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Der Blaue Salon mit Elefantentapete.
© Andreas Klaer

Villa Kellermann in Potsdam: Probeessen mit Glücksklee

Ab dem 25. September kann man in der Villa Kellermann am Heiligen See wieder speisen. Presse und Gastrokritiker durften schon mal vorkosten - Gastgeber waren Günther Jauch und Tim Raue persönlich.

Es ist angerichtet: Nach etwa zehn Jahren Leerstand unter Beobachtung einer interessierten Bürgerschaft wird die Villa Kellermann, in der zuletzt Maximilian Dreier italienisch kochte, wieder öffentlich zugänglich.  Ab dem 25. September hat das Restaurant unter der Regie von Tim Raue regulär geöffnet – das mittlerweile neunte des Berliner Sternekochs. Am Freitagabend fand ein Pre-Opening inklusive Vorkosten für Pressevertreter statt. Etwa 40 Journalisten und Beobachter der deutschen Genuss- und Gastro-Szene durften im Grünen Salon Platz nehmen.

Die gut gelaunten Gastgeber waren komplett und nahmen sich Zeit für die Gäste. Eigentümer und Nachbar Günther Jauch hatte lange Zeit ein Geheimnis aus dem Projekt gemacht. „Ich spreche erst darüber, wenn die Dinge für mich feststehen“, sagte er den PNN.  Geschäftsführer ist Manfred Dengel, der in Potsdam Jauchs Immobilien verwaltet, Restaurantleiterin ist Patricia Liebscher und Tim Raue fungiert als "Kulinarischer Berater", so der offizielle Titel.

Kochen wird er hier eher selten. „Ich werde hier keine Kartoffeln schälen“, sagt Raue. Das übernehmen sechs Kollegen unter Leitung des Küchenchefs Christopher Wecker. Die beiden kennen sich seit acht Jahren, Wecker begann als Jungkoch für Raue zu arbeiten. „Wir können gut miteinander“, sagt Wecker. Bei der Karte habe Raue das letzte Wort, aber „wenn ich eine Idee habe, dann entwickeln wir das gemeinsam“.  Das Team hat bereits vor einiger Zeit die Küche in Betrieb genommen. „Es dauert etwa vier bis fünf Wochen, bevor sich alle Abläufe eingespielt haben.“ Im Service arbeiten fünf Mitarbeiter, hier werde noch Verstärkung gesucht.

Die Villa Kellermann am Ufer des Heiligen See in Potsdam.
Die Villa Kellermann am Ufer des Heiligen See in Potsdam.
© Andreas Klaer

Anreise und Empfang sind derzeit noch etwas abenteuerlich. Es geht durch einen Bauzaun und die Außenanlagen sind noch im Entstehen. Im nächsten Sommer sollen bis zu 50 Gäste beide Terrassen, im Garten sowie am Haus, nutzen dürfen. Drinnen: Opulenz von Barock bis Pop. Man hat viel zu schauen, von der handgetupften preußisch-blauen Elefantentapete bis zu den Polstermöbeln mit Waldtier-Motiven.  Im beigen Zimmer blickt Friedrich der Große von der Wand – ein Bild von Andy Warhol. Die vier Salons nehmen die ganze Rückseite der Beletage ein, wo der Blick auf den Heiligen See und das Ufer des Neuen Garten hinausgeht. Inklusive Sonnenuntergang.

Und wenn später Gastroexperten beim Begutachten des Menüs darüber sinnieren, ob hier das Produkt oder die Verarbeitungskünste der Mannschaft im Mittelpunkt stehen, so sei vorhergesagt: Es ist das Haus, dem hier der erste Platz gebührt.

Es war immer ein toller Ort, immer ließ es sich gut leben, arbeiten, tagen, essen oder feiern. Diese Aura samt der Erinnerungen vieler Potsdamer an manchmal recht wilde Zeiten ist geblieben, auch wenn vieles jetzt anders ist. „Wem es gefällt, der wird wiederkommen, wem nicht, der nicht“, sagte Jauch den PNN. Das sei doch ganz normal. Die Nachbarschaft jedenfalls freue sich auf das neue Angebot. Für die kommenden Wochen gäbe es schon viele Reservierungen, sagt Restaurantleiterin Liebscher. Auch an den Weihnachtsfeiertagen soll geöffnet sein.

