Integration in der Mittelmark: Jobsuche für Flüchtlinge dauert länger als gedacht
Jeder fünfte arbeitslose Flüchtling hat in diesem Jahr bereits einen Job gefunden. Doch fehlende Sprachkenntnisse verzögern die Integration, und eine Ausbildung machen nur wenige Asylbewerber.
Kleinmachnow - Soheila Tavasoli lächelt an ihrem Schreibtisch. Die Iranerin ist Auszubildende bei der Kleinmachnower Wohnungsbaugesellschaft Gewog und will Immobilienkauffrau werden – ein Beruf, den sie vor einem Jahr noch gar nicht kannte. „Ich bin froh, dass ich mit 37 Jahren noch einmal die Chance bekommen habe, eine Ausbildung zu machen“, sagt Tavasoli in leicht gebrochenem, aber gut verständlichen Deutsch beim Pressetermin am gestrigen Freitag. Seit 21 Monaten lebt die Iranerin in Deutschland. Da sie noch in ihrer Heimat vom Islam zum Christentum konvertiert ist, sei sie starken Anfeindungen ausgesetzt gewesen. Bereits im vergangenen Jahr hat sie ihre Ausbildung begonnen. Durch eine Mitarbeiterin der Gewog, bei der Tavasoli Mieterin ist, hat sie von der Ausbildungsmöglichkeit erfahren. Beraten wurde sie dabei von Dirk Szabo, einem sogenannten Jobcoach der mittelmärkischen Arbeitsagentur. Drei dieser Stellen gibt es seit Juli 2017, jeder Coach betreut maximal 50 Geflüchtete.
Ein Jobcoach betreut bis zu 50 Geflüchtete
Die Arbeit der Jobcoaches sei erfolgreich, sagt Jobcenter-Chef Bernd Schade. 137 Menschen seien bisher von ihnen betreut worden, knapp jeder Zweite gehe inzwischen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach oder mache eine Ausbildung. Wobei derzeit im gesamten Landkreis nur 18 Geflüchtete ausgebildet werden, acht davon seit September. Dabei gebe es Szado zufolge verschiedene Motivationen, sich gegen die Ausbildung zu entscheiden. „Gestern hatte ich erst einen 19-jährigen Syrer im Büro, der eigentlich gern eine Ausbildung machen würde, aber von seiner Familie hergeschickt wurde, um Geld zu verdienen.“ Das Güterverkehrszentrum in Großbeeren ist nur wenige Kilometer von Teltow entfernt, wo Szabos Büro ist. Dort gebe es genügend Möglichkeiten, auch ohne eine Ausbildung für Mindestlohn zu arbeiten. Insgesamt haben allein in diesem Jahr 110 von der Arbeitsagentur betreute Flüchtlinge eine Stelle angenommen, was laut Bernd Schade einer Integrationsquote von 20,5 Prozent entspreche. Zum Vergleich: Auf alle Arbeitslosen bezogen liegt die Quote nur bei 15,1 Prozent. „Viele der Geflüchteten, die jetzt einen Job haben, sind schon länger hier und haben jetzt das entsprechende Sparchniveau für die Arbeit erreicht“, so Bernd Schade. „Die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Sie dauert aber länger, als wir das früher erwartet haben.“ Schade zeigt sich optimistisch, dass in den kommenden Jahren noch mehr Geflüchtete eine Arbeit erhalten werden, da auch ihr Sprachniveau besser werde. Ende August gab es 761 anerkannte Flüchtlinge im Landkreis, die Arbeitslosengeld II erhalten. Im März dieses Jahres waren es 801.
Nicht immer startet gleich ein Sprachkurs
Ein Grund, warum die Integration länger dauert als zunächst gedacht, ist die Anzahl an Sprachkursen. „Es ist schwer, im großen Landkreis immer Sprachkurse zu finden, die zum gewünschten Zeitpunkt beginnen und für die Geflüchteten noch erreichbar sind“, so Jobcoach Dirk Szabo.
Soheila Tavasoli hatte zum Beginn ihrer Ausbildung erst einen Sprachkurs absolviert und das Niveau B1 erreicht. „Eigentlich empfehlen wir für den beginn der Ausbildung das Niveau B2. Frau Tavasoli war aber so zielstrebig und hatte einen Plan, das wir sie trotzdem unterstützt haben“, so Szabo.
Gewog-Geschäftsführerin Katja Schmidt zufolge war die Iranerin als Auszubildende ein Glücksgriff. „Sie spricht fließend englisch und persisch und hilft uns unter anderem beim Dolmetschen für andere Geflüchtete, die bei uns Mieter sind.“
Die Iranerin muss das erste Lehrjahr wiederholen
Allerdings dauert auch die Ausbildung von Soheila Tavasoli länger, als zunächst geplant. So ist sie in diesem Herbst zum zweiten Mal ins erste Lehrjahr gestartet und hat die Berufsschule gewechselt. Zuerst hatte sie die Werderaner Berufsschule besucht. „Die Lehrerin war jedoch viel zu schnell.“ Tavasoli sei die einzige Geflüchtete in der Werderaner Einrichtung gewesen. Nun gehe sie auf eine Berliner Berufsschule, dort gebe es mehrere Geflüchtete und der Unterricht sei deutlich verständlicher. Inzwischen hat die Iranerin, die in ihrer Heimat 15 Jahre lang an einem Flughafen in der Instandhaltung und am Ticketschalter gearbeitet hat, auch einen weiteren Sprachkurs absolviert. Sechs Monate lang ging sie täglich von 9 bis 13 Uhr in den Unterricht in Teltow, die Gewog hatte sie voll bezahlt für diese Zeit freigestellt. „Der juristische Teil der Ausbildung ist ja schon für Muttersprachler schwer, für Geflüchtete sind die Fachbegriffe natürlich noch unverständlicher“, so Geschäftsführerin Katja Schmidt. Für den Bereich Rechnungswesen bebesucht Soheila Tavasoli einen Nachhilfekurs, der vom Jobcenter finanziert wird. Auch Wohngeld bekomme die 37-Jährige noch, die 900 Euro brutto Ausbildungsvergütung würden in Kleinmachnow nicht reichen, um nach der Miete noch die restlichen Kosten abzudecken. Spätestens nach der Ausbildung wird sich Soheila Tavasoli wohl aber selbst versorgen können. Gewog-Geschäftsführerin Schmidt hat bereits angekündigt, sie fest übernehmen zu wollen. Ein gutes Beispiel, findet auch Jobcenter-Chef Bernd Schade. „Ich wünsche mir mehr solcher Arbeitgeber und mehr Geduld bei der Integration.“
Enrico Bellin