Wohin mit den Beweismitteln?: Chaos in Brandenburgs Asservatenverwaltung
Brandenburgs Polizei hat nicht nur mit Personalquerelen zu kämpfen, sondern auch mit "spektakulären Missständen" bei der Beweismittelaufbewahrung.
Potsdam - Brandenburgs neuer Polizeipräsident Oliver Stepien, der am 1. Mai sein Amt antreten soll, wird in seiner ersten Zeit vor allem mit Aufräumarbeiten beschäftigt sein. Er muss nicht nur die Scherben zusammenfegen, die rund um seine eigene Ernennung am Dienstag durch das Kabinett entstanden sind, sondern auch das Chaos beseitigen, das bei der Asservatenverwaltung herrscht.
Drogen auf Dachböden, in Garagen oder Abstellkammern
Im Dezember hatte der Landesrechnungshof wie berichtet die Zustände innerhalb der Brandenburger Polizei scharf kritisiert. Die Prüfer rügten, dass selbst „Betäubungsmittel teilweise an ungeeigneten Orten wie Dachböden, Garagen oder Abstellräumen lagerten, wo sie mitunter auch getrocknet wurden“.
„In drei Polizeiinspektionen erfolgte die Verwahrung innerhalb der Büros der Asservatenverwalter“, hieß es. Die Prüfer hätten „Ausdünstungen“ wahrgenommen. Der Transport innerhalb des Landes sei teilweise unversiegelt erfolgt. Asservate seien „teilweise auch in Garagen, auf Dachböden und in Hundeablageboxen“ gelagert worden. Waffen und Munition seien zum Teil nicht getrennt gelagert worden.
Schusswaffe verschwindet während laufender Ermittlungen
Doch es kommt noch schlimmer: Wie das ARD-Magazin „Kontraste“ vergangene Woche berichtete, verschwand 2019 während laufender Ermittlungen eine sichergestellte Schusswaffe. Die Pistole vom Typ Walther PPK war beschlagnahmt und mittels Kurier nach Abschluss der Untersuchungen beim Landeskriminalamt (LKA) in Eberswalde (Barnim) an die Polizeidirektion Nord verschickt worden, kam dort aber nie an. Lückenhaft ist laut „Kontraste“-Bericht auch die Sicherung von beschlagnahmten Fahrzeugen. Diese werden zum Teil bei privaten Abschleppdiensten geparkt, etwa in Dabendorf (Teltow-Fläming). Anfang 2019 wurde dort ein T5-Bus gestohlen, der nun als Beweismittel fehlt.
Am Mittwoch befasste sich der Innenausschuss des Landtags in einer telefonischen Sondersitzung auch mit diesen Vorwürfen. Der Abgeordnete der oppositionellen Linken, Andrea Johlige, sprach von „absolutem Führungsversagens des Präsidiums und des Ministeriums“.
Innenminister: "Missstände sind spektakulär"
Innenminister Michael Stübgen (CDU), erst seit November im Amt, darauf: „Absolutes Führungsversagen würde ich das nicht nennen.“ Aber eine „gewisse Führungsverantwortung“ sei vorhanden. „Die Missstände sind spektakulär“, räumte er ein, die Kritik des Rechnungshofes sei „leider berechtigt“. Das sei aber schon unter seinem Vorgänger Karl-Heinz Schröter (SPD) erkannt worden. Die Probleme bei der Asservatenverwahrung seien laut Innenstaatssekretär Klaus Kandt die „Spätfolgen des sehr starken Personalabbaus“, wie sich etwa beim Fall der verschwundenen Waffe zeigt: Die Mitarbeiterin der Polizeidirektion, die die Waffe an das LKA verschickt habe, sei danach in Ruhestand gegangen, ihre Stelle wurde nicht nachbesetzt. So habe schließlich niemand mehr darauf geachtet, wo die Waffe verblieben sei. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
„Wir kritisieren die Zustände seit Jahren“, sagte der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Schuster, den PNN. Aus Spargründen seien Kurieraufgaben an kleine Privatfirmen übertragen worden. „Das birgt ein enormes Risiko“, so Schuster. Die Polizei müsse dringend wieder einen eigenen Kurierdienst etablieren oder zumindest große Firmen beauftragen, bei denen sich die Versandwege elektronisch verfolgen lassen. Zudem müsse das Land Autohöfe für die Verwahrung von Fahrzeugen anmieten, die entsprechend gesichert sind.
