Kommunalwahl 2019: Mehr Bürgerbeteiligung für Werder
Sechs Parteien, drei Wählergruppen und zwei Parteilose treten zur Kommunalwahl in Werder (Havel) an. Alle eint eine Forderung.
Werder (Havel) - Wenn die Einwohnerzahl einer Stadt in zehn Jahren um zehn Prozent wächst, bringt das auch Schwierigkeiten: Während Werder (Havel) wirtschaftlich gut dasteht, fehlen 300 Kitaplätze, auch an den Schulen wird es eng. Und das Problem wird bestehen bleiben: Die Stadt hat im Landkreis die zweithöchste Geburtenrate nach Seddiner See, pro tausend Einwohner werden dem Demografiebericht zufolge 9,5 Kinder geboren. Von derzeit 26.138 soll die Einwohnerzahl bis 2030 auf 32.000 steigen. Alle Bewerber zur Kommunalwahl am 26. Mai wollen deshalb deutlich mehr Investitionen in die Bildungsinfrastruktur.
Mehrere Großprojekte, die gesteuert werden müssen
Gleichzeitig soll in der kommenden Legislaturperiode das größte kommunale Bauprojekt der Mittelmark, die Haveltherme, vollendet werden. Das größte Verkehrshindernis, der Bahnübergang in der Phöbener Straße, soll durch zwei Tunnel ersetzt werden. Diese Großprojekte müssen von den Stadtverordneten konstruktiv begleitet und gesteuert werden. 151 Menschen bewerben sich für die Stadtverordnetenversammlung. Mit neun Parteien oder Bündnissen und zwei parteilosen Kandidaten ist die Auswahl so groß wie nie. Werder wird diverser.
Fast ein Drittel aller Bewerber steht auf der Liste der CDU, 48 Kandidaten stellen die Christdemokraten. Seit den ersten Wahlen nach Ende der DDR stellen sie die Mehrheit im Stadtparlament. Im Neun-Punkte-Wahlprogramm geht die CDU deshalb auch mehr auf Erreichtes wie die gute Wirtschaftslage, erfolgte Ausbauten von Schulen oder die geplante Einstellung eines Mitarbeiters für Bürgerbeteiligung in der Verwaltung ein, als klare Forderungen für die Zukunft zu formulieren. Vieles bleibt vage. So soll etwa ehrenamtliches Engagement gefördert werden, Vorschläge dazu gibt es aber nicht.
Die SPD formuliert sieben Ziele
Am konkretesten ist das Wahlprogramm der SPD, die zu sieben Hauptpunkten wie Verkehr oder Kitas und Schulen klare Ziele formuliert – die zusammen aber selbst das wirtschaftlich starke Werder überfordern dürften. So soll etwa ein neuer Busbahnhof im Süden der Stadt auf dem Strengfeld errichtet werden, ein Rufbussystem soll rund um die Uhr auch in den Ortsteilen für Mobilität sorgen. Neben dem zweiten Parkhaus für Autos am Bahnhof soll dort ein Fahrradparkhaus entstehen. Die Stadt soll mehr hauptamtliche Feuerwehrleute einstellen, zudem sollen zwei neue Kitas gebaut werden. In den Havelauen will die SPD eine Grundschule bauen.
Auch bei der Linken will man eine neue Schule im Norden der Stadt. Zudem hat es ein Dauerbrenner der Genossen wieder ins Wahlprogramm geschafft: Die städtische Haus- und Grundstücksgesellschaft (HGW) soll sofort 100 neue Wohnungen bauen, in den Folgejahren sollen es jeweils 40 sein. Auf welchen Flächen in der dicht bebauten Stadt das erfolgen soll, lassen die Genossen ebenso offen wie die Frage der Finanzierung. Die HGW soll zugleich auf „unbegründete Mieterhöhungen“ verzichten. Bei größeren Neubauprojekten soll künftig festgeschrieben werden, dass 20 Prozent des Wohnraumes „preiswerte Wohnungen“ sein sollen.
