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Beim Gespräch vor dem Potsdamer Schillertreff in seinem Wahlkreis gab sich Olaf Scholz nahbar.
© Marion Kaufmann

PNN-Wahl-Serie | SPD-Direktkandidat Olaf Scholz: Gut Wetter im Dauerregen

Die PNN begleiten die sechs Potsdamer Direktkandidatinnen und -kandidaten der derzeit im Bundestag vertretenen Parteien bei einem Wahlkampftermin vor Ort. Heute: Olaf Scholz (SPD) in Potsdam-West.

Potsdam - Die SPD lässt die Bürger im Regen stehen. Pünktlich kurz nach zwölf Uhr am Sonntagmittag öffnet der Himmel seine Schleusen. Es schüttet wie aus Badewannen auf die Terrasse des Schillertreffs der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Potsdam-West. Olaf Scholz rettet sich unter einen roten Sonnenschirm mit Parteilogo. Als der nicht mehr dicht ist, hält SPD-Ortsvereinsvorstand Andreas Schlüter zusätzlich einen transparenten Regenschirm über den Kanzlerkandidaten, der bei der Bundestagswahl am 26. September im prestigeträchtigen Wahlkreis 61 das Direktmandat für seine Partei verteidigen will. 

Einige Zuschauer auf den Bierbänken, Rentner vor allem, haben Regenjacken und Schirme dabei. Andere stehen ungeschützt vor dem Generationentreff im Schillerkiez, trotzen dem Starkregen. Wenn jetzt Rudi Carrells „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?“ vom Band laufen würde – das Setting wäre perfekt.

Mit Allwetterjacken und Regenschirm wurde dem SPD-Kanzlerkandidaten am Awo-Schillertrefff zugehört.
Mit Allwetterjacken und Regenschirm wurde dem SPD-Kanzlerkandidaten am Awo-Schillertrefff zugehört.
© Marion Kaufmann

Doch Schuld am Wetter gibt der SPD niemand. Es sind andere Themen, die bewegen. Im Vorfeld habe man Fragen „eingesammelt“, kündigt Schlüter an. Aber es wirkt so, als wäre die Eingangsfrage von einem Parteistrategen aufgeschrieben worden, als lokales Warm-up für Scholz. Wie er gewährleisten wolle, dass er in Regierungsverantwortung weiter etwas für den Wahlkreis, zu dem neben Potsdam auch Teile Potsdam-Mittelmarks und Teltow-Flämings gehören, tun könne. 

Scholz sagt das, was er schon öfter gesagt hat bei solchen Gelegenheiten. „Ich bin auch der Abgeordnete des Wahlkreises. Es wird immer Möglichkeiten für Gespräche geben.“ So habe er das schon gehandhabt, als er Arbeitsminister und später Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen sei.

Weltpolitik statt Potsdamer Klein-Klein wird abgefragt

Aber die spontanen Fragen, die auf ihn niederprasseln, drehen sich gar nicht um das Potsdamer Klein-Klein, um Garnisonkirche, Rechenzentrum, Behlertstraße, Verkehrsinfarkt. Es ist die große Weltpolitik, die auf den 63-Jährigen einstürzt, mitten im von Polizisten bewachten Hof der Siedlung der Wohnungsbaugenossenschaft Potsdam-West. Afghanistan. Immer wieder geht es um die Lage nach der Machtübernahme der Taliban. Die Potsdamer sind hier, das wird deutlich, weil sie die Gelegenheit nutzen wollen, den Vizekanzler zu sprechen. Ein junger Potsdamer aus Afghanistan mit deutscher Staatsbürgerschaft wendet sich verzweifelt an Scholz. 

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Seine Frau sei noch in Kabul, er wolle sie zu sich holen – und scheitere an der deutschen Bürokratie. Ob Scholz helfen könne. Der verteidigt in seinem typischen Wahlkampfoutfit – dunkle Anzughose, weißes Hemd – erst einmal den Auslandseinsatz als Folge von 9/11. „Es war richtig, dass damals interveniert wurde.“ Nun richteten sich die Bemühungen der Bundesregierung darauf, „dass wir diejenigen am Flughafen nach Deutschland kriegen, die jetzt Schutz brauchen.“ 

Das hilft dem jungen Deutsch-Afghanen mit seinen konkreten Sorgen um seine Frau nicht weiter. Aber Scholz, der nur kurz ungeduldig wirkt, weil er weitermachen will, alle Fragesteller zu Wort kommen lassen will, weist ihn nicht ab, sondern weiter an seinen Wahlkampfmanager, der sich die Kontaktdaten notieren werde. Dann wolle man schauen, was man tun könne, sagt Scholz und lobt mehrfach „die Tapferen“, die trotz des Dauerschauers ausharren.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz trifft auf SPD-Oberbürgermeister Mike Schubert (l.).
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz trifft auf SPD-Oberbürgermeister Mike Schubert (l.).
© Marion Kaufmann

Die Bürger, sie bleiben, auch wenn es ungemütlich ist, aber die Chance, Scholz hautnah zu erleben und nicht auf großer Bühne ist einfach zu gut. Der Kanzlerkandidat ist nahbar, trotz Personenschützer neben sich, lässt die Bürger auf Corona-Abstandslänge an sich heran. Viele, die zum Schillertreff gekommen sind, treibt auch die Frage nach der Rente um. Höheres Renteneintrittsalter lehne er ab, genauso die Option, Beamte in die Rentenkasse einzahlen zu lassen. Das sei ein „Nullsummenspiel“, sagt Scholz, schließlich würden die Staatsdiener dann auch wieder Geld herausbekommen. Als eine Seniorin eine konkrete Frage zur Anrechnung ihrer DDR-Opferrente stellt, muss der SPD-Politiker passen. Das persönliche Anliegen der Frau kommt auch auf den Zettel des Parteimitarbeiters.

Eine Vertreterin der Reichen-Initiative „Tax me now“, die Vermögens- und Erbschaftssteuern für ihresgleichen fordert, überreicht Scholz ein Plakat. „Kennen Sie uns?“, fragt die Frau. „Ja“, sagt der Finanzminister. „Jetzt flunkert er aber“, sagt die Frau. „Nein“, beteuert Scholz und grient kurz. „Ich lese ja Zeitung“, macht er schnell gut Wetter und gibt noch ein paar Autogramme unterm Sonnenschirm. Als der Termin nach mehr als einer Stunde beendet ist, hört der Regen auf. Scholz ist nur ein bisschen nass geworden.

Am Donnerstag lesen Sie: Linda Teuteberg (FDP) in Babelsberg.

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