Triathlon in Potsdam: Rasend schnell
Lisa Tertsch ist mit einer Siegesserie in die Triathlon-Weltspitze gerückt. Beim WM-Rennen in Hamburg startet sie aber nicht. Stattdessen wollen ihre Potsdamer Teamkollegen für Furore sorgen - allen voran Laura Lindemann.
Sie nennt es eine „nette Siegesserie“. Da ist der Gewinn des Triathlon-Weltcup-Rennens vor anderthalb Wochen in Antwerpen, vergangenen Sonntag der Sieg beim Sprintrennen im Europacup im niederländischen Holten, genauso wie Mitte Juni in Dnipro in der Ukraine. „Ich habe darauf gehofft und ganz unrealistisch ist es auch nicht“, sagt Lisa Tertsch. Die Darmstädterin, die in Potsdam mit U23-Bundestrainer Ron Schmidt in der Gruppe um Deutschlands Top-Triathletin Laura Lindemann trainiert und für das hiesige Bundesligateam startet, strotzt derzeit vor Selbstbewusstsein.
„Ich weiß, dass ich gut laufen kann“, sagt die 20-Jährige, die in der Tat ihre letzten Rennen auf der Laufstrecke entschied. In Antwerpen zeigte sie das eindrucksvoll, als sie die abschließenden fünf Kilometer in 16:49 Minuten absolvierte und ihre ebenso laufstarke Trainingsgefährtin Laura Lindemann auf den zweiten Platz verließ – allerdings ist die Potsdamerin nach längerer krankheitsbedingter Pause noch nicht bei ihrer absoluten Leistungsfähigkeit. Doch mit ihrer Laufstärke wird Lisa Tertsch auch künftig eine ernst zu nehmende Konkurrentin in der internationalen Triathlonszene sein. Bei einem Bahn-Meeting Ende April in Philadelphia lief sie die 5000 Meter in 16:03,15 Minuten, womit sie die Norm des Deutschen Leichtathletikverbandes für die U23-Europameisterschaften erfüllt hat und aktuell auf Rang fünf der Jahresbestenliste der deutschen Langstreckenläuferinnen steht. Tatsächlich hatte sie die Wahl. Laufen oder Triathlon – sie hat sich für den Dreikampf entschieden. „Früher hätte ich gesagt, dass ich eine Sportlerin bin, die auch gut schwimmen und Radfahren kann. Heute bin ich Triathletin, die auch gut laufen kann“, sagt sie.
Auch wenn sie Ron Schmidt darin bestärkt habe, sich auf den Triathlon zu konzentrieren, war es allein ihre Entscheidung. „Man muss das machen, was man selbst möchte. Nur dann funktioniert es“, sagt sie mit absoluter Klarheit. Und Ron Schmidt gebe ihr die nötigen Freiheiten, „er presst mich nicht in ein festes Korsett“. Das würde bei der 20-Jährigen ohnehin nicht funktionieren, denn Sport steht trotz der aktuellen Erfolg und der hoffnungsvollen Perspektive nicht an erster Stelle. „Mein Studium hat oberste Priorität“, sagt sie. Verständlich, schließlich studiert sie an der renommierten Harvard-Universität in Boston im Hauptfach Economics (Wirtschaft) und im Nebenfach Evolutionärbiologie. „Das Studium gibt den Rahmen vor“, sagt sie, das Training ordnet sich unter. Dennoch absolviert sie ein bis zwei Trainingseinheiten täglich. Dass sie „viel und hart“ trainiert hat, belegen ihre derzeitigen Wettkampfresultate. Von Mai bis August hat die Uni Sommerpause, „sodass ich meinen Fokus einfach mal zu 100 Prozent auf den Sport lenken kann“, erklärt Tertsch ganz pragmatisch ihre gegenwärtige Verfassung.
Sie würde lügen, wenn sie nicht an die Olympischen Spiele 2020 in Tokio denke. „Aber das steht nicht im Vordergrund“, betont sie. Sie messe ihren Erfolg nicht an einer Olympia-Teilnahme. „Ich möchte mit dem Sport insgesamt eine tolle Zeit haben, den ganzen Weg genießen“, sagt sie.
Für Bundestrainer Ron Schmidt ist Lisa Tertsch natürlich eine Kandidatin für ein Olympiaticket. „Wir versuchen sie in Position zu bringen“, sagt er. Beim Weltcup in Karlovy Vary Ende August ist ein Start geplant, um nötige Punkte für die Olympia-Qualifikation zu sammeln.
Zunächst stellt sich die deutsche Triathlon-Elite am kommenden Wochenende in Hamburg im Rahmen der Word-Triathlon-Serie (WTS) der internationalen Konkurrenz. Neben dem Sprint-Wettkampf am Samstag wird am Sonntag in der Hansestadt auch die Mix-Staffel-Weltmeisterschaft ausgetragen, die es im kommenden Jahr erstmals auch bei den Sommerspielen geben wird. Lisa Tertsch ist in Hamburg nicht dabei, aber Laura Lindemann und Nina Eim sowie Lasse Lührs vom Verein Triathlon Potsdam. Letzterer studiert und trainiert nun bereits seit drei Jahren im spanischen Alicante in einer internationalen Trainingsgruppe. „Er fühlt sich sehr wohl dort“, sagt Ron Schmidt über seinen einstigen Schützling, der für eine Olympia-Teilnahme „langsam punkten müsste, denn im deutschen Männerbereich tut sich einiges“.
Für Laura Lindemann indes ist der Fahrplan und das Training ganz klar auf Tokio 2020 ausgerichtet. Die Sorgenfalten, die es nach dem WTS-Rennen in Yokohama im Mai gab, haben sich geglättet. Ein vereiterter Backenzahn machte der 23-Jährigen zu schaffen, was mit Antibiotika behandelt werden musste. Hinzu kam ein Magen-Darm-Infekt, „sodass wir gut fünf Wochen verloren haben“, erklärt Schmidt. Daher war er mit dem Auftreten und dem zweiten Platz in Antwerpen ganz zufrieden. „Hamburg ist entscheidend“, betont der Auswahltrainer. Im vergangenen Jahr wurde sie an der Alster in einem packenden Rennen Zweite.
Anschließend geht es in ein mehrwöchiges Höhentrainingslager in die italienischen Alpen. Das Domizil wird in über 2000 Metern Höhe sein, trainiert wird in etwas tieferer Lage. „Wir wollen das Modell der Höhenkette ausprobieren“, so Schmidt. Anschließend wird Laura Lindemann am 3. August nach Tokio fliegen zu einem vorolympischen Testwettkampf, während Lisa Tertsch versuchen wird, ihrer „netten Siegesserie“ eine weitere Folge hinzuzufügen. Peter Könnicke
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