Südwestkirchhof als Drehort: Fans der Netflix-Serie "Dark" pilgern nach Stahnsdorf
Für den Serien-Hit „Dark“ wurde auch auf dem Stahnsdorfer Südwestkirchhof gedreht. Der mystisch-morbide Ort diente schon öfter als Kulisse für Filmproduktionen.
Stahnsdorf – Schon von weitem ist die gelbe Regenjacke zu sehen, die lässig über einem Stuhl vor der Kapelle hängt. Echte Serien-Fans erkennen das unscheinbare Kleidungsstück sofort: In dem Friesennerz läuft Jonas Kahnwald, gespielt von Louis Hofmann, durch die düstere Welt der Netflix-Serie „Dark“. Am Wochenende startete die dritte und finale Staffel der weltweit gefeierten deutschen Netflix-Produktion. Auch der Stahnsdorfer Südwestkirchhof und vor allem die Norwegische Holzkirche sind Schauplätze in der Serie, weshalb Kirchhofleiter Olaf Ihlefeldt anlässlich des Staffelstarts zum Gespräch einlud und über den Seriendreh sowie weitere Produktionen auf dem Friedhof berichtete.
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Fans aus aller Welt reisen an
Die Jacke sei eigentlich Arbeitskleidung der Gärtner, sagt Ihlefeldt mit einem Lachen. Als er damit aus dem Verwalterhaus kam, hätten einige junge Besucher sofort große Augen gemacht. „Die Leute reagieren extrem auf 'Dark'“, sagt Olaf Ihlefeldt. Aus aller Welt reisten die Fans der Serie an, um die Kirche einmal selbst sehen zu können, so Ihlefeldt. Ein Großteil sind ausländische Serienfans, kommen aus Lateinamerika, der Türkei und dem arabischen Raum. Der Besuch wird meistens per Selfie verewigt. Dabei rücken die Fans auch schon mal die Bank vor der Kirche, auf der Darsteller Louis Hofmann in einer der Szenen mit seinem zukünftigen Ich sitzt, so lange hin und her, bis alles für das gewünschte Foto passt.
Von 2017 bis 2019 drehte das Dark-Team jedes Jahr für ein paar Wochen auf dem Südwestkirchof und an anderen Orten in Brandenburg. Regisseur Baran bo Odar sei von der Holzkirche begeistert gewesen, sagt Ihlefeldt. In dem Serien-Universum stellt die Friedhofskapelle die Kirche der fiktiven Kleinstadt Winden dar. „Dark“ erzählt sehr komplex und mit Zeitsprüngen die Geschichte von vier Familien, deren Leben durcheinander gerät, als zwei Kinder spurlos verschwinden. Wie Ihlefeldt erzählt, wurde der Vorplatz der Kirche für die verschiedenen Zeitsprünge immer wieder umgestaltet. „Dafür waren die Profis aus den Babelsberger Filmstudios verantwortlich. Die haben dann schnell alles in die 1920er-Jahre verwandelt, mit alten Autos, Schotterwegen statt Pflasterstraßen und verkleideten Lampen.“
Der Ort der Trauer soll nicht entweiht werden
Auf der Wiese vor der Kapelle baute die Filmcrew ihre eigenen Gräber für den Windener Friedhof. Denn echte Grabstätten sollen in den Produktionen nicht groß in Szene gesetzt werden, um die Totenruhe zu wahren und um zu verhindern, dass Fans scharenweise zu den Gräbern pilgern. Das würden er und sein Team sowie die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz auch immer deutlich machen, sobald es Anfragen von Filmschaffenden gibt. In der Netflix-Serie wird die 110 Jahre alte unter Denkmalschutz stehende Kapelle schließlich sogar zerstört – zumindest digital. So ist sie in der Zukunft abgebrannt, der Turm nicht mehr da, der Vorplatz verwüstet. Nur ein paar Holzkreuze stehen noch. „Da haben wir alle Gänsehaut bekommen, als wir die Szenen sahen“, sagt Ihlefeldt. Für seinen Geschmack ist die Serie etwas zu düster. „Sie ist wirklich 'dark". Das ist nicht so meins.“ Dennoch sei er sehr beeindruckt von den Dreharbeiten gewesen. Etwa, als mit einem Mal die Kapelle in dichtem Nebel verschwand. „Überall lagen Schläuche in den Büschen aus denen dann kleine Nebelfontänen sprühten. Das waren geniale Bilder.“
Dabei hat der Südwestkirchhof eine besondere Verbindung zu Film und Fernsehen. Schließlich fanden auf dem Friedhof nicht wenige Prominente ihre letzte Ruhe: etwa der bekannte „Nosferatu“-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau, Showmaster Dieter Thomas Heck oder Schauspieler Manfred Krug. Außerdem liegt auf dem Südwestkirchhof auch der echte Kommissar Ernst Gennat, Spitzname „Der Buddha“, der unter anderem den Serienmörder Fritz Haarmann verhörte und in der Serie „Babylon Berlin“ von Schauspieler Udo Samel wieder zum Leben erweckt wurde. Seit dem Erfolg der Serie kämen auch manchmal Fans an sein Grab nach Stahnsdorf, sagt Ihlefeldt.