Während das Programm der Linken zwei Din A4-Seiten umfasst, haben die Freien Bürger Werder einen umfassenden Katalog erarbeitet. Sie wollen unter anderem neue Räume für Vereine, auch mehr Spielplätze sollen entstehen. Auch städtische Sozialarbeiter sollen eingestellt werden. Auch soll die Stadt Schulungen und Weiterbildungen von Lehrern unterstützen und die Schulen digitalisieren.
Stadtmitgestalter wollen einen Gestaltungsrat
Einen umfassenden Katalog haben auch die Stadtmitgestalter erarbeitet. Neben allgemeinen Feststellungen fordern sie etwa eine neue Gesamtschule für Werder. Auch soll es einen Gestaltungsrat geben, in dem die Werderaner Einfluss auf die Bauvorhaben der kommunalen HGW nehmen können. Einen Erfolg haben die Stadtmitgestalter aber schon erzielt, bevor sie überhaupt gewählt wurden: Seit sie im Sommer 2018 eine Bürgerbefragung zur Therme gestartet haben, hat das Thema Mitbestimmung bei allen Fraktionen einen höheren Stellenwert. Kein Wahlprogramm kommt ohne dieses Thema aus.
Einen der konkretesten Vorschläge dazu liefern die Grünen: So soll ein Kinder- und Jugendparlament gegründet werden, das selbstständig über ein eigenes Budget von einem Prozent des städtischen Haushaltes verfügen soll. Weitere Vorhaben der Grünen: In jeden Ortsteil sollen auch am Wochenende stündlich Busse fahren. Auch soll aus Lärmschutzgründen auf der Autobahnbrücke nach Töplitz künftig Tempo 80 gelten.
Geforderte Lärmschutzwände kann nur der Bund bauen
Lärmschutzwände an dieser Brücke fordert der BürgerBundTöplitz (BBT). Umsetzen kann er das allerdings nach der Wahl nicht, da nur der Bund an der Autobahn bauen kann. Die Forderungen des BBT beschränken sich auf die Insel Töplitz. BBT-Vertreter Frank Ringel hat sich aktuell als Stadtverordneter der CDU-Fraktion angeschlossen – wie auch FDP-Spitzenkandidat Gerhard Opitz. Die Liberalen setzten sich für die Abschaffung von Kita-Beiträgen ein. Nach dem Schulabschluss sollen sich junge Werderaner bei einem Anlaufpunkt über lokale Unternehmen informieren können. Dazu kommen klassische FDP-Forderungen wie die Senkung der Gewerbesteuer.
Spannend dürfte in Werder das Abschneiden der AfD werden. 2014 erhielt sie mit Spitzenkandidat Steffen Königer 4,3 Prozent der Stimmen. Der ist wie berichtet aus der Partei ausgetreten, Spitzenkandidat Marlon Deter ist in Werder bei Weitem nicht so bekannt wie sein Vorgänger. Deter will unter anderem so wenig wie möglich nichtöffentliche Sitzungen des Stadtparlamentes. Er fordert Kleinbusse als Ersatz für die frühere Stadtbuslinie sowie einen Mietspiegel für Werder, der Mietsteigerungen eindämmen soll.
Zwei parteilose Kandidaten
Steffen Königer selbst tritt als Parteiloser zur Wahl an. Er will unter anderem die Werderaner fragen, welche Änderungen sie sich beim Baumblütenfest wünschen. Auch will er kleineren Vereinen helfen, Fördermittel zu erhalten. Das kürzeste Wahlprogramm hat der zweite parteilose Kandidat Ingo Krüger. Er möchte unter anderem mehr Mülleimer mit Aschenbechern und fordert, die frühere Höhengaststätte Rauenstein als Treffpunkt für Jugendliche herzurichten.
