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Potsdam: „Das Ministerium hat Educon plattgemacht“ Bildungsträger will Schadensersatz in Millionenhöhe

Herr Martens, Sie sind der Anwalt von Carina H., eine der Hauptbeschuldigten in der Educon-Affäre.

Herr Martens, Sie sind der Anwalt von Carina H., eine der Hauptbeschuldigten in der Educon-Affäre. Vor zwei Jahren kamen die Vorwürfe gegen das Unternehmen auf, kurze Zeit später gingen alle Verantwortlichen auf Tauchstation. Warum gehen Sie jetzt in die Öffentlichkeit?

Inzwischen haben die Anwälte von Educon eine gute Kenntnis der Sachlage und das Gefühl, die Vorwürfe entkräften zu können.

Bei Educon sollen Schülerzahlen gefälscht worden sein, es geht um Millionenbeträge.

Aus unserer Sicht geht es um einen öffentlich-rechtlichen Sachverhalt – nämlich die Berechnung von Schülerzahlen – , der vom brandenburgischen Bildungsministerium zu Unrecht in die Ebene des Strafrechts gezogen wurde. Hier wurde die geltende Rechtslage zumindest missinterpretiert. Dazu kommt: Behörden müssen nach Recht und Gesetz entscheiden und dabei die Verhältnismäßigkeit wahren. Als das Ministerium vor zweieinhalb Jahren die Genehmigung für drei staatlich geförderte Educon-Schulen entzogen hat, sind aber, quasi über Nacht, Fakten geschaffen worden – ohne dass Educon überhaupt in der gebotenen Form angehört worden wäre. So stellt sich dies jedenfalls nach Lage der Akten dar. Ich muss dazu sagen, dass ich während dieser Zeit noch nicht mit der anwaltlichen Vertretung von Educon betraut gewesen war. Frau H. berichtet, dass eine Schule dichtgemacht wurde, als die Schüler gerade ihre Prüfung schreiben wollten. Da wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen – und als der Spatz erlegt war, sollte er noch seine Unschuld beweisen.

Können Sie das näher erklären?

Unter anderem sollte Educon nach einer Hausdurchsuchung der Staatsanwaltschaft alle Schülerverträge vorweisen. Doch das ging nicht, weil die Akten ja bei den Ermittlern waren. Ebenso waren das bei Educon verwendete Geschäftsmodell und die damit zusammenhängende Vertragsgestaltung dem Ministerium seit Jahren bekannt, ohne dass dies Anlass für kritische Nachfragen gegeben hätte. Aus unserer Sicht hat das Ministerium die auch für Educon geltende Unschuldsvermutung verletzt und ein florierendes Unternehmen medienwirksam plattgemacht. Deswegen werden wir vom Land auch eine mindestens zweistellige Millionensumme Schadensersatz fordern, sollten sich – wovon wir ausgehen – die Vorwürfe nicht belegen lassen. Und: Nach meiner Aktenlage war die Zahl der Schüler zwar tatsächlich höher als zunächst vom Land angenommen. Dies hätte zu einer Nachzahlungsverpflichtung des Landes gegenüber meiner Mandantin geführt, die das Land Brandenburg wohl vermeiden wollte.

Das Bildungsministerium bestreitet Ihre Vorwürfe in Gänze. Tatsächlich haben auch das Verwaltungsgericht Potsdam sowie das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg die vom Ministerium verfügten Schulschließungen im Nachhinein bestätigt.

Das waren nach meiner Kenntnis aber nur Eilverfahren. In diesen kann, im Gegensatz zu einem Hauptverfahren, nicht das vollständige Beweismaterial gewürdigt werden. Und ein erstes Eilverfahren, das im April 2010 wegen des vorläufigen Zahlungstopps des Landes durchgeführt wurde, wurde auch zugunsten unserer Mandantin entschieden. Ich nehme an, so wird es auch sein, wenn in etwa zwei oder drei Jahren die Hauptverhandlungen beginnen – leider dauern die Verfahren an den Verwaltungsgerichten so lange.

Welche Beweise werden Sie vorlegen?

Unter anderem haben wir ein Gutachten beim Staatsrechtler Prof. Heinrich Amadeus Wolff von der Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder in Auftrag gegeben, das sich mit der Gesetzeslage und den Schulverträgen auseinandersetzt. Demnach hat Educon nichts falsch gemacht. Wenn der Gesetzgeber von privaten Schulen etwas anderes will oder gemeint hat, muss er sich klar und verständlich ausdrücken. Uns liegt auch eine Aktennotiz vor, wonach die damalige Justiziarin des Bildungsministeriums die für Educon geltenden Bestimmungen der Ersatzschulverordnung als problematisch ansieht und auf neue Regeln drängt.

Das Interview führte Henri Kramer

Claus-Peter Martens ist Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Verwaltungsrecht sowie Partner in der Berliner Kanzlei Rolema. Martens vertritt die ehemalige Educon-Chefin Carina H.

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