Was kommt auf den Tisch? Raue hatte Hausmannskost mit modernem Touch angekündigt, beispielsweise Königsberger Klopse. „Wie von Großmutter.“ Das Presse-Menü „Der Gedeckte Tisch“ will Einblick geben in das, was die Küche kann und dabei auf jeden Fall familiäre Gemütlichkeit assoziieren. Mit eingelegten Gürkchen, Zwiebelchen und Leberwurstdip zu frischem Brot wird der Gast begrüßt, und beinahe hätte man gedacht, dass es so hausbacken weiter geht, aber dann folgt das Vorspeisen-Potpourri. Garnelencocktail, ein Viertelchen Kopfsalat mit scharf-säuerlicher grüner Soße, rosa Makrele auf gebeiztem Apfel und fruchtigen rosa Kügelchen, sowie Entenleberterrine Sanssouci, die am Tisch eine Diskussion über politisch korrekte Produkte auslöst. Alles in allem viele kleine schnuckelige Schälchen, in denen viel Arbeit steckt. Das hätten sich seinerzeit vermutlich nur wenige Großmütter angetan, heute vertreibt es angenehm die Zeit. Die Weinbegleitung stammt vom Weingut der Familie Jauch. Ein 2012er Riesling von Othegraven. Der ist zum Feiern exklusiv, auf der späteren Karte werde sich Wein von Othegraven neben anderen Sorten finden.

Ihm gehört die Villa Kellermann: Der Potsdamer TV-Moderator Günther Jauch beim Pressedinner.
Ihm gehört die Villa Kellermann: Der Potsdamer TV-Moderator Günther Jauch beim Pressedinner.
© Andreas Klaer

Die Hauptspeise wird als Gulasch angekündigt. Raue persönlich läuft mit glänzendem Kupferpfännchen von Tisch zu Tisch. Und sammelt gleich mal die Messer ein: Es wäre grausam, fleht er, damit das Fleisch zu bearbeiten. Das zerfällt tatsächlich beinahe von selbst, ist aber eben kein Gulasch, sondern ein 16 Stunden lang sous vide geschmortes Rinderbäckchen. Dazu auffällig homogenes Süßkartoffelpüree, ein Häuflein feinste Paprikaschnitze und ein Klecks Sauerrahm – ein reines Löffelgericht, das polarisiert: Der eine findet die Zartheit des Fleischs orgiastisch, ein anderer langweilig.

Tim Raue im Foyer der Villa Kellermann.
Tim Raue im Foyer der Villa Kellermann.
© Andreas Klaer

Das Dessert kann nicht alle Testesser am Tisch versöhnen. Die Joghurt-Mousse wird auf Zutaten wie Gelatine untersucht und als sehr Retro bewertet. Das Holunder-Ingwer-Eis begeistert indes. Die Deko besteht aus einer Ummantelung von hauchdünnen Traubenscheibchen, von geduldigen Köchen vermutlich mit Pinzetten montiert, und herrlich grünen Sauerampferblättchen. Natürlich nicht der räudige von der Wiese, sondern Sorte Oxalis, sagt Raue. Ein Blick ins Wörterbuch offenbart: nichts mit Sauerampfer, Oxalis ist Glücksklee, das erkennt man dann auch wieder. Aber so oder so, es bringt den Abend gut zu Ende.

Das Entrée der Villa Kellermann.
Das Entrée der Villa Kellermann.
© Andreas Klaer

Raue ist zufrieden. Jauch auch. Er wünscht sich, dass es ein Haus für alle wird, Nachbarn, Potsdamer, Berliner und Touristen. Auch für alle Geldbeutel. Raue wirbt mit Preisen ab neun Euro, das gilt allerdings nur für Vorspeisen. Die Hauptgerichte liegen zwischen 26 und 28 Euro, das Menü gibt es für 56 Euro. Viermal im Jahr soll die Karte der Saison angepasst werden. Los geht’s im Herbst mit Kabeljau, Kürbissuppe, Pichelsteiner Eintopf und Kartoffeln, Spinat und Ei. Klingt wie Schulspeisung, wäre da nicht die letzte Zutat: Trüffel.

Mangerstraße 34, geöffnet Mittwoch bis Sonntag 18 bis 21.30 Uhr, Samstag und Sonntag 12 bis 14.30 Uhr. www.villakellermann.de

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