Datenschutzpanne in mittelmärkischen Schulen: Vicco-von-Bülow-Gymnasium weist Kritik zurück
Die Schulleiterin des Vicco-von-Bülow-Gymnasiums widerspricht der Kritik an Datenschutzproblemen in der Schule. Das Bildungsministerium setzt derweil auf eine andere Lösung.
Potsdam - Im Streit um die Datenschutzprobleme an fünf Schulen im Landkreis Potsdam-Mittelmark meldet sich nun die Leitung einer der betroffenen Bildungseinrichtungen zu Wort. Die Rektorin des Vicco-von-Bülow-Gymnasiums in Stahnsdorf, Annett Reissing, teilte auf Anfrage mit, dass sie erst am späten Abend des 21. August "von dem Zugriff auf schuleigene Outlook-Gruppen erfahren" habe, und zwar aus dem PNN-Artikel darüber. Eine Presseanfrage der PNN von 13:08 Uhr desselben Tages war zuvor unbeantwortet geblieben.
Nach eigenen Angaben hat Reissing am Freitagabend sofort den IT-Service informiert und außerdem alle Lehrkräfte aufgefordert, die Einstellungen der Online-Gruppen im betroffenen Programm Microsoft Office 365 zu überprüfen. Wie berichtet, waren diese Gruppen von Nutzerkonten außerhalb der Schule einsehbar gewesen, offenbar aufgrund falsch vergebener Nutzerrechte. Aus der Elternschaft gab es auch Beschwerden darüber, dass die Schule überhaupt Office 365 einsetzt.
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Reissing zufolge hat die Schule im Mai verschiedene Programme für das Online-Lernen unter Coronabedingungen getestet. "Die Nutzung von MS Office 365 wurde auf Grund der Tatsache, dass es sich um die derzeit geeignetste digitale Plattform zum Einsatz für kollaborative und asynchrone Arbeitsprozesse handelt, einstimmig durch die Schulkonferenz beschlossen", teilt die Schulleiterin nun mit.
Es gab Fortbildungen zum Datenschutz
Aus Elternkreisen war auch kritisiert worden, dass die Lehrkräfte zu wenig Kompetenz in Sachen Datenschutz hätten. Doch Reissing weist darauf hin, dass es Fortbildungsangebote gegeben habe. Im Juni seien am Gymnasium an drei Tagen Kurse zu Microsoft Office 365 durchgeführt worden, zwei weitere Termine hätten in der Vorbereitungswoche des Schuljahres 2020/21 Anfang August stattgefunden, so die Schulleiterin. Doch offenbar hat das nicht ausgereicht.
"Die Einführung von Software an einer Schule liegt grundsätzlich in der Verantwortung der Schulträger und der Schulleitung”, teilt Ulrike Grönefeld, die Sprecherin des Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) auf Anfrage mit. “Die Lehrkräfte müssen für die Nutzung der Systeme über notwendige datenschutzrechtliche Kenntnisse verfügen."
Doch woher sollen diese Kenntnisse kommen? In den vergangenen zwei Jahren habe es im Land Brandenburg 74 überregionale Fortbildungsveranstaltungen für Lehrkräfte speziell zum Thema Datenschutz gegeben. “Hinzu kommen viele schulinterne Veranstaltungen die nicht statistisch erhoben werden”, teilt die Sprecherin mit. "Zusätzliche Angebote sollen für dieses Schuljahr speziell über das Beratungs- und Unterstützungssystem der staatlichen Schulämter angeboten werden.”
Das MBJS verweist außerdem auf eine "Handreichung" vom Mai 2019, in der das Thema Datenschutz für Schulen in öffentlicher Trägerschaft erklärt wird. Diese Publikation befasst sich ausführlich mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und kann auf der Website des Ministeriums heruntergeladen werden. Das Buch umfasst insgesamt 244 Seiten. Eine Menge Lesestoff für fachfremde Lehrer, die mitten in einer Pandemie auf ganz neue Lernformen umstellen müssen.
Datenschutzbeauftragte im Schulamt
Für Schulen im Land Brandenburg gibt es laut MBJS im jeweiligen Schulamt je eine Referentenstelle für den Datenschutz. Dieser Mitarbeiter könne auch zum schulischen Datenschutzbeauftragten bestellt werden, um die Lehrkräfte zu entlasten.
Das Vicco-von-Bülow-Gymnasium hat davon Gebrauch gemacht, Datenschutzbeauftragter ist dort ein Mitarbeiter des Schulamts. Doch offensichtlich hat der die Verstöße vor Ort nicht verhindern können. Was genau dazu geführt hat, dass sensible Daten von Schülern und Lehrern im Netzwerk kursierten, wird voraussichtlich die Prüfung der Landesdatenschutzbeauftragten Dagmar Hartge ergeben, die noch nicht abgeschlossen ist.
MBJS favorisiert die HPI-Schul-Cloud
Das Bildungsministerium setzt unterdessen perspektivisch nicht auf das umstrittene Microsoft-Programm, sondern möchte die weitere Verbreitung der Schul-Cloud Brandenburg voranbringen. Diese Schul-Cloud wurde am Hasso-Plattner-Institut entwickelt und als Pilotprojekt in Brandenburger Schulen bereits im vergangenen Schuljahr eingeführt. Im April wurde die Nutzung ausgeweitet, um den neuen Anforderungen unter Pandemiebedingungen gerecht zu werden.