Hintergrund
Am 26. Mai sind 22 113 Werderaner aufgerufen, die neue Stadtverordnetenversammlung zu wählen, in der derzeit 28 ehrenamtliche Politiker sowie die Bürgermeisterin Manuela Saß (CDU) sitzen. Bei der Wahl im Jahr 2014 war die CDU auf die meisten Stimmen gekommen: 47,4 Prozent der Werderaner haben die Christdemokraten gewählt. Dahinter folgte die SPD mit 15,2 Prozent, die Linke folgte auf Platz drei mit 12,8 Prozent. Die Freien Bürger erhielten 8,8 Prozent der Stimmen. Die Grünen erhielten 6 Prozent, die AfD kam auf 4,3 Prozent. Der BürgerBundTöplitz kam auf 3,3 Prozent der Stimmen, die FDP hatte ihr Ergebnis mit 1,9 Prozent halbiert.
Gleichzeitig mit der Stadtverordnetenversammlung werden am 26. Mai die Ortsbeiräte gewählt. Im größten Ortsteil Glindow treten neun Kandidaten für die CDU an, auf Listenplatz 1 steht der Werderaner Fraktionsvorsitzende Hermann Bobka. Nur einen Kandidaten weniger stellen die Freien Bürger, deren Liste von Ortsvorsteher Sigmar Wilhelm angeführt wird. Für die Linke gehen drei Kandidaten ins Rennen, Spitzenkandidatin ist Renate Vehlow. SPD, Grüne und Stadtmitgestalter stellen je zwei Kandidaten. Bei den Genossen steht Steven Bahl an der Spitze, bei den Grünen Gunnar Assmann und bei den Stadtmitgestaltern Oliver Ungerath. Deutlich kürzer sind die Wahllisten für die anderen Ortsbeiräte.
In Bliesendorf stellt die CDU neben Ortsvorsteherin Eveline Kroll drei weitere Kandidaten auf. Die SPD kommt als Familie daher: Neben Spitzenkandidatin Anja Spiegel stehen auch ihre Eltern zur Wahl. Für die Freien Bürger geht die bekannte frühere Fernseh-Tierärztin Claudia Fehrenberg erneut ins Rennen.
Auch die Derwitzer haben diesmal Auswahl: Während 2014 nur Kandidaten der CDU angetreten sind, die neben Ortsvorsteher Stephan Hübner auch wieder zwei Kandidaten stellt, treten die Grünen mit dem Dozenten Jürgen Mix und der parteilose Feuerwehrmann Daniel Drews an.
In Kemnitz treten die Bürger für Kemnitz mit Ortsvorsteher Joachim Thiele und drei weiteren Kandidaten an. Die CDU stellt drei Kandidaten, Spitzenkandidat ist Manfred Schulz. Die Freien Bürger treten mit dem Architekten Rainer Ziegelmann an. Für die Linke will die frühere Radiomoderatorin Marina Ringel in den Ortsbeirat. In Petzow tritt nur die SPD mit zwei Kandidaten an, Philipp Wesemann steht auf Platz 1. Der derzeit übergangsweise Ortsvorsteher Gunther Schinke (Linke) steht wie auch Jörg Mehlberg (CDU), Miriam Sanchez (Stadtmitgestalter) und Dieter Holz (parteilos) allein.
In Phöben treten neben Ortsvorsteherin Daniela Deichsel drei weitere Kandidaten für die CDU an. Auch die Freien Bürger haben vier Kandidaten auf ihrer Liste, die von Carsten Mendling angeführt wird. Die Linke stellt zwei Kandidaten, an erster Stelle steht Silvia Godbersen. Übersichtlich ist der Wahlzettel in Plötzin: Neben Ortsvorsteher Dirk Lutze treten noch drei Kandidaten für die CDU an. Die SPD stellt zwei Kandidaten, vorn steht Marcus Paproth.
Für den Ortsbeirat Töplitz treten neben Ortsvorsteher Frank Ringel sechs weitere Kandidaten für den BürgerBundTöplitz an. Die siebenköpfige Grünen-Liste wird von Ilona Klapper angeführt. Für die CDU treten neben Otto Bertz vier weitere Kandidaten an, das zweiköpfige SPD-Team wird von Felix Schrandt geführt.