Drehs mit Ewan McGregor und Cate Blanchett
Als Kulisse ist der Friedhof schon vor „Dark“ entdeckt worden, wie der Kirchhofleiter erzählt. So ließ Regisseur Roman Polanski im Winter 2008 Szenen für seinen Film „Ghostwriter“ auf dem Friedhof drehen. Dafür wurde eine Hausfassade in Originalgröße in einem abgelegenen Teil des Südwestkirchhofs aufgebaut. Polanskis Hauptdarsteller Ewan McGregor fährt vor das Haus und läuft zur Tür. Viele andere Szenen des Films seien im Studio gedreht worden, sagt Ihlefeldt. Für die kurzen Momente sei der Aufwand gigantisch gewesen. „Es war im Winter und alles sollte frostfrei sein. Wenn es geschneit hätte, hätten sie von der Feuerwehr den Schnee von den Bäumen spritzen lassen.“
Besonders gefreut hat sich Ihlefeldt auch über den Dreh des Berliner Regisseurs Julian Rosefeldt für seine Filminstallation „Manifesto“ (2016) mit Cate Blanchett. Die Schauspielerin schlüpfte dafür in dreizehn verschiedene Rollen. Auf dem Südwestkirchhof wurde eine Beerdigungsszene gedreht, in der eine von Blanchett gespielte Witwe die Grabrede hält. Ihlefeldt, ein Fan der Schauspielerin, hatte sich die fertige Installation im Hamburger Bahnhof in Berlin angesehen. „Sie hat alle Rollen so überzeugend gespielt.“
Friedhof soll kein Wallfahrtsort für Film- und Serienfans werden
Auch für Ferdinand von Schirachs Polit-Thriller „Der Fall Collini“ (2019) mit Elyas M’Barek, Heiner Lauterbach, Alexandra Maria Lara und Franco Nero wurde eine Beerdigungsszene auf dem Friedhof gedreht. „Solche Produktionen sind gigantisch. Es wird ein großer Aufwand betrieben, damit alles am Ende perfekt aussieht.“ Weitere Produktionen waren unter anderem Dieter Hallervordens „Sein letztes Rennen“ von 2013 über den fiktiven Marathon-Olympiasieger Paul Averhoff, in dem er von einem großen Trauerzug zu Grabe getragen wird. Auch der Dauerrenner „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ hat für seine 7000 Jubiläumsfolge eine Szene auf dem Südwestkirchhof gefilmt. Der Kinderkanal Kika war da und drehte mit Guido Hammesfahr alias Fritz Fuchs eine Sendung über Tod, Trauer und Beerdigung.
Werbung als Drehort mache der Südwestkirchof natürlich nicht, sagt er. Sein Team und auch die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz würden alle Anfragen genau abwägen. So kämen zum Beispiel Satanisten-Szenen nie in Frage. Der Ort soll niemals entweiht werden, sagt Ihlefeldt. Außerdem dürfe für die Produktionen nichts nachhaltig verändert werden. „Wir wollen den Charakter und den eigentlichen Bestimmungszweck des Friedhofes bewahren. Der Friedhofsalltag darf nicht gestört werden.“ Ein Wallfahrtsort für Film- und Serienfans soll der Südwestkirchhof nicht werden.