Kinderbetreuung in Werder: Werder fehlen 200 Kitaplätze
Die Stadtverwaltung sieht Versäumnisse beim Landkreis. Der beschuldigt das Rathaus, zu spät mit Neubauten begonnen zu haben und freie Träger abzuschrecken. Die Folgen beschäftigen Gerichte.
Werder (Havel) - In der Stadt Werder (Havel) fehlten allein in diesem Jahr bisher Kitaplätze für etwa 200 Kinder. Das bestätigte der 1. Beigeordnete der Stadt, Christian Große (CDU), auf PNN-Nachfrage. Trotz der Neubauten – wie berichtet wurde beispielsweise in der Adolf-Damaschke-Straße im Oktober eine Kita für bis zu hundert Kinder in Betrieb genommen – gelinge es nicht, der großen Nachfrage in der von Zuzug geprägten Stadt gerecht zu werden. „Das ist auch für uns als Verwaltung frustrierend, denn wir wollen natürlich auch hinsichtlich der Kinderbetreuung ein attraktiver Wohnstandort für Familien sein“, so Große.
Ursache für die vielen fehlenden Betreuungsplätze sei die Kitabedarfsplanung des Landkreises, die dem Zuzug der Stadt weiter hinterherhinkt. „Sie geht immer noch von einem Überhang an Kitaplätzen aus“, so Große. Die kommunalen Kitas, die in Werder einen Großteil der Plätze stellen, würden mit Sondergenehmigungen häufig sogar schon über ihre Kapazitätsgrenzen hinaus arbeiten. Die Stadt tue alles dafür, den Bedarf an Plätzen zügig decken zu können, aber es bedürfe dazu einer „gemeinsamen Kraftanstrengung aller Beteiligten“, so Große. Der Kitabedarfsplan müsse zügig überarbeitet werden. Auch müsse die Kreisverwaltung Bauanträge für neue Kitas zügig bearbeiten. Derzeit verfügt Werder der städtischen Internetseite zufolge insgesamt über gut 1230 Plätze in den Kitas, wobei einige davon für Hort-Kinder reserviert sind.
Kita-Finanzierung in Brandenburg
Die Kita-Finanzierung ist im Land Brandenburg aufgeteilt. Während der Landkreis 85 Prozent der Kosten für das pädagogische Personal trägt, finanziert die Kommune die restlichen 15 Prozent sowie die kompletten Sach- und Betriebskosten. Das gilt nicht nur für die eigenen Kitas, sondern auch die der freien Träger. In Werder sind das die Hoffbauer-Stiftung, die Arbeiterwohlfahrt (Awo) und die Freie Waldorfschule.
Bei der Nachfrage, wann in Werder Angebot und Nachfrage nach Kita-Plätzen im Gleichgewicht sein könnten, verweist Christian Große ebenfalls auf die Kreisebene. „Wir würden uns auch sehr freuen, wenn uns das Landratsamt ihre Frage beantworten könnte. Der derzeit gültige Kitabedarfsplan tut das nicht.“ Die Stadt erstelle derzeit auf Antrag der Stadtverordneten eine eigene Prognose, die den Kitabedarfsplan jedoch nicht ersetze.
„Die neue Richtlinie führt nach Einschätzung von freien Trägern zu einer nicht auskömmlichen Finanzierung“
Wie viele Kita-Plätze in anderen Kommunen fehlen, wisse der Landkreis derzeit noch nicht. Zum Jahresende soll es laut Stefan Kowalczyk, dem Teamleiter Kindertagesbetreuung, eine Übersicht geben. „In der Stadt Werder ist dieser Mangel aber besonders spürbar, und dies hat Gründe“, so Kowalczyk. So habe man schon im Sommer 2015 eine gemeinsame Planungsabsprache getroffen, nach der die Stadt und freie Träger gemeinsam 304 neue Betreuungsplätze schaffen sollten. Realisiert wurden bisher nur 169. Eine geplante neue Kita der Awo für 110 Kinder und eine Erweiterung der Kita der Waldorfschule um 25 Plätze sind bisher nicht zustande gekommen. Die Stadt Werder hat wie berichtet im Jahr 2015 die Finanzierungsrichtlinie für Freie Träger geändert.
Seither werden weniger Sachkosten übernommen. „Die neue Richtlinie führt nach Einschätzung von freien Trägern zu einer nicht auskömmlichen Finanzierung“, so Kowalczyk. Für die geplante Erweiterung und den Neubau habe der Kreis zwischenzeitlich Fördermittelzusagen im Wert von mehr als 1,4 Millionen Euro gegeben, die jedoch von den Trägern wieder zurückgegeben wurden. Ende Mai sind an der Waldorf-Kita wie berichtet zudem 15 Betreuungsplätze aus finanziellen Gründen weggefallen. Ein Dringlichkeitsantrag von Grünen und SPD, die Plätze durch eine Überbrückungsfinanzierung zu erhalten, wurde mit der Mehrheit von der CDU und den Freien Bürgern abgelehnt.
Stadt Werder mit erheblichen Defiziten beim Kita-Neubau
Auch die Stadt Werder selbst habe Kowalczyk zufolge erhebliche Versäumnisse beim Kita-Neubau. Zwar soll in Glindow im kommenden Jahr eine neue Kita entstehen und für eine weitere Einrichtung am Finkenberg laufen die Vorplanungen. „Die Neubauten kommen aber zu spät“, so der Teamleiter. Als neue Baufelder beplant wurden, habe Werder die nötigen Kitas nicht mitgedacht. Zudem sei der Stadt im Jahr 2016 die Förderung von knapp einer Million Euro zum Kita-Neubau durch die Investitionsbank des Landes (ILB) verloren gegangen.
Der Kreis habe dem Neubauverfahren bereits zugestimmt gehabt. „Durch Abstimmungsschwierigkeiten zwischen Stadt und ILB kam es dann aber nicht dazu“, sagt Kowalczyk. Auch die von Christian Große angesprochene nötige Veränderung der Kitabedarfsplanung, um genügend Personal für die Einrichtungen zu bekommen, könne Stefan Kowalczyk zufolge jederzeit unterjährig erfolgen – die Kommune müsse sie nur beantragen. „Die Kommunikation mit Werder ist aber hakelig oder findet nicht statt“, so der Teamleiter.
Eltern aus Werder haben beim Oberverwaltungsgericht bereits vier Klagen eingereicht
Den Eltern der 200 Kinder hilft dies wenig. Vier Klagen auf Erfüllung des gesetzlichen Anspruches auf einen Betreuungsplatz laufen Kowalczyk zufolge derzeit, eine davon ist eine Revision vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Wie in einem anderen, bereits rechtskräftigen Urteil auch hatte das Verwaltungsgericht Potsdam die Klage abgewiesen, nach der der Landkreis den fehlenden Platz zur Verfügung zu stellen habe. Die Begründung des Gerichtes: Der Kreis ist Begrenzungen unterworfen, kann etwa nicht selbst Räume zur Verfügung stellen.
Den betroffenen Eltern versuche die Kreisverwaltung Betreuungsplätze in Nachbarkommunen zur Verfügung zu stellen. Zudem könne man dem Teamleiter zufolge auch geeignete Personen aus dem Bekanntenkreis vorübergehend zu Tagespflegern machen, entsprechend bezahlen und so eine Einzelbetreuung zulassen, auch wenn nicht alle sonst für die Tagespflege nötigen Voraussetzungen erfüllt seien. Da in Werder jedoch viele Familien aus anderen Bundesländern zugezogen sind, die keine Kontakte in der Region hätten, werde dies kaum genutzt.
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