Der Leiter der am 21. Januar eingesetzte Arbeitsgruppe im Landespolizeipräsidium, die sich mit dem Asservaten-Problem beschäftigt, ist Vize-Polizeipräsident Roger Höppner. Also der Polizist, der wie berichtet beim Verwaltungsgericht dagegen klagt, bei der Neubesetzung wichtiger Polizeiposten übergangen worden zu sein. Nachdem ihm der Posten des Polizeipräsidenten seitens des Innenministers versprochen worden sei, dieser nach Veto durch Vize-Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher (Grüne) wegen Höppners Agieren in der Kennzeichen-Affäre einen Rückzieher machte, ließ Höppner seine Bewerbung für den Polizei-Abteilungsleiterposten im Ministerium wiederaufleben – und ging wieder leer aus.
Der Vorsitzende des Innenausschusses, Andreas Büttner (Linke) hatte die Querelen unter dem Punkt „Verschiedenes“ am Mittwoch auf die Tagesordnung des Ausschusses genommen, erhielt von Stübgen aber „aus Respekt vor der Unabhängigkeit der Gerichte“ nur einsilbige Antworten. Stepien sei am Dienstag einstimmig vom Kabinett als neuer Polizeipräsident bestätigt worden. Er bedaure, dass er nun nicht zeitgleich beide Posten besetzen könne. Die „öffentliche Aufregung“ über den Fall, sei „wenig nützlich“.
Andreas Büttner kritisierte nach der Sitzung in einer Mitteilung GdP-Chef Andreas Schuster. Dieser habe mit seiner Kritik an den Stellenbesetzungen eine rote Linie überschritten. „Es ist nicht die Angelegenheit des Chefs der GdP, eigene Personalvorschläge zur Besetzung von Führungspositionen im Ministerium zu machen und in Verwaltungsgerichtsverfahren einzugreifen“, so Büttner. „Wir brauchen eine gut funktionierende Polizei.“ Ein Vorpreschen des GdP-Chefs unter Hinweis auf interne Machtkämpfe und Querelen sei da wenig hilfreich. Schuster hatte den PNN am Dienstag auf Anfrage bestätigt, dass Höppner der Klagende ist, dieser habe seine Beschwerde über die GdP eingereicht. Gegenüber den PNN erneuerte Schuster am Mittwoch seine Kritik an dem Besetzungsverfahren, dieses sei „dilettantisch.“ Es gehöre sich, mit allen Beteiligten vorher zu sprechen, gerade wenn es um solch wichtige Posten gehe. Das sei im Falle Höppners nicht geschehen.
"Frischer Wind" für Brandenburger Polizei
Innenstaatssekretär Kandt, von 2012 bis 2018 Polizeipräsident in Berlin, stärkte dem neuen, aus Berlin kommenden Polizeipräsidenten Oliver Stepien im Innenausschuss den Rücken. Es sei gut, dass „frischer Wind“ in die Brandenburger Polizei komme und man nun eine „Sicht von außen“ habe. Ob diese so hilfreich ist, sei dahingestellt. Der Rat von Ausschusschef Büttner hinsichtlich der Beweismittelverwaltung jedenfalls: „Bitte folgen Sie da nicht Berlin.“ Auch bei geräuschlosen Personalbesetzungen war Berlin bislang nicht immer ein Vorbild.
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