CDU und Grünen führt. Im Groll verlässt er das Kommunalparlament dennoch nicht. Seine Anwaltskanzlei biete ihm genügend Beschäftigung, sagt er und äußert einen Wunsch für die neue Stadtverordnetenversammlung. Die möge „zu mehr Sacharbeit zurückkehren – zum Wohle der Stadt“.