COP25: Potsdamer Experten auf der Klimakonferenz
Auf der Weltklimakonferenz COP25 in Madrid sind auch zahlreiche Forscher aus Potsdam vertreten. PIK-Forscher warnen vor dramatischer Lage. IASS richtet Live-Ticker ein.
Potsdam - Wenn sich in diesen Tagen rund 25.000 Delegierte aus aller Welt zur UN-Klimakonferenz COP25 (2. bis 13. Dezember) in Madrid treffen, werden auch zahlreiche Forscher aus Potsdam dabei sein. So ist das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) seit vielen Jahren bei den Treffen vertreten, diesmal mit acht PIK-Forschern. Forscher des Potsdamer PIK haben am Freitag 6. Dezember auf der COP in Madrid einen aktuellen Report vorgestellt, wonach Wetterextreme mittlerweile zum Normalzustand würden. Milliarden von Menschen seien von solchen Risiken betroffen. In diesem Jahr ist auch das Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies e. V. (IASS) mit einer ganzen Reihe von Experten bei dem Klimagipfel mit dabei.
Globale Gerechtigkeit, Finanzen und Technologie
In der ersten Woche stellen im EU-Pavillon gleich drei IASS-Teams ihre Arbeiten vor. Eine Gruppe arbeitet beispielsweise daran, die Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen, indem die Anstrengungen zur Aktivierung des sozialen und wirtschaftlichen Nutzens des Ausbaus erneuerbarer Energien identifiziert und gefördert werden. Der aktuellen IASS Policy Brief wird ebenso präsentiert, seine Themen: globale Gerechtigkeit, Finanzen und Technologie als Voraussetzungen für einen gerechten Übergang in einen CO2-freie Zukunft.
Am 4. Dezember schon war das Potsdamer Nachhaltigkeitsinstitut IASS Mitveranstalter eines offiziellen Side Events der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) zum Thema Luftqualität und Klimaschutz. IASS-Direktor Mark Lawrence und Wissenschaftlerin Kathleen Mar widmeten sich als Gastgeber der Frage, wie kombinierte Maßnahmen in Bezug auf Luftqualität und Klima genutzt werden können, um die Klimaziele zu verbessern und zugleich zusätzliche Vorteile zu generieren.
Die Kraft der Zusammenarbeit
Direktor Lawrence nahm im Anschluss daran erneut bei einer Diskussion der UNFCCC teil. Im Mittelpunkt stand die Umsetzung des Pariser Abkommens unter solidarischer und mitfühlender Haltung sowie mit einer Politik, die Rechte – einschließlich der Menschenrechte und der Rechte indigener Völker – achtet und schützt. Am 11. Dezember wiederum wird Lawrence bei der Veranstaltung „Die Kraft der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Glaube und politischen Bewegungen“, sprechen.
Das IASS wird auch einen eigenen „Reflective & Dialogue Space“ während der gesamten zweiwöchigen Klimakonferenz in Madrid anbieten. Dieser Raum soll einen alternativen Rahmen für Treffen und Diskussionen zu den auf der COP behandelten Themen bieten. Zwei Sitzungen pro Tag sind als Reflexions- und Dialogsitzungen vorgesehen. Zum COP-Themenschwerpunkt „Climate Engineering in Wissenschaft, Gesellschaft und Politik“ wird vom IASS Matthias Honegger auf gleich drei Veranstaltungen vertreten sein. Dabei wird es um Fragen der technischen CO2-Reduktion gehen. Auch der Schutz der Ozeane steht im Fokus der Potsdamer IASS-Forscher: Der Potsdamer Meeresexperte Torsten Thiele stellt dazu auf der COP seine Empfehlungen zur Meeresklimapolitik vor.
Dramatischer als bisher angenommen
Der Potsdamer Gründungsdirektor des PIK, Hans Joachim Schellnhuber, hatte bereits vor dem Klimagipfel eine drastische Warnung ausgesprochen. Der Klimanotstand könnte dramatischer sein als bisher angenommen, schrieb er im Wissenschaftsmagazin „Nature“. Schellnhuber hatte zusammen mit einem internationalen Forscherteam neue Erkenntnisse zur Erderwärmung veröffentlicht. Diesen Erkenntnissen zufolge könnte das Klimasystem der Erde schneller kippen als bislang vermutet.
Bislang wurde angenommen, dass Kipp-Prozesse wie der mögliche Kollaps des Amazonas-Regenwaldes, das Abschmelzen Grönlands, die Störung des Golfstroms – alles Dinge, die für die globale Umwelt essenziell sind – irgendwo bei vielleicht fünf bis sechs Grad Erderwärmung liegen. „Inzwischen haben wir aber festgestellt, dass bei ein paar Kipp-Elementen das Risiko möglicherweise schon irgendwo zwischen ein und zwei Grad deutlich zunimmt. „Das muss man sich einmal vorstellen“, so Schellnhuber, „wir haben jetzt schon über ein Grad Erderwärmung. Das heißt, wir sind vom Verlust der tropischen Korallenriffe nicht mehr weit entfernt.“ Demnach könnte es bereits vielleicht in 50 Jahren soweit sein, dass manche Prozesse unumkehrbar werden. „Wenn wir wirklich einfach weitermachen wie bisher mit dem Ausstoß von Treibhausgasen.“
Bei allen Streitigkeiten des Klimagipfels vom Vorjahr in Kattowitz müsse sich die Welt nun klar machen, dass sie sich auf dem Weg in die Klimakatastrophe befinde, mahnte auch Johan Rockström, der zusammen mit Ottmar Edenhofer das PIK leitet. Damit ist aus Rockströms Sicht jetzt der Moment gekommen, „schnell und groß zu denken“.
PIK-Experte: CO2-Preis muss deutlich steigen
Ottmar Edenhofer fordert seit langem schon eine Steuer auf das klimaschädliche Kohlendioxid. „Dieser CO2-Preis muss steigen, weil dieser CO2-Preis die Knappheit der Atmosphäre zum Ausdruck bringen kann und muss“, sagte der Wissenschaftler, der auch die Bundesregierung berät, unlängst in Potsdam. Es gehe nicht darum, die Bürger zu schröpfen und zu gängeln, sondern im Kern darum, Innovationen zu ermöglichen. „Wenn wir weiter so machen wie bisher, werden wir im Verlaufe dieses Jahrhunderts die globale Mitteltemperatur um vier Grad ansteigen lassen“, sagte Edenhofer. Er warnte vor Extremereignissen wie Dürren und Überschwemmungen.
Der CO2-Preis ist Teil des Klimapakets der Bundesregierung. Der Bundesrat hat den Weg auch dafür freigemacht: Er soll fossile Kraft- und Heizstoffe verteuern. Edenhofer hatte das Klimapaket wiederholt als nicht ausreichend kritisiert. 2030 müsse ein solcher CO2-Preis, wie Edenhofer im PNN-Interview sagte, bei 130 Euro die Tonne liegen, was zum Beispiel Kfz-Treibstoffe um rund 50 Cent pro Liter verteuern würde. Bislang sieht die Politik für diesen Zeitraum lediglich einen CO2-Preis von 35 bis 60 Euro vor.
Deutschland könnte Klimaziel 2020 trotzdem erreichen
Dennoch sieht Edenhofer Chancen, dass Deutschland dank des EU-Emissionshandels sein Klimaschutzziel für 2020 doch noch erreicht. Es gebe erste Anzeichen, dass der CO2-Emissionshandel auf EU-Ebene gravierenden Einfluss auf die Braunkohleverstromung in Deutschland habe, sagte der Ko-Direktor des PIK dem Magazin "Wirtschaftswoche". Die wissenschaftlichen Analysen des PIK seien noch nicht abgeschlossen, betonte Edenhofer. "Klar ist jedoch, dass Kohlekraftwerke durch den höheren CO2-Preis im europäischen Emissionshandel in der Stromerzeugung teurer werden als Gaskraftwerke." Damit liege es "nahe, dass alte Braunkohlekraftwerke ihre Kapazitätsauslastung verringern und mittelfristig sogar aus dem Markt gedrängt werden". Nach Einschätzung des Klimaökonomen könnte dies bedeutende Folgen haben: "Deutschland könnte durch die geringeren CO2-Emissionen doch noch in Reichweite des Klimaziels für 2020 kommen. Ob das gelingt, hängt aber ganz wesentlich davon ab, wie sich der Preis im europäischen Emissionshandel weiter entwickelt."
Bisher wird davon ausgegangen, dass Deutschland sein selbst gestecktes Klimaziel für 2020 verfehlt. Statt der angestrebten 40 Prozent weniger Treibhausgase als 1990 wird es laut dem Klimaschutzbericht nur eine Verringerung um rund 32 Prozent erreichen. Die Bundesregierung hält aber an dem Ziel fest, bis 2030 die Treibhausgasemissionen um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Bei der UN-Klimakonferenz in Madrid wird derzeit über die Umsetzung des 2015 geschlossenen Pariser Klimaabkommens beraten. Es sieht vor, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Wegen unzureichender internationaler Klimaschutzbemühungen sieht es derzeit so aus, dass die Erde auf eine gefährliche Erwärmung von mindestens drei Grad zusteuert.
Die Wissenschaftler des Potsdamer IASS haben zum Klimagipfel einen Live-Ticker eingerichtet: www.iass-potsdam.de/en/COP25-Live-Ticker
(mit epd/dpa/AFP)
Jan Kixmüller
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