Wildschweine in Potsdam-Mittelmark: Keine Bogenjagd in Stahnsdorf
Da es keine wissenschaftliche Begleitung für das Projekt gibt, dürfen Wildschweine doch nicht mit Pfeil und Bogen gejagt werden.
Stahnsdorf - Ganz Deutschland schaut auf Stahnsdorf, doch die geplante – bundesweit einmalige – Sondergenehmigung für die Bogenjagd auf Wildschweine wird nicht kommen. Das brandenburgische Umweltministerium hat das Pilotprojekt überraschend gestoppt.
Der offizielle Grund: Es hat sich kein Partner für die wissenschaftliche Begleitung gefunden. „Die notwendige Ausschreibung, die in dieser Woche abgeschlossen wurde, hat kein zuschlagfähiges Ergebnis gebracht“, sagte Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade am Mittwoch. Dabei hieß es noch vergangene Woche aus demselben Ministerium, dass man „auf der Zielgeraden“ sei, Schade sprach gegenüber den PNN sogar von mehreren Interessenten. Die Genehmigung sollte eigentlich kommende Woche vorliegen.
Tierschutzrechtliche Aspekte im Vordergrund
Dass sich kein Wissenschaftler für das Vorhaben gefunden habe, könne an der „öffentlichen Begleitmusik“ liegen, so Schade gegenüber den PNN. In den vergangenen Wochen wurden die Kritiker des Vorhabens immer lauter, vor allem tierschutzrechtliche Aspekte rückten in der öffentlichen Diskussion in den Vordergrund. Die Tierschutzorganisation Peta und der brandenburgische Landestierschutzbund kündigten an, Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) zu verklagen, sollte er die Bogenjagd genehmigen.
Auch der Deutsche Jagdverband und der Tierschutzbund kritisierten das Vorhaben. Anfang April brannte in Stahnsdorf ein Hochsitz, an die Stahnsdorfer Rathauswand schmierten Unbekannte Parolen wie „Schweine an die Macht“ und „Bernd Albers Pfeil und Bogen sind verlogen“ sowie „ Tierquälerei ist eine Sauerei“. Die Bogenjagd ist in Deutschland seit 1976 verboten, ist aber in Ländern wie Spanien, Italien, Frankreich und den USA erlaubt.
Konferenz im Februar
„Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bogenjagd politisch nicht gewollt ist“, so Jagdpächter Peter Hemmerden, der die Sondergenehmigung beantragt hatte. Öffentlich propagiert hatte die Idee Stahnsdorfs Bürgermeister Bernd Albers (BfB). Er hatte sich mit Hemmerden abgesprochen. Der Jagdpächter, der auch ausgebildeter Bogenschütze ist, erarbeitete ein umfangreiches Konzept. Mehrere Fachleute kamen im Februar in Stahnsdorf zu einer Konferenz zusammen, um über Vor- und Nachteile der Bogenjagd zu beraten. „Ich fühle mich, als ob mir auf der Zielgeraden ein Bein gestellt wurde“, so Hemmerden. Er habe viel Arbeit in die Vorbereitungen gesteckt und ist von seinem Konzept nach wie vor überzeugt. Verärgert ist Hemmerden, dass er als Antragssteller nicht direkt vom Ministerium, sondern erst über die Pressestelle des Stahnsdorfer Rathauses von der Absage erfahren hat.
Land bietet Unterstützung an
Um dennoch die Wildschweine aus Stahnsdorf und Kleinmachnow herauszubekommen, will das Land den zwei Kommunen weiterhin helfen. „Die Oberste Jagdbehörde nimmt die Sorgen der Stahnsdorfer und Kleinmachnower ernst und bietet vor Ort weiterhin ihre besondere Unterstützung an“, so Ministeriumssprecher Schade. So sollen Fachleute der Wildökologischen Forschungsstelle Eberswalde in den kommenden Wochen mit Jägern und Kommunalpolitikern vor Ort erneut prüfen, welche alternativen Methoden für die Jagd innerhalb der bebauten Gebiete möglich sind. Schade erwähnt unter anderem den Einsatz von Jagdwaffen mit modifizierter Munition sowie den Einsatz von Schalldämpfern. Auch sollen weitere Vorschläge, auch von Kritikern der Bogenjagd, wie der Einsatz von Duftzäunen, geprüft werden.
Alternative Methoden
Stahnsdorfs Bürgermeister Albers indes fordert, den gesetzlichen Rahmen für die Jagd voll auszuschöpfen und die Wildschweine mit weiteren alternativen Methoden aus den Orten zu vertreiben. So sollte der Einsatz von Nachtsichtgeräten und ähnlichen technischen Assistenzsystemen erlaubt werden. Bisher ist deren Nutzung verboten. Auch Albers will auf den Einsatz von modifizierter Munition in Kombination mit Schalldämpfern setzen.
Derartige Jagdmethoden hatte zuvor der Ballistik- und Jagdexperte Philipp Cachée in einem Gespräch mit den PNN als sinnvoll erachtet. Albers hatte zuvor diese Jagdmethoden noch nie öffentlich erwähnt. Enttäuscht ist man über die Absage auch in Kleinmachnow: „Wir bedauern, dass dieser Versuch nun nicht ermöglicht wird“, so Gemeindesprecherin Martina Bellack. Auch Kleinmachnow fordert den Einsatz von Alternativen.