Exotisches Instrument: Orgelbau in Werder begeistert Jugendchor
Mitglieder eines chinesischen Jugendchores lernten in der Orgelbauwerkstatt Schuke, das in China noch unbekannte Instrument Orgel kennen.
Werder (Havel) - Viele Handys werden gezückt, als Johannes Schuke in die Holzorgelpfeife bläst. Knapp 40 Chinesen, Mitglieder eines Jugendchores und ihre Betreuer, sind am Montagvormittag zu Gast in der Orgelbauwerkstatt in den Werderaner Havelauen und verfolgen gebannt, wie das Musikinstrument entsteht. „Orgeln kenne ich bisher nur aus Filmen. Es ist spannend, dieses Instrument mit der Klangfülle einer ganzen Band live zu sehen“, sagt die 17-jährige Cheng Nwigu. „Es ist auch toll zu sehen, mit wie viel Leidenschaft hier an dem Instrument gebaut wird.“
Cheng Nwigu spielt eine traditionelle chinesische Flöte in der Shanghai Minjang Student Chinese Folk Music Band, einem Orchester mit 171 Mitgliedern. Im Rahmen der deutsch-chinesischen Jugendtage sind Mitglieder seit Freitag in der Region unterwegs, Schuke Orgelbau hat einen Teil des Programms organisiert. Der Kontakt sei über einen chinesischen Geschäftspartner zustandegekommen, erklärt Johannes Schuke. „Am Sonntag waren wir mit den Jugendlichen in Spandau. Da haben sie an einer unserer Orgeln ein Konzert von drei jungen deutschen Musikern erlebt, die wir über soziale Medien kennengelernt haben“, so der 32-jährige Schuke. „Heute sollen sie das Instrument an sich näher kennenlernen.“
Orgelbauer Klaus Michael Schreiber erklärt chinesischen Jugendlichen wie Orgeln gebaut werden
Dass der Orgelbau in Deutschland lange Tradition hat, können die Gäste auch in der Restaurationsabteilung in Schukes Hallen sehen. Klaus Michael Schreiber erklärt ihnen anhand einer Windlade aus dem Jahr 1841, wie das historische Holz so behutsam bearbeitet wird, dass nach mehr als 150 Jahren noch die verschiedenen Register der Orgel angespielt werden können. „Wir verwenden bei den Arbeiten wasserlöslichen Knochenleim, damit man die Verbindung auch in 50 Jahren wieder problemlos lösen und die Lade überarbeiten kann“, so der Restaurator.
Wie der Ton an sich entsteht, zeigt Michael Schuke in der Holzwerkstatt. Der 29-Jährige hat dazu verschiedene Bauteile einer Holzorgelpfeife vorbereitet. Freiwillige aus dem Orchester sägen letzte Feinheiten ins Material und leimen den Pfeifenkörper zusammen. Da der Leim lange zum Trocknen braucht, gibt es als Andenken eine vorgefertigte ähnliche Pfeife mit nach Shanghai.
Großer Markt für Orgeln in China
„Ziel der ganzen Aktion ist ein Kulturaustausch. Wir wollen auch, dass die Deutschen unsere Chinesischen Instrumente kennenlernen“, sagt Lu Guo Qing, der Gruppenleiter des Jugendorchesters. So treten die Shanghaier am Donnerstag um 17 Uhr im Magdeburger Dom auf. Begleitet werden sie dabei von einem Schulorchester aus Fürth und von Mitgliedern der Jungen Philharmonie Brandenburg. Es sei ein Versuch, herauszufinden, wie gut die chinesischen Instrumente mit der klassischen Orgel harmonieren. „Wir suchen auch noch junge Musiker, die gern für einen Gegenbesuch nach Shanghai reisen würden“, so Johannes Schuke. Mit verschiedenen Akteuren seien dazu schon erste Gespräche geführt worden.
In Shanghai selbst stehen bisher zwei Orgeln von Schuke, die wie berichtet die Fleety Investment Holding für die dortige Universität gekauft hat. Deren Geschäftsführer Wenjie Zou hatte von einem großen Markt für Orgeln in China gesprochen, weitere Projekte sind derzeit aber nicht spruchreif.
Nach Insolvenz geht es für die Orgelbauwerkstatt wieder bergauf
Trotzdem sind die Auftragsbücher bei Schuke gut gefüllt, das 2014 begonnene und im vergangenen Jahr beendete Insolvenzverfahren scheint vergessen. „Ab September haben wir auch wieder zwei Auszubildende im Betrieb“, sagt Michael Schuke. Derzeit hat die Firma 15 Mitarbeiter. Nächster Großauftrag sei die Restaurierung einer Orgel von 1632 im sachsen-anhaltinischen Tangermünde. Dort habe man entdeckt, dass die Orgel ursprünglich zwei Register mehr hatte. Diese werden nun von den Werderanern gefertigt.
Im Frühjahr haben die Mitarbeiter bereits die Orgel der Kirche des Werderaner Ortsteils Plötzin restauriert. Das Instrument sei für Geschäftsführer Matthias Schuke, Vater von Johannes und Michael, insofern besonders, weil es Mitte des 18. Jahrhunderts hergestellt wurde. „Die meisten Orgeln in der Region stammen eher aus der Mitte des 19. Jahrhunderts“, so Matthias Schuke. Das hänge mit der damaligen Schulreform im Land Brandenburg zusammen: Als Schulen in den Dörfern eingerichtet wurden, wurden die Lehrer verpflichtet, auch die Kirchenorgel zu spielen. So gab es erstmals in allen Orten Organisten.
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