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Einst Chefin. Carina H. leitete den privaten Bildungsträger Educon. Jetzt lebt sie in England. Ohne Schulden, wie sie sagt: „Ich beginne wieder bei Null.“
© H. Kramer

Educon-Pleite: Schuldenlos

Die Schulden des Potsdamer Bildungsträgers Educon gehen in die Millionen. Jetzt hebt die einstige Chefin die Hände: Sie hat sich in London für insolvent erklärt.

Die Pleite des Potsdamer Bildungsträgers Educon wird für Hunderte ehemalige Schüler, Angestellte und vor allem das Land Brandenburg teuer – teurer als gedacht. Sie alle werden mehr als zwei Jahre nach Beginn der Affäre um angeblich gefälschte Schülerzahlen und zu Unrecht erhaltene staatliche Gelder auf Forderungen in Millionenhöhe sitzen bleiben. Allein das Land Brandenburg fordert mehr als neun Millionen Euro zurück. Doch die einstige Inhaberin des privaten Bildungsträgers, bei dem Jugendliche Berufsausbildungen etwa im Hotel- und Gaststättengewerbe absolvieren konnten, hebt die Hände: Sie sei mittellos, erklärte Carina H. nun in London den PNN.

In Großbritannien lebt H. seit der Pleite des bundesweit tätigen Ausbildungsunternehmens, das in Potsdam den Educon-Campus in der Berliner Straße 135 betrieb, ausschließlich. In Potsdam waren zuvor schwere Betrugsvorwürfe durch das brandenburgische Bildungsministerium erhoben worden, die Staatsanwaltschaft Potsdam hatte umfangreiche Ermittlungen eingeleitet. In London präsentierte H. nun ein offizielles Dokument, mit dem sie ihre Privatinsolvenz belegt – durchgeführt nach dem einfacheren und laxeren britischen Insolvenzrecht. Damit ist sie ihre in Deutschland angehäuften Schulden in Höhe von 29 Millionen Pfund (rund 33 Millionen Euro) los. H. sagte, sie sei restschuldbefreit. Die Firma Educon selbst sei inzwischen an einen britischen Investmentfond verkauft. Ohne die Schulden, wie sie sagt. Diese habe sie übernommen – und nun tilgen lassen. H.s Fazit: „Ich beginne wieder bei Null.“

Bei ihren deutschen Gläubigern dürfte sich das Mitleid in Grenzen halten. Etwa beim Bildungsministerium in Potsdam: Carina H. hat sich in dem Insolvenzverfahren auch von 13 Millionen Pfund Schulden getrennt, die sie nach eigenen Angaben beim Ministerium hatte. „Sollte die Forderung gegen mich vollstreckt werden, dann läuft das ins Leere“, sagte H. Zu weiteren Großgläubigern gehören das Potsdamer Finanzamt mit neun Millionen Pfund sowie die Deutsche Bank und eine ihrer Tochterfirmen mit insgesamt fünf Millionen Pfund.

Dem Bildungsministerium war die abgeschlossene Privatinsolvenz der Ex-Educon-Chefin nach Angaben von Ministeriumssprecher Stefan Breiding bisher nicht bekannt. Doch das Ministerium würde sich an den Educon-Schulträger halten, so Breiding. Ob sich das Ministerium an den neuen Eigentümer wenden kann, ist allerdings unklar.

Der einstige Schulträger will seinerseits Geld vom Land. Die Educon-Anwälte wollen Brandenburg verklagen – wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Subventionsbetrug und andere Delikte eingestellt werden sollten. Educon werde durch alle Instanzen klagen, sagte Claus-Peter Martens, einer der Educon-Anwälte, den PNN. Momentan würden Dutzende Verfahren an mehreren Verwaltungsgerichten ruhen, etwa gegen den vom brandenburgischen Bildungsministerium verfügten Entzug der Betriebserlaubnis für drei Schulen in Potsdam und Cottbus. Mit diesen Schulschließungen, so der Anwalt, „ist ein florierendes Unternehmen plattgemacht worden“.

Bisher war Educon jedoch in Eilverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Klagen gegen die Schließungen gescheitert. Anwalt Martens will nun im Hauptverfahren mehr Beweismittel vorlegen. Carina H., die sich erstmals öffentlich zu den Vorwürfen äußerte, sagte, sie habe „nie die Fälschung von Schülerzahlen angewiesen“. 

Das Bildungsministerium werfe Educon dagegen vor, in den Schuljahren 2008/2009 und 2009/ 2010 Schülerzahlen in erheblichem Umfang gefälscht zu haben, so Ministeriumssprecher Breiding. Das hätten Ermittlungen des Ministeriums ergeben. „Durch die falschen Angaben wurden unrechtmäßig Zuschüsse erschlichen“, so Breiding. Selbst das Oberverwaltungsgericht sei dieser Einschätzung gefolgt. In allen Verfahren habe das Ministerium bisher gesiegt.

Als Beweis für die Unschuld von Educon führte Anwalt Martens ein Gutachten des Staatsrechtlers Heinrich Amadeus Wolff von der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) an. Darin heißt es unter anderem, die vom Land monierte Gestaltung der Educon-Schulverträge sei dem Ministerium bekannt gewesen. Unklar sei, weshalb vor der Klärung eines Sachverhalts eine Schule sofort den Betrieb einstellen müsse. Zugleich verweist Wolff auf Unschärfen in den für Privatschulen geltenden Schulgesetzen des Landes. Anwalt Martens sagte, die Gesetzeslage sei von Educon richtig interpretiert worden. Das Land sieht dies anders. Das Wolff-Gutachten sei kein Beleg für die Zuverlässigkeit des Bildungsträgers Educon, so Ministeriumssprecher Breiding.

Nach den verfügten Schulschließungen vor zwei Jahren in Potsdam und Cottbus war das gesamte Unternehmen in Schieflage geraten. Auch staatlich nicht geförderte Educon-Schulen im gesamten Bundesgebiet schlossen. Noch heute melden sich Schüler und Ex-Dozenten – auch bei den PNN –, die von Educon noch Zeugnisse, Löhne oder Schadensersatz verlangen. Carina H. sagte dazu, das Unternehmen sei gegen Ausfall hoch versichert gewesen – doch die Versicherungen hätten nicht gezahlt und wohl gewartet, ob Educon tatsächlich in die Knie gehe. Ihren ehemaligen Schülern und Mitarbeitern rät sie nun aus London, die Versicherungen zu verklagen.

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