Krampnitzer Anschlussprobleme: Schlafstadt statt Modellstadt?
Ohne Tram könnte die Entwicklung des neuen Potsdamer Stadtteils blockiert werden. Noch geben sich Rathaus und Stadtpolitik hoffnungsvoll.
Potsdam - Trotz Verzögerungen bei der Planung geht das Rathaus weiter von einer Inbetriebnahme der Tram nach Krampnitz im Jahr 2029 aus. „Es bleibt das Ziel, im Dezember 2029 die Tram-Trasse vom Jungfernsee bis nach Krampnitz West in Betrieb zu nehmen“, teilte Stadtsprecherin Christine Homann den PNN am Dienstag mit. Wie berichtet könnte der Zeitplan jedoch ins Wanken geraten, weil die beiden nötigen Planfeststellungsverfahren rund ein Jahr später beginnen, als bisher von der Bauverwaltung und den kommunalen Verkehrsbetrieben kommuniziert.
Doch im Rathaus gibt man sich dennoch optimistisch, dass der Starttermin nicht erneut verschoben werden muss. „Ein späterer Start des Planfeststellungsverfahrens bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Tram-Trasse später fertig wird“, so Homann. Es sei eher Ausdruck des Bestrebens, vor dem Planfeststellungsverfahren alle formal möglichen Sachverhalte in der Entwurfs- und Genehmigungsplanung zu bearbeiten, um das Planfeststellungsverfahren damit nicht zu belasten. Schon einmal hatte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) den Termin – zunächst hatte man das Jahr 2025 angepeilt – für die Inbetriebnahme der Tram kassieren müssen.
Konzept für den Stadtteil hängt an der Tram
Wann genau die Tram den Betrieb aufnimmt, ist dabei keine Frage der Bequemlichkeit im öffentlichen Nahverkehr. Denn an der Tram hängt praktisch das gesamte Konzept für den neuen Stadtteil: Ohne leistungsfähigen Nahverkehr lassen sich die künftigen Bewohner wahrscheinlich schwer vom Verzicht auf das eigene Auto abhalten. Doch im Masterplan für das Viertel ist rechnerisch nur für jede zweite Wohnung ein Stellplatz vorgesehen. Gibt es mehr Autos, droht Parkplatzmangel.
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Und damit fangen die Probleme erst an. Wie berichtet darf Krampnitz laut den Vorgaben der gemeinsamen Landesplanung nur für eine Einwohnerzahl von 5000 entwickelt werden, solange es keine Straßenbahn in die Innenstadt gibt. Das soll ein Verkehrschaos auf den Straßen im Potsdamer Norden verhindern. Doch wenn Krampnitz länger auf diesem Niveau verharren würde, wird es schwieriger, die beabsichtigten Gewerbeansiedlungen, Handel und Dienstleistungen anzulocken. Für größeren Einzelhandel beispielsweise wäre einfach nicht genug Nachfrage vor Ort. Krampnitz bliebe eine Schlafstadt.
Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt der Stadt
Die Auswirkungen dürften sich stadtweit auf dem Wohnungsmarkt bemerkbar machen. Denn in der Analyse der Wohnungsbaupotenziale ist das Entwicklungsgebiet Krampnitz in seiner vollen Größe mit Platz für bis zu 10 000 Einwohner eingepreist. Gemeint sind damit Flächen, auf denen schon jetzt Wohnungen gebaut werden könnten und solche, die im Flächennutzungsplan dafür vorgesehen sind. Und selbst in der Variante mit 10 000 Einwohnern hatten die Flächen gerade so gereicht, um den prognostizierten Einwohnerzuwachs auszunehmen.
Demnach geht man bis zum Jahr 2030 von einem Wachstum auf 203 000 Einwohner in Potsdam aus. Das wären etwa 20 000 mehr als jetzt. In Krampnitz befinden sich laut einer Analyse des Rathauses aus dem vergangenen Jahr 33 Prozent der gesamten Potenzialfläche und sogar 53 Prozent der Bauflächen in kommunalem Besitz. Das entspricht etwa 3460 Wohnungen.
Welche Vorhaben stehen auf der Kippe?
Doch besonders diese kommunalen Flächen befinden sich hauptsächlich in der zweiten Ausbaustufe. Überwiegend dort sollten bis zu 1226 geförderte Wohnungen gebaut werden – das wäre also etwa jede vierte Wohnung in dem künftigen Stadtteil. Allein für 2032/2033 rechnet man mit der Fertigstellung von 312 Sozialwohnungen, in den Jahren 2034 und 2035 sollen weitere 268 dazukommen und von 2036 bis 2038 noch einmal 408 Sozialwohnungen. Sie sollten Potsdams angespannten Wohnungsmarkt entlasten. Jedes Jahr Verzögerung ist also auch ein soziales Problem.
Die Frage, welche Vorhaben nun möglicherweise auf der Kippe stehen, möchte man im Rathaus nicht beantworten. „Spekulationen über theoretische Sachverhalte stellen wir nicht an“, hieß es auf PNN-Anfrage. Die geplante weiterführende Schule sei aber nicht betroffen. Die Fertigstellung der weiterführenden Schule im Zeitraum 2027/2028 sei Bestandteil der ersten Ausbaustufe Krampnitz 5000 und stehe deshalb nicht mit der Realisierung der Tram-Trasse nach Krampnitz in Verbindung, teilte das Rathaus mit.
„Wir brauchen diese Straßenbahn“
In der Stadtpolitik ist man von der Verzögerung im Planungsverfahren nicht gerade überrascht. Wichtig sei, dass es ordentlich durchgeführt werde, sagte die Stadtverordnete Tina Lange (Linke) den PNN. „Wir brauchen diese Straßenbahn.“ Ohne sie könne Krampnitz nicht der beabsichtigte Stadtteil der kurzen Wege werden. Sie hoffe, dass der Wohnungsbau nicht verzögert werde.
Auch der CDU-Stadtverordnete Wieland Niekisch hofft, dass der Zeitplan für die Inbetriebnahme der Tram eingehalten wird. Sollte das nicht gelingen und sich der Wohnungsbau in Krampnitz dadurch verzögern, müsse die Stadt andernorts Alternativen suchen. Er rate dazu, Konfrontationen mit den Anwohnern, dem Ortsbeirat Neu Fahrland und örtlichen Bürgerinitiativen abzubauen.
Wie berichtet wurden bereits Klagen gegen die Tramtrasse angekündigt. Nach Angaben von Ortsvorsteherin Carmen Klockow (Bürgerbündnis) sind von Anwohnern in Neu Fahrland mehr als 150 000 Euro Spenden angekündigt, mit denen man juristische Auseinandersetzungen finanzieren wolle.