PNN-Wahl-Serie | Grünen-Direktkandidatin Annalena Baerbock: Professionelle Nähe auf dem Bassinplatz
Die PNN begleiten die sechs Potsdamer Direktkandidatinnen und -kandidaten der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien bei einem Wahlkampftermin vor Ort. Heute: Annalena Baerbock (Grüne) in der Innenstadt.
Potsdam - Der Auftritt von Annalena Baerbock auf dem Bassinplatz ist sorgfältig durchorchestriert. Kaum etwas scheint dem Zufall überlassen. 3G, geplant, getaktet, gecheckt. Es wird schnell klar: Hier tritt ein Politprofi auf – der empfangen wird wie ein Popstar. Jubel, Klatschen und Fähnchen, als „die Annalena“, wie es bei der Veranstaltung heißt, die Bühne betritt. Autogrammstunde und Selfies am Metallzaun am Ende, begleitet von einer instrumentalen Liveversion von „Don't worry, be happy“. Da passt es ins Bild, dass Michael Kellner, auf Listenplatz zwei der Grünen in Brandenburg, sich selbst als „Vorband zur grünen Kanzlerkandidatin“ bezeichnet.
Vor der Show ins Testzelt
Trat sie zum Wahlkampfauftakt im Juni noch in dem verhältnismäßig kleinen Teilstück der Brandenburger Straße Richtung St. Peter und Paul auf, hatten die Grünen am Dienstag eine mit Kunstrasen bedeckte runde Bühne auf der anderen Seite der Kirche mitten auf dem Bassinplatz aufgestellt. Mehrere Hundert sind gekommen, um die Kanzlerkandidatin und Direktkandidatin im Wahlkreis 61 zu sehen, eine Gebärdendolmetscherin übersetzt.
Während nebenan Skater ihre Runden drehen, Jugendliche auf großen Kissen abhängen und ihr Bierchen trinken, zeigen die Besucher von „Frag Annalena“ ihre Impf- oder Genesenennachweise oder stellen sich im Testzelt an und holen sich im Vorbeigehen gleich noch eine grüne Postkarte.
Es sind viele Jugendliche gekommen, manche mit Plakaten, die sie auch bei den Friday-for-Future-Demos trugen. Aber auch Familien mit Baby in der Trage und Senioren mit Hund. Und viele Journalisten. Eine ganze Reihe von Fernsehkameras steht auf einem Podest, auch ein spanischer Sender ist da, dazu Fotografen und Printredakteure mit Notizbüchern.
Rechte Störer lässt sie links liegen
Auf der Bühne spricht Baerbock frei, rhetorisch sicher, lässt Pausen für Zwischenapplaus. Auch von einer kleinen Gruppe Störer aus der rechten Ecke lässt sie sich nicht aus dem Konzept bringen. Mit Megafon und Trillerpfeife machen diese neben der abgesperrten Fläche auf sich aufmerksam. Dann fährt einen Lastwagen der rechtsextremen Zeitschrift Compact mit der Aufschrift „Grün, grün, grün, sind alle deine Lügen!“ vor und bleibt gut sichtbar stehen.
Baerbock beachtet sie nicht weiter. Sie spricht über große Themen der Bundespolitik, Wohnen, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz, Afghanistan. Eine besonders lange Applauspause muss sie lassen, als sie über die Aufnahme der Ortskräfte spricht. „Wir haben Platz, wir können Menschenleben retten“, ruft sie.
Fragen zur Raststätte Havelseen
Die Potsdamer Themen streift sie eher im Vorbeigehen. Die Mieten seien auch „in unserer Stadt eine Frage tiefer sozialer Ungerechtigkeit“, so Baerbock. Auch die Fragen aus dem Publikum, vorab schriftlich eingesammelt, beziehen sich größtenteils auf Bundesthemen wie Rente oder Elektroautos. Erst bei einer der drei Fragen, die Zuschauer direkt am Mikrofon stellen können, wird es lokaler: Eine Frau will wissen, was Baerbock gegen die geplante Deponie in der Fresdorfer Heide machen wolle.
Wichtig sei, so Baerbock, dass die Grundlage der Behörden vor Ort von unabhängigen Gutachtern komme. In ihrer Antwort wendet sich die Direktkandidatin auch an die Mitglieder der Bürgerinitiative Potsdamer Norden in leuchtgrünen T-Shirts, die sich gegen den Bau der Raststätte Havelseen engagieren. Es brauche eine Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplanes, „damit wir jetzt keine neuen Flächen mehr versiegeln“.
Seitenhieb auf Armin Laschet
Die meisten Besucher muss sie nicht mehr überzeugen. Sie spricht vor Fans, um im Konzertbild zu bleiben. Ihre Kontrahenten erwähnt sie kaum. „Die Herren von der Groko“, sagt sie einmal, stünden für ein „Weiter so“. Statt direkter Angriffe verwendet sie Worte wie gemeinsam oder zusammen, spricht vom Aufbruch, benutzt eine Wendung, die wohl Seitenhieb auf das Schlussstatement des CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet beim TV-Triell sein soll. Er wolle sich gegen den Wind der Veränderung stellen, hatte dieser gesagt. Baerbock hält entgegen: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel setzen.“
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Zum Abschied dreht Baerbock eine Runde vor der Bühne, unterschreibt Karten, beantwortet Fragen. Begleitet von ihren Personenschützern, belagert von den Kameras. Baerbock mit einem Rollstuhlfahrer, im Gespräch mit einer Frau mit Baby im Arm. Auch diese Bilder wirken kalkuliert, sie vermitteln Zugewandtheit – die Nahbarkeit eines Politprofis.
Am Freitag lesen Sie: Tim Krause (AfD) in der Innenstadt.
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