"Verstoß gegen das Gesetz": Potsdams Berechnungsgrundlage für Kitabeiträge in der Kritik
Ein Paukenschlag – vor dem schon gewarnt wurde: Das Bildungsministerium hält die Kitagebühren der Stadt für nicht rechtens. Was ist passiert?
Potsdam - In der nun seit Herbst 2017 andauernden Debatte über falsch berechnete Kitagebühren in Potsdam ist es ein neuer Paukenschlag: Aus Sicht des brandenburgischen Bildungsministeriums verstoßen auch die seit vergangenem Sommer geltenden Krippen-, Kita- und Hortgebühren der Stadt gegen Gesetzesvorschriften. So steht es in einem internen Protokoll, das nach einem Gespräch zwischen Ministerium und Jugendamt angefertigt wurde. Und auch auf Nachfrage bleibt das Ministerium bei seiner Position. Die PNN beantworten die wichtigsten Fragen zum neuen Kitagebühren-Streit.
Was genau moniert das Ministerium?
Das den PNN vorliegende Protokoll wertet ein Gespräch vom 12. Dezember 2018 aus, Wortführer für das Ministerium war demnach der Justiziar Reinhard Wilms aus der Kitaabteilung der Behörde und für die Stadt die Chefin für Kindertagesbetreuung, Kerstin Elsaßer. Aus ihrer Sicht lief das Gespräch nicht gut: Denn Wilms stellte eine zentrale Berechnungsgrundlage der seit vergangenem Sommer geltenden Kitabeiträge infrage. Die von der Stadt Potsdam für alle privaten Kitaträger empfohlene Beitragstabelle zieht als eine Berechnungsgrundlage auch den Durchschnittswert der Betriebskosten aller Kitas der Stadt heran.
Das Ministerium findet das unzulässig. Man müsse sich an den Durchschnittswerten der einzelnen Kitaträger orientieren, macht Wilms laut dem Protokoll klar. Denn mit der bisherigen Praxis bestehe die Gefahr, dass in einer Einrichtung, die niedrige Betriebskosten hat, im Verhältnis zu hohe Elternbeiträge gezahlt werden: Zu solch einer „Überschreitung“ dürfe es nicht kommen, so das Ministerium. Und: Man verstehe zwar die Beweggründe für die gefundene einheitliche Beitragstabelle in Potsdam, „jedoch liegt ein Verstoß gegen das Gesetz vor“. Dieser müsse „auch rückwirkend geheilt/ behoben werden“ – ein „Nichthandeln könnte/ würde kommunalrechtliche Folgen nach sich ziehen“, so das Protokoll.
Diese Position hat das Ministerium auf PNN-Nachfrage bekräftigt. „Das Protokoll gibt die Rechtslage korrekt wieder“, teilte ein Sprecher mit. Man führe mit der Stadt dazu weitere Gespräche. Ziel sei es, zu gewährleisten, „dass in Potsdam nur Elternbeiträge erhoben werden, die dem Kitagesetz entsprechen“. Doch gemäß der aktuellen Elternbeitragsordnung liegen die durchschnittlichen Platzkosten in Potsdam teilweise eben unter den berechneten Höchstbeiträgen der Stadt – genau dies bemängelt das Ministerium, weil damit die Gebühren für die Eltern zu hoch ausfallen. Davon besonders betroffene Kitaträger sind etwa der Internationale Bund, das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF), aber auch kleinere Betreiber wie der Treffpunkt Fahrland.
Wer hat Schuld an den neuen Querelen?
Die Stadt sagt: das Land. Es vertrete nun eine Position, „die der jahrzehntelangen fachaufsichtlichen Praxis des Jugendministeriums“ widerspreche, sagte ein Rathaussprecher. Doch an diese bisherige Rechtsauffassung des Ministeriums habe sich Potsdam bei der Festsetzung der Gebühren gehalten – zumal so auch viele andere Kommunen in Brandenburg agieren würden. Halte das Land an seiner neuen Sichtweise fest, bestehe die Gefahr, dass es überall in der Mark keine einheitlichen Beiträge mehr geben könnte. „Die Platzwahl für die Kinder darf aber nicht von der Finanzkraft der Eltern abhängig sein“, sagte der Rathaussprecher.
Allerdings gab es schon kurz nach dem unter dem damaligen Sozialdezernenten und heutigen Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) gefassten Gebühren-Beschluss erste Warnungen, dass es erneut Probleme geben könnte. So hatte die frühere Sprecherin des Kita-Elternbeirats, Wiebke Kahl, bereits in einer Sitzung des Jugendhilfeausschusses am 30. August 2018 auf die jetzt auch vom Land beanstandeten Passagen hingewiesen. Schon in der Beratungsphase habe man mehrfach auf diesen Umstand hingewiesen, wie es im Protokoll dieser Sitzung heißt. Das Vorgehen verstoße „gegen geltendes Recht“, so Kahl damals. Der Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses, David Kolesnyk (SPD), erklärte dazu laut Protokoll, es gebe doch einen Beschluss der Stadtverordneten zu den Gebühren: „Dadurch zahlen dann auch einige Eltern mehr.“
Was bedeutet das für die Rückzahlung der zu hoch angesetzten Elternbeiträge?
Die Antwort auf diese Frage ließ das Potsdamer Rathaus zunächst offen. Man prüfe die genauen Folgen und sei ohnehin in Abstimmungen mit dem Ministerium. Doch hinter vorgehaltener Hand hieß es, angesichts der Auffassung des Ministeriums sei derzeit vieles unklar. Im schlimmsten Falle müsse das Rückzahlungspaket, für das die Stadt derzeit mit 45 Millionen Euro kalkuliert, noch einmal geöffnet und neu berechnet werden – und zwar nicht mehr nach stadtweiten Durchschnittswerten, sondern abgestuft nach den einzelnen Kitaträgern, was das schwierige Unterfangen weiter verkomplizieren dürfte.
Denn die nun strittige Berechnungsmethode war auch in der früheren Beitragsrechnung enthalten. Ebenfalls müsste die jetzt zuständige Bildungsdezernentin Noosha Aubel (parteilos) eine Regelung für das zweite Halbjahr 2018 und das erste Halbjahr des laufenden Jahres finden – und vermutlich auch mitten im Kommunal- und Landtagswahlkampf eine neue Beitragstabelle aus dem Boden stampfen. Und zwar in Abstimmung mit den privaten Trägern der mehr als 100 Kitas der Stadt.
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