Nach Skifahrt nach Südtirol: Potsdamer Schüler müssen in Quarantäne
Amtsärztin ordnet Coronatest für 70 Schüler und ihre 17 Betreuer sowie für die Busfahrer an. Bis die Ergebnisse vorliegen, ist häusliche Isolation für alle Pflicht.
Potsdam - Vom Klassenausflug in Südtirol müssen sie direkt ins Klinikum: 70 Potsdamer Schüler und ihre 17 Betreuer und die Busfahrer müssen sich unmittelbar nach ihrer am Samstag erwarteten Rückkehr auf eine Corona-Infektion testen lassen und danach in Quarantäne. Das teilte die Chefin des Gesundheitsamts, Kristina Böhm, am Donnerstag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz mit. Mit ersten Ergebnissen rechne man 48 Stunden nach den Tests. Doch erst, wenn alle Tests negativ seien, werde die häusliche Isolation ( Infokasten unten) komplett aufgehoben. Sei auch nur ein Test positiv, müssten alle bis zum 21. März in Quarantäne bleiben, sagte Amtsärztin Böhm.
Erkältungssysmptome bei mindestens 14 Schülern
Die Schüler aus den Klassenstufen Stufen 11 bis 13 des Leibniz-Gymnasiums am Stern, der Voltaire-Gesamtschule in der Innenstadt und der privaten Nobel-Schule in der Waldstadt befinden sich nach Angaben der Stadt seit Sonntag in einem Hotel im Örtchen Lappach in Südtirol. Nachdem über ein Dutzend Jugendliche an Erkältungssymptomen und einige auch an Fieber litten, mindestens einer schon vor der Abreise, stiegen die Sorgen von Eltern der Schüler. Inzwischen gehe es den meisten Schülern wieder besser, teilten Amtsärztin Böhm und auch die Nobel-Schule mit. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO beträgt die Inkubationszeit des Coronavirus im Durchschnitt rund fünf bis sechs Tage, es sind jedoch auch Fälle bekannt, wo sie kürzer war. Die Potsdamer Schüler waren erst am Sonntag in Südtirol angekommen.
Doch wegen der Symptome hatten sich Eltern Sorgen gemacht und darauf verwiesen, dass mehrere der nachgewiesen Corona-infizierten Deutschen zuvor in Südtirol gewesen sind. Auch der erste Corona-Patient in Brandenburg, bei dem der Erreger Sars-CoV-2 nachgewiesen wurde, hatte einen Urlaub in Südtirol verbracht. Nach den Kriterien des Robert-Koch-Instituts gilt das Urlaubsgebiet bislang nicht als Risikoregion. Daher hieß es von Eltern, deren Kinder dort sind, gegenüber den PNN auch, die Jugendlichen hätten sich möglicherweise nur eine Erkältung wegen abendlichen Feierns in zu leichter Bekleidung eingefangen. Die Aufregung empfänden sie als Panikmache, so Eltern.
Tests aufgrund "massiver Verunsicherung"
Ähnlich begründete auch Amtsärztin Böhm, dass sich die Stadtverwaltung am Mittwoch noch gegen einen flächendeckenden Corona-Test der Schüler entschieden hatte. Auch jetzt gehe man „eigentlich nicht von einer Gefährdung aus“, sagte Böhm. Doch wegen der auch durch die Medienberichte entstandenen „massiven Verunsicherung“ habe man sich am Donnerstagmorgen gegen 7.30 Uhr zu dem Test der gesamten Reisegruppe entschlossen. Dazu gebe es, angesichts der von Italien verfügten Schließung aller Schulen und Universitäten, auch eine neue Sachlage, sagte Gesundheitsdezernentin Brigitte Meier (SPD). Daher sei es wohl „nur eine Frage der Zeit“, bis auch Südtirol zum Corona-Risikogebiet erklärt werde, so Meier. Bemerkenswert war die Kommunikation der Nobel-Schule: Noch um 11.20 Uhr – also nach der Entscheidung im Rathaus – erklärte diese in einer Mitteilung, „zurzeit ist es so“, dass es keinen flächendeckenden Corona-Test geben werde. Diese Irrungen seien dem dynamischen Geschehen am Tage geschuldet, so Geschäftsführer Steffen Dietzel.
Behörden von Stadt und Land widersprechen sich
Widersprüchliche Angaben gab es dazu, wer die Probleme in Südtirol wann wem meldete. Dazu sagte Amtsärztin Böhm, den Schulen sei kein Vorwurf zu machen – für die Erkrankungen habe keine Meldepflicht bestanden. Dabei hatte das Gesundheitsministerium des Landes in Zusammenhang mit der Corona-Krise Schulen bei Klassenfahrten ausdrücklich aufgefordert, „bei Verdachts- oder Krankheitsfällen unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu informieren“. Dazu sagte Amtsärztin Böhm: Das Ministerium könne nicht das geltende Infektionsschutzgesetz des Bundes „aushebeln“.
Osnabrück holt Schüler zurück, Potsdam nicht
Keine Option, so machten es beide Frauen klar, sei ein Abbruch der Reise. So hatte die Stadt Osnabrück am Donnerstag mitgeteilt, man hole vorbeugend zum Schutz vor einer Corona-Ansteckung 55 Kinder aus einer Skifreizeit in Südtirol zurück. Am Donnerstag habe sich ein Konvoi aus mehreren Bussen und Feuerwehrfahrzeugen mit zwei Ärzten, Rettungsassistenten, Fahrern und zwei Eltern auf den Weg nach Südtirol gemacht, teilte die niedersächsische Stadt mit. Ein Kind der Gruppe habe Fieber bekommen, dann kamen weitere Kinder dazu. Daher habe man sich zur schnellstmöglichen Rückholung entschieden, so die Stadt. Ein solcher Abbruch der Reise würde die Verunsicherung noch erhöhen, so Böhm. Überdies müsse man auch die Ankunft gut vorbereiten, damit wirklich die gesamte Gruppe getestet wird. Ein Test kostet laut Stadt jeweils 150 Euro, wenn der Verdacht begründet ist, zahlen die Krankenkassen.
Täglicher Kontrollanruf während häuslicher Isolation
Damit die Schüler und ihre Betreuer im Zweifelsfall niemanden anstecken können, sollen sie direkt nach der Rückkehr ins Bergmann-Klinikum gefahren werden. „Alle Kinder, die Lehrer und auch die Busfahrer werden einen Abstrich bekommen auf das Coronavirus“, sagte Böhm. Während der anschließenden häuslichen Isolation werde das Gesundheitsamt täglich bei allen betroffenen Familien anrufen und den Gesundheitszustand abfragen. Für die betroffenen Eltern wird eine Hotline eingerichtet, die Nummer erhalten die Eltern über die Schulen. Auch eine Infoveranstaltung soll stattfinden.
Das Vorgehen bei der Isolation hängt mit einer Eigenart des neuartigen Virus zusammen. Im Anfangsstadium einer Erkrankung könne ein Test negativ ausfallen, weil sich dann manchmal noch nicht sehr viele Viren im Rachen befinden, wie der Oberarzt der Infektiologie des Klinikums „Ernst von Bergmann“ Tillmann Schumacher erklärte. So könne ein fälschlicherweise negativer Test entstehen – was dazu führen könne, dass Infizierte sich sicher fühlen und andere anstecken, sagte auch Amtsärztin Böhm.
Stadt kündigt täglichen Corona-Lagebericht an
Durch eine einheitliche Informationspolitik wolle die Stadt weitere Irritationen vermeiden, sagte die Beigeordnete Meier. Es werde einen täglichen Corona-Lagebericht geben, auch der Verwaltungsstab der Stadt unter Leitung von Meier, zu dem auch beide Krankenhäuser gehören, werde jeden Tag zusammenkommen.
Was ist Häusliche Isolation?
Eine häusliche Isolation, also die Quarantäne, bedeutet laut Amtsärztin Kristina Böhm, dass die Betroffenen „möglichst zu Hause bleiben“. Besuche seien auf „das Notwendigste“ zu reduzieren. Wer wegen unaufschiebbarer Terminen einmal hinaus muss, sollte einen einfachen Mund-Nasenschutz tragen, so die Medizinerin – vor allem, um andere Menschen zu schützen. Ärzte empfehlen, in Quarantäne-Haushalten penibel auf Hygieneregeln zu achten und regelmäßig die Hände zu waschen. Wenn zum Haushalt Eltern oder Geschwister mit Gesundheitsproblemen gehören, müsse überlegt werden, ob für diese eine Übergangsbleibe gefunden werden könne. Im aktuellen Fall hat das Gesundheitsamt die Quarantäne angeordnet.
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