Menschen mit Behinderung: Potsdam will Olympia-Stadt werden
Potsdam bewirbt sich als Gastgeber für die Special Olympic World Games 2023. Was die Behindertenbeauftragte Tina Denninger nach einem Jahr im Amt sonst noch vorhat.
Potsdam - Gut ein Jahr ist Tina Denninger Potsdams Beauftragte für Menschen mit Behinderung – und jetzt dabei, einen dicken Fisch an Land zu ziehen: Auf ihre Initiative hat sich die Landeshauptstadt als Gastgeber für die Special Olympics World Games 2023 beworben. Bis Ende des Jahres soll die Entscheidung darüber fallen, ob dutzende Teilnehmer:innen der weltweit größten inklusiven Sportveranstaltung, bei der Frauen und Männer mit und ohne Behinderungen vom 17. bis 24. Juni 2023 in Berlin antreten, zu Gast in Potsdam sein werden. Sie sei „guter Dinge, dass wir angenommen werden“, sagte Denninger am Freitag bei einem Pressegespräch im Rathaus.
Eine Delegation von Olympics-Teilnehmern könnte in Potsdam logieren und trainieren
Die promovierte Soziologin hatte während ihrer vorherigen Arbeit im Berliner Institut „Mensch Ethik Wissenschaft“ Kontakt zu den Organisatoren der Spiele geknüpft, die Anregung mit nach Potsdam gebracht – und war sehr erfreut, dass sie im Bereich Sport der Stadtverwaltung auf Wohlwollen stieß. Wenn das Votum für die Landeshauptstadt ausfällt, wird eine Delegation von 21 bis 80 Teilnehmern vom 11. bis 14. Juni 2023 nach Potsdam kommen. Die Gäste werden beherbergt und beköstigt werden, Trainingsmöglichkeiten haben und ein Kulturprogramm erleben können. Erwartet werden zu den Wettkämpfen in Berlin rund 7000 Athlet:innen mit geistiger und mehrfacher Behinderung aus mehr als 170 Nationen.
Der große Vorteil für Potsdam sei, so Denninger, dass die Stadt über ein Netzwerk Inklusion durch den Sport verfüge und die Teilnahme dabei helfen werde, inklusive Strukturen im Sport weiter zu etablieren. Von Vorteil wäre diese Werbung auch für die vielen Menschen mit Behinderungen, die in Heimen wohnen und vermehrt Sportvereine aufsuchen können. Es gebe in Potsdam bisher zu wenige Angebote: „Der Sport ist nicht offen“, sagte Denninger. Aber es gebe Hoffnung. Zu den Vereinen, die sich für die Öffnung einsetzen, zählten der SC Potsdam, am Donnerstag habe der SV Babelsberg 03 Unterstützung signalisiert. Zudem werde in drei Wochen das Netzwerk Inklusion gegründet, für das der Stadtsportbund eine koordinierende Stelle eingerichtet habe: „Da bewegt sich viel“, sagt Denninger. Inklusiver Sport sei eine „Win-win-Situation für Menschen mit Behinderung und die gesamte Gesellschaft“.
Die Stadt-Webseite gibt es seit September in Leichter Sprache
Mit der Bilanz des ersten Jahres ihrer Arbeit in Potsdam zeigte sich Denninger zufrieden. Als Erfolg verbucht sie die Installation einer Webseite der Stadt in der sogenannten Leichten Sprache – im September wurde sie in Betrieb genommen. Auch die Aktualisierung des barrierefreien Stadtführers „Einfach Potsdam“ ist auf den Weg gebracht worden. Er wird in einer Auflage von 1000 Stück in den Tourist-Informationen und im Rathaus angeboten werden, für Schwerbehinderte kostenlos und sonst für 9,50 Euro.
Wiederbelebt worden ist das 2018 beschlossene, dann aber in Frieden ruhende Maßnahmepaket, ein Plan zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Leben in der Stadt von der wichtigen Barrierefreiheit bis zu Mobilität und Fragen der Bildung und Arbeit. Mit diesem Lokalen Teilhabeplan soll die UN-Behindertenrechtskonvention in Potsdam umgesetzt werden.
Mit dem Zustand des Behindertenbeirats ist Denninger nicht zufrieden
Die wohl größte Baustelle in der Potsdamer Behindertenpolitik ist der desolate Zustand des Beirats für Menschen mit Behinderung. Denninger fand bei ihrem Arbeitsbeginn ein in sich völlig zerstrittenes Gremium vor. Sie misst diesem Beirat große Bedeutung bei, er sei „das Mitbestimmungsgremium für Menschen mit Behinderung in dieser Kommune“. Ihr war ein gewisser Grad an Erschöpfung bei ihren Bemühungen anzumerken, als sie forderte: „Es braucht eine Neustrukturierung des Beirats.“ Er müsse mit Vertretern der Behindertenverbände besetzt werden, die bisherige Struktur, ihn jeweils zur Hälfte mit Menschen mit und ohne Behinderung zu besetzen, sei gescheitert. An der Auflösung, so scheint es, führt kein Weg vorbei. „Man muss sich überlegen, wie lange man noch mit einem Beirat lebt, der seine Funktion nicht erfüllt“, so Denninger. Es gebe gerade im Bereich Barrierefreiheit sehr konstruktiv arbeitende Mitglieder, „aber es ist kein geschlossenes Gremium, wie es die Satzung erfordert“. Es gebe im Moment keine Arbeitsgruppen und wenig inhaltliche Arbeit. Nun müsse „die Stadtverordnetenversammlung entscheiden, wie es weitergeht